PCF: "Die Französische Kommunistische Partei ist aufgerufen, sich neu zu erfinden"

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Logo-Hammer-u-Sichel-zerlegt28.06.2017: Der Nationalrat der Französischen Kommunistischen Partei PCF hat am Wochenende (23./24.Juni) über Lehren und Konsequenzen aus den Wahlergebnissen diskutiert. Mit dieser Tagung wurde der Auftakt für eine große Parteidiskussion gegeben, deren Ergebnisse mit der Abhaltung eines außerordentlichen Parteitags im Frühsommer oder Herbst 2018 zusammengefasst werden sollen. ++ Dokumentiert: Resolution des Nationalrates und Auszüge aus dem Referat von Pierre Laurent

 

Alles müsse infrage gestellt und neu durchdacht werden, erklärte Nationalsekretär Pierre Laurent in seinem Referat: die durch die Wahlen neu entstandene politische Situation und innenpolitische Landschaft Frankreichs, die Umschichtungen im bürgerlichen Lager mit dem neuen Aufkommen der "Liberalen" unter Macron, ihre Vorhaben für die nächsten Jahre und die Möglichkeiten des Widerstands dagegen, die Frage der Linken und die Neuformierung von Linkskräften, die eine mehrheitsfähige Perspektive entwickeln können, und nicht zuletzt die Rolle, Aufgaben und Arbeitsweise der eigenen Partei.

Das Wahlergebnis bewertet Laurent als eine schwere Niederlage, auch wenn die Zahl der parteieigenen Abgeordneten von 8 auf 11 gestiegen ist und die PCF mit Abgeordneten aus den Überseegebieten erneut eine eigene Fraktion, die "Gruppe der Demokratischen und Republikanischen Linken", bilden können. Die Fraktion der PCF schlage der Gruppe der "Insoumis" (Fraktion der "Widerständigen", Bewegung von Jean-Luc Mélenchon) eine Verbindung oder jede andere Form von Koordination vor, berichtete Laurent.

Der Nationalsekretär der PCF beschäftigt sich in seinem Referat mit dem Neuaufkommen von politischen Bewegungen, die sich als "außerhalb des politischen Parteiensystems stehend" präsentieren. "Das Aufkommen der FI (France Insoumise – Mélenchon-Bewegung) verkörpert die Suche nach einer neuen Antwort auf diese Krise der Linken, wirft aber andere Fragen über die mögliche Zukunft eines mehrheitsfähigen Projektes auf", sagt Laurent. "Wir müssen", fordert die KommunistInnen auf, "die neuen neo-populistischen Phänomene begreifen, die nicht mehr das alleinige Vorrecht des Front National sind, sondern auf die auch Macron seine Bewegung aufgebaut hat, und die Jean-Luc Mélenchon und 'La France Insoumise' unter der Bezeichnung 'linker Populismus' in Anspruch nehmen, schließlich die Veränderungen der Politik und der Formen von Engagement begreifen, ganz besonders unter der Jugend und bei den neuen sozialen Schichten."

Den Erfolg von Jean-Luc Mélenchn bei der Präsidentenwahl bewertet Laurent als "Kennzeichen einer qualitativen Evolution zugunsten eines neuen humanistischen, sozialen und ökologischen Transformationsprojekts". Laurent weiter: "Im Gefolge dieses Resultats bei der Präsidentenwahl haben Jean-Luc Mélenchon und die Führung von "France Insoumise" sich im Gegensatz zu 2012 dafür entschieden, der politischen Installierung ihrer eigenen Bewegung Priorität zu geben. Sie haben sich dafür entschieden, das in einer scharfen Konkurrenz mit den gegnerischen Kräften zu tun, was ganz normal ist, aber auch mit möglichen Partnerkräften wie unserer Partei. Und sie haben die Absicht, das weiter zu tun. Die FI hat auf dieser Grundlage signifikante Ergebnisse bei der Parlamentswahl erreicht, sehr viel höhere als unsere, aber auch sehr viel niedrigere als bei der Präsidentenwahl, was den pluralen Charakter der Stimmabgabe für Mélenchon am 23. April bestätigt. Die Ergebnisse der Parlamentswahl ermöglichen es der FI, über eine eigene Gruppe (Fraktion) in der Nationalversammlung zu verfügen. Wenn die FI sich als eine konkurrierende Kraft zu uns bestätigen zu wollen scheint, sind wir nicht gezwungen, unsere Strategie als Spiegelbild zu ihrer zu entwickeln."

Laurent wendet sich dagegen, "das notwendige Nachdenken über Verhältnisse der Ausbeutung, der Beherrschung zu verdrängen zugunsten des ausschließlichen und sublimen Begriffs 'Volk", eines 'sie' und 'wir', das die Frage der Klassenbeziehungen verschwinden lässt". Er hält es für wesentlich, "die Ausbeutungs- und Herrschaftsverhältnisse auf der Ebene des globalisierten Kapitalismus neu zu durchdenken, um die Strategien der Erringung von Macht auf allen Ebenen zu erneuern, sowohl auf lokaler und territorialer wie internationaler und europäischer Ebene". Dabei, so Laurent, seien die "marxistische Herangehensweise, die bereit erarbeiteten oder noch zu erarbeitenden kommunistischen Ideen … essentiell".

Der französische Kommunist wendet sich gegen den "linken Populismus". "Ich glaube nicht, dass dies die Stunde sei, angesichts der demokratischen Krise und der konstruierten Ohnmacht der Politik ein 'populistisches Moment' zu akzeptieren, selbst wenn es als 'links' ausgegeben wird". Der Populismus könne "zu einem ganz anderen Regime abgleiten", warnt er. Laurent: "Mit diesem Feuer sollten wir nicht spielen. Ich für meinen Teil glaube an die Erfindung einer ganz anderen Strategie, natürlich unter der Bedingung, dass wir uns dafür die Mittel verschaffen, um auf ihrer Höhe zu sein: die der Eroberung von Fortschritten durch die Bürgerinnen und Bürger an allen Orten und unter allen Umständen, schrittweise oder auch global, aber immer mit dem Durchsetzen von neuen Rechten und Befugnissen für die große Mehrzahl. Dies verlangt offenkundig eine neue Organisation, nicht mehr nur territorial und generalisiert wie die unsere, sondern auf ihre Fähigkeit zentriert, Fronten des Kampfes und der Erringung von Fortschritten bis zu teilweisen und globalen Siegen voranzutreiben, sie bis zur Mehrheit und zur Hegemonie von Minderheiten-Projekten mit Mehrheitsfähigkeit voranzubringen. Das ist dann natürlich eine zutiefst erneuerte Konzeption der Sammlung der Kräfte, konzentriert auf den Aufbau durch das Volk selbst."

Laurent stellt fest, dass der Zusammenbruch und der Misskredit gegen die PS die ganze Linke in Mitleidenschaft und nach unten ziehen. "Die Linke insgesamt geht beträchtlich geschwächt und gespalten aus dieser Wahlperiode hervor", bilanziert er und schlussfolgert: "Ich glaube, dass real zur Zeit keine der präsenten Kräfte in der Lage ist, die enorme Herausforderung der Rückgewinnung gegenüber Macron und des Wiederaufbaus einer mehrheitsfähigen Perspektive der Linken zu bewältigen."

Die PCF "stellt sich der Herausforderung des Neuaufbaus der Linken", erklärt der Nationalrat der PCF in einer Resolution und lädt alle linken Kräfte zur Debatte ein. Die PCF müsse eine Strategie und Praxis für die gesellschaftliche Umgestaltung zu erarbeiten. "Das erfordert von uns, uns neu zu erfinden, um eine kommunistische Partei des 21. Jahrhunderts auf der Höhe dieses Zieles zu sein, während sie gleichzeitig am Aufkommen einer politischen Konstruktion mit Mehrheitsfähigkeit der Gesamtheit der Linken der gesellschaftlichen Umgestaltung arbeitet." Für die Debatte in der Partei wurde eine "erste offene Liste von zu behandelnden Fragen" veröffentlicht

  • Wie wieder zur Partei der popularen Klassen (unteren Volksklassen) werden, bei der Arbeit, im Unternehmen, in den popularen Stadtvierteln und auf dem Land?
  • Welche konkrete Strategie der Transformation der Gesellschaft, wie eine Partei der gesellschaftlichen Errungenschaften in einer revolutionären Sicht werden?
  • Wie ausgehend von unserer guten lokalen Praxis und der Arbeit unserer Abgeordneten, von allen unseren kämpferischen Erfahrungen die Werkzeuge unserer nationalen Strategie der gesellschaftlichen Umgestaltung entwickeln?
  • Welche Sammlung (der Kräfte) wollen wir, mit wem und wie?
  • Welches neue Organisationsmodell?
  • Welche Konzeption der Leitungskollektive?
  • Wie unsere Kommunikation und unsere Identifikation entwickeln?
  • Welche personellen und finanziellen Mittel, um unsere Politik zu verwirklichen?

 


 

Einführungsreferat von Pierre Laurent zur Tagung des Nationalrats der PCF am 23./24. Juni 2017

FR Pierre-Laurent PCFAuszüge

Gestattet mir zuerst, meine herzlichsten Gefühle der Brüderlichkeit gegenüber der Gesamtheit der Kommunistinnen und Kommunisten zum Ausdruck zu bringen. Alle haben mit viel Kampfgeist und Verantwortungssinn ein kompliziertes und schwierig zu durchlebendes Jahr hinter sich gebracht. Ich will ihnen sagen, dass alle ihre Anstrengungen, alle von ihnen erbrachten kämpferischen Taten, alles ihre verbreiteten Ideen, die geknüpften Kontakte, all dies seine Früchte tragen wird. Nicht von dem, was wir gemeinsam gemacht haben, wir vergebens sein.

Schließlich will ich natürlich in euer aller Namen die elf gewählten kommunistischen Abgeordneten begrüßen, die unsere Stimme und unsere Kämpfe fünf Jahre lang zu Gehör bringen werden. Sie werden sehr wertvoll sein, um die Kräfte der sozialen und demokratischen Opposition gegen Macron im Kampf zu vereinen, im Parlament wie im draußen im Land. Ihr wisst es, die elf Abgeordneten werden mit (4) Abgeordneten aus den Überseegebieten erneut eine eigene Fraktion, die "Gruppe der Demokratischen und Republikanischen Linken" bilden. Sie haben gestern vorgeschlagen, für eine Verbindung oder jede andere Form von Koordination mit der Gruppe der "Insoumis" (Fraktion der "Widerständigen", Bewegung von Jean-Luc Mélenchon) zu wirken. Unser Vertrauen ist ihnen sicher. Wir werden auf eine kämpferische, kreative, (personell) erneuerte und verjüngte Fraktion zählen können. Es gibt neun neue Abgeordnete unter den elf

Um freimütig zu sein, ich meine, dass das, was sich in der Gesellschaft und für unsere Partei gerade ereignet hat, von uns verlangt, zwei Fragen sehr tiefgehend neu zu durchdenken:

  • die Natur, den Rhythmus, das Ausmaß und die Zielsetzung der Umgestaltung der Partei,
  • die Bedingungen der schrittweisen Wiederherstellung einer mehrheitsfähigen Perspektive einer progressiven Veränderung (Wende).


Es eröffnet sich eine neue politische Periode, nicht stabilisiert, in gewisser Weise das Jahr Null einer Neuzusammensetzung, die dazu berufen ist, weitere Episoden zu erleben.

Um politische Lehren zu ziehen, gute Beschlüsse zu fassen, können wir uns nicht allein an die Analyse unserer Ergebnisse halten oder unsere Ergebnisse außerhalb dessen zu analysieren, was um uns herum völlig verändert worden ist. Die aufgeworfenen Fragen sind globaler, außergewöhnlicher als üblich. Alles muss neu durchdacht, neu studiert werden: der Zustand der Gesellschaft, die Klassenklüfte in der Stunde einer kapitalistischen Globalisierung im vollen Chaos, die neue politische Landschaft, die Natur der neu auftretenden Kräfte, die Bedingungen des Aufbaus einer neuen politischen Mehrheit für die Veränderung, ausgehend von dieser Situation, die Frage der Linken, ihres Zustands und ihrer Zukunft. Und dabei ist auch zweckdienlich neu zu durchdenken unsere Rolle und unsere Zukunft unter den völlig veränderten neuen Bedingungen. …

Die Situation ist nicht stabilisiert. Die Umgestaltung wird andauern. Enorme Widersprüche halten an. Und einer dieser Widersprüche steht im Zentrum der Situation: das neu zusammengesetzte liberale Lager mit Macron, "En Marche!" und MODEM hat einen erdrückenden Sieg errungen. Diesen Sieg hat es erreicht, indem es ihm gelang, einen sehr tiefgehenden Verdruss gegenüber der gegenwärtigen Gesellschaft, immense und manchmal sehr widersprüchliche Bedürfnisse nach einem politischen Wechsel, einen Willen zur demokratischen Entriegelung der Situation zu seinen Gunsten zu vereinnahmen.

Diese Erwartungen hegen in Wahrheit ganze Sektoren der französischen Gesellschaft schon seit 2005. Das Machtgespann ist instabil, weil es einen enormen Widerspruch gibt zwischen dieser politischen Vereinnahme, diesem gelungenen Raubüberfall von Macron und den enormen Erwartungen nach sozialen, ökologischen und demokratischen Fortschritten, die immer noch da sind. Die Situation kann rasch die schreiende Kluft offenkundig werden lassen zwischen den quasi absoluten Befugnissen der Exekutive und eines Präsidenten, den die Medien schon gemeinhin "Jupiter" nennen, und dem realen Zustand des Landes und den Erwartungen der Bürger. Es gibt eine große Unsicherheit hinsichtlich der Zukunft der politischen Koalition des Präsidenten selbst innerhalb dieser Kraft; die jüngste Episode des Ministerwechsels und das Abtreten von François Bayrou (Chef der liberalen MODEM infolge von Betrugsvorwürfen gegen ihn, Anm.) ist dafür eine Illustration.

Die Politik von Macron wird diesen Erwartungen auf die Dauer nicht gerecht werden, weil seine Software die des Dienstes für die Interessen des Finanzkapitals bleibt. Der Widerspruch ist berufen, sich zuzuspitzen, ohne daß man sagen könnte, nach welcher Seite er entknotet werden könnte. Das ist Gegenstand des im Gang befindlichen politischen Kampfes. Aber diese Widersprüche zu bearbeiten, um zu agieren, indem man sich auf die Kräfte stützt, die nach positiven Auswegen suchen oder daran interessiert sind, ist entscheidend. Unsere Arbeit ist nicht nur, Opposition zu sein, sondern den arbeitenden Menschen, den Bürgerinnen und Bürgern zu helfen, die ein Interesse haben, Wege zu ihrer sozialen Emanzipation und zur Demokratie zu finden.

(Auch) wir sind direkt betroffen von diesen Umwälzungen. Die Frage der Zukunft der Partei ist gestellt.

Wir sind nicht die einzigen, die in Frage gestellt sind. Wir stehen vor einer immensen Baustelle des Wiederaufbaus, wie alle Kräfte der gesellschaftlichen Umgestaltung. Die Linke geht atomisiert aus diesem Erdbeben hervor nach fünf Jahren einer Präsidentschaft, die diese Explosion vorbereitet hat. Die PS und EELV (Grüne) liegen am Boden. Das Aufkommen der FI (France Insoumise – Mélenchon-Bewegung) verkörpert die Suche nach einer neuen Antwort auf diese Krise der Linken, wirft aber andere Fragen über die mögliche Zukunft eines mehrheitsfähigen Projektes auf.

Wir selbst sind sehr geschwächt. Unsere Parlamentswahlergebnisse sind eine schwere Niederlage in Sachen Stimmen und Glaubwürdigkeit als nationale Kraft. Die Wahl von elf Abgeordneten ist in diesem Kontext eine sehr gute Nachricht. Sie macht aus uns eine der Kräfte, die dem Tornado widerstanden haben. Unsere Aktiven haben sich gut gehalten und mutige Wahlkämpfe geführt. Wir können und müssen eine Rolle spielen bei der anstehenden Rekonstruktion unter der Bedingung, zu tiefgehenden Veränderungen überzugehen, in gewisser Weise unsere eigene politische Revolution zu vollziehen.

Die Bilanz des vergangenen Jahres muss absolut ohne Tabus diskutiert werden. Wir müssen auseinanderhalten, was unsere politische Führung der Periode der Präsidentschaftswahl betrifft und was strukturellere Fragen für die Zukunft unseres Kampfes und den der Partei sind.

Es ist offensichtlich, dass die Wahl, die wir für die Präsidentenwahl getroffen haben, uns nicht gestattet hat, die Schwierigkeiten zu entflechten und die Gefahren zu überwinden, die wir identifiziert hatten. Ein kritischer Blick auf dieses Jahr ist also notwendig.

Gleichzeitig enthüllt dieses Jahr das Fortbestehen eines breiten politischen Raumes für die Ideen der gesellschaftlichen Umgestaltung, die zu entwickeln wir beitragen, wie auch politische Sackgassen, die bestehen bleiben oder sich sogar verstärken. Unsere Bilanz muss also versuchen, an die Wurzel der Probleme vorzudringen, die uns gestellt sind.

Wir müssen unsere Erfahrungen seit der Bildung der Linksfront einschätzen, die gemachten Punkte wie unsere Irrtümer, aber auch grundlegender die Tiefe der Volkswut begreifen, und die Schwierigkeit, die wir haben, sie bis zum politischen Bewusstsein eines gemeinsamen Interesses aller Beherrschten zu bringen, die Möglichkeiten wie die Hindernisse für die Rekonstruktion eines Klassenbewusstseins begreifen, sie in ihrer internationalen Dimension bedenken: die neuen neo-populistischen Phänomene begreifen, die nicht mehr das alleinige Vorrecht des Front National sind, sondern auf die auch Macron seine Bewegung aufgebaut hat, und die Jean-Luc Mélenchon und "La France Insoumise" unter der Bezeichnung "linker Populismus" in Anspruch nehmen, schließlich die Veränderungen der Politik und der Formen von Engagement begreifen, ganz besonders unter der Jugend und bei den neuen sozialen Schichten.

Das zentrale Problem für uns ist nicht, uns grundsätzlich im Verhältnis zu France Insoumise (F'I') neu zu durchdenken, selbst wenn die FI sich auf einem bedeutenden Niveau installiert hat auf einem Terrain, das wir selbst beanspruchen.

Ich glaube, dass real zur Zeit keine der präsenten Kräfte in der Lage ist, die enorme Herausforderung der Rückgewinnung gegenüber Macron und des Wiederaufbaus einer mehrheitsfähigen Perspektive der Linken zu bewältigen. Wir müssen vor allem von uns selbst aus nachdenken über diese Situation, mit all denen, die verfügbar sind, und sie sind zahlreich, um eine Strategie und Praxis der Eroberung (von Fortschritten) und von dauerhaften Siegen für die gesellschaftliche Transformation zu entwickeln, und eine kommunistische Partei des 21. Jahrhunderts zur Erreichung dieser Ziele.

Wir werden den Herausforderungen dieser neuen Periode entgegentreten im Widerstand und in der Aktion für den Wiederaufbau. Es kann nicht die Frage sein, sich in ein Konklave oder die Überwinterung zurückzuziehen. Wir werden sofort an der Front sein. Ich glaube übrigens, dass die Aktion und die Kämpfe eine Bedingung für den politischen Wiederaufbau sind, einschließlich unserer eigenen Neuerfindung.

Der explosive Cocktail, der die politische Landschaft in Stücke fliegen ließ, besteht aus unterschiedlichen Zutaten. Er vermischt viel Verärgerung angesichts der Verschlechterung der sozialen Lebensbedingungen, der schamlosen Ungleichheiten, der politischen Lügen in ständiger Wiederholung, des Durcheinanders einer Gesellschaft, die sich weder um die Menschen noch um den Planeten Erde kümmert; er verknüpft sich auch mit dem Ansteigen der Angst und der Besorgnisse vor der Zukunft, vor der Welt, vor der Bedrohung durch Terrorismus; er verbindet sich mit dem Verfall politischer Bezugspunkte, der Auflösung von Klassenbezugspunkten in der Welt der Arbeit und auch einem starken Aufkommen von "Degagismus" (degager = abkoppeln, ablösen), benutzt als ein sehr widersprüchliches Mittel des Lossagens von einem politischen System, das nie klar bestimmt wird, durch so verschiedene Kräfte wie "En marche!" (Bewegung/Partei Macrons), "La France Insoumise" (Mélenchon) und dem Front National /Rechtsextremisten).

Es gibt in Frankreich einen mehrheitlichen Wunsch nach Veränderung zu mehr Ehrlichkeit in der Politik, mehr sozialer Gerechtigkeit, mehr echter Demokratie, Frieden und Sicherheit, der Respektierung der Umwelt. Unser Volk sehnt sich nach einer Erneuerung der politischen Auswahl, der Politik selbst. Im Lauf der Umfragen über seine Sehnsüchte befragt antwortet es mehr und mehr positiv auf Maßnahmen oder Vorschläge, die klar "auf der Linken" verankert sind, ob es sich dabei um soziale, ökonomische oder gesellschaftspolitische Fragen handelt. … Aber es identifiziert sich immer weniger mit diesem Wort "Linke", das mit Hollande, der Sozialistischen Partei und mit den Enttäuschungen gleichgesetzt wird, die die Erfahrungen mit der Linken, besonders die Politik der letzten Amtszeit ausgelöst haben. So ist die Rechts-Links-Kluft heute stark vernebelt. Die Rhetorik von Macron, seine Entscheidungen bei der Zusammensetzung der Regierung verstärken diese Vernebelung.

Muss man sich damit abfinden, wie wenn es sich dabei nur um eine "alte Welt" handelte, oder eher versuchen, all dem einen Sinn zu geben? Und wie? Ausgehend von welchen emanzipatorischen Bezugspunkten in diesem 21. Jahrhundert? Diese Debatten liegen vor uns auf dem Tisch.

Die aufeinander folgenden Enttäuschungen lassen bei den Leuten das Bedürfnis nach Neuem in der Politik aufkommen, und nach der notwendigen Vereinigung der Kräfte, um es voranzubringen und zum Erfolg zu führen. Alles, was spaltet, wird schlecht aufgenommen. Alles, was wie eine Haltung systematischer Kritik erscheint, wird verdammt. Alles, was wie eine politische Querele aussieht, wird missbilligt. Unsere Mitbürger wollen Lösungen und nicht Kritiken. Sie wollen die Vereinigung, die Einheit und nicht die Spaltung.

All dies erklärt den Erfolg von Macron, der – mit der Unterstützung der Finanzkreise und ihrer politischen und medialen Netzwerke – es verstanden hat, diese Sehnsüchte zu seinen Gunsten abzufangen, sie umzuleiten, dabei nur eine Antwort bietend: Macron besitzt einen Trumpf, den weder Sarkozy noch Hollande hatten: er repräsentiert nicht einen Clan, ein Lager, sondern eine Sammlung, eine Bewegung.

Insofern hat sein Vorhaben auf die Dauer nicht unvermeidlich schon gewonnen, und die Wahlergebnisse selbst verdeutlichen die Grenzen und die Widersprüche, mit denen der Präsident und seine Regierung konfrontiert sein werden: Macron ist mit nur 24 Prozent der Stimmen im ersten Wahlgang gewählt worden, und im zweiten mit den Stimmen von Bürgern, wie wir es sind, die den möglichen Machtantritt von Marine Le Pen versperren wollten.

Die massenhafte Stimmenthaltung (Nichtwählerzahl) zeigt die Zerbrechlichkeit des Vorhaben des Präsidenten… Sie hat mit 51,29 % der Wahlberechtigten einen neuen Rekord erreicht, dabei zum ersten Mal bei einer Parlamentswahl die Mauer von 50 % durchbrechend.

Neu ist auch, dass die Stimmenthaltung mit der Beteiligung von nur 43 % seiner Wähler beim ersten Wahlgang der Präsidentenwahl auch sehr hart bei der Wählerschaft des Front National zuschlägt… Der Front National ist in einer paradoxen Situation. Sein Vorankommen war bei diesen Wahlen extrem bedeutend. Zugleich markieren das Scheitern im zweiten Wahlgang und die internen Auseinandersetzungen eine Form eines Stoppsignals, und es gelingt ihm nicht, eine Fraktion zu bilden, im Gegensatz zu uns und zu France Insoumise. Der FN hat mit diesen Parlamentswahlen einen klaren Rückschlag erlebt mit dem Verlust von 4 564 347 Stimmen und 8,09 % der Wähler im Vergleich zur Präsidentenwahl, damit vom Rang der zweiten politischen Kraft im Land auf den der dritten Kraft zurückfallend, trotz der Präsenz in allen Wahlkreisen des Mutterlands. Er geht auch zurück im Vergleich zur Parlamentswahl von 2012, indem er von 14,01 % auf 13,43 % der abgegebenen Stimmen zurückging und 586 485 Stimmen verlor. Dennoch bleibt er die erste Kraft bei den Arbeitern (29 %) und bei denen, die weniger als 1250 € bekommen (24 %'). Schließen wir also daraus vor allem nicht, dass die Gefahr verschwunden wäre. Sie bleibt auf sehr hohem Niveau für die Folgezeit.

Das politische Erdbeben hat auch voll die sogenannte republikanische Rechte getroffen.

Die Linke insgesamt geht beträchtlich geschwächt und gespalten aus dieser Wahlperiode hervor. Der Zusammenbruch und der Misskredit gegen die PS ziehen die ganze Linke in Mitleidenschaft und global nach unten. PS und Grüne stehen vor einer existenziellen Krise, die für sie fatal werden kann. Die Grünen sind politisch eliminiert, sehr paradoxer Weise in einem Augenblick, wo ihre Ideen hegemonial geworden sind in einem großen Teil des politischen Feldes. … Die PS ist explodiert. Mit ihren Satelliten PRG und MDC erhalt sie nur 1 726 626 Stimmen und 8 % der Wähler im Mutterland, im Vergleich zu den 8 616 137 und 34,62 % von 2012.

Eins ist sicher: wir erleben das Ende, vielleicht das vorläufige, aber zur Stunde sehr reale Ende einer politischen Periode von fast 40 Jahren, gekennzeichnet durch den Wechsel zwischen einer von der PS dominierten Linken und einer von UDR/UMP/LR-UDI dominierten Rechten. Die dominanten liberalen Kräfte sind auf der Suche nach einem neuen französischen politischen Modell, eingefärbt von einer großen Koalition auf französische Art und einem präsidentiellen Neo-Populismus.
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Unsere Partei, reich an Ideen, stark kämpferisch orientiert, örtlich verwurzelt, bleibt ihrerseit6s unterausgerüstet mit digitalen Mitteln und mangelt es an Zusammenhalt, an Sichtbarkeit und an nationaler Wirksamkeit. Wir müssen nicht die Modelle kopieren, die die individuelle Souveränität und Initiative in den Hintergrund drängen. Im Gegenteil, wir haben für uns selbst eine neue Form von Partei zu erfinden, ein neues Organisationsmodell, das eine starke dezentralisierte und demokratisch aufgebaute kämpferisch Kraft und einen tiefgehend neu durchdachten nationalen Zusammenhalt, Reaktionsfähigkeit und nationale Sichtbarkeit zusammenbringt, unter Nutzung sowohl die kämpferische Praxis vor Ort wie eine modernisierte Kommunikation (Öffentlichkeitsarbeit), und die die neuen digitalen Möglichkeiten nutzt unter Erfindung neuer digitaler Anwendungen im Dienst unserer Ziele. Wir müssen überdies die soziale und militante Aneignung von digitalen Anwendungen entwickeln, um neue Modelle der Information und Kommunikation, der Teilnahme am Austausch, der Entscheidung und Organisation zu erfinden, neue horizontale Netze, um in der Gesamtheit unserer Organisationen eine globale und dezentralisierte Souveränität unserer aktiven Mitkämpfer neu zu erdenken.

Der Erfolg von Jean-Luc Mélenchn bei der Präsidentenwahl mit einem bemerkenswerten Stimmanteil von fast 20 Prozent … ist das Kennzeichen einer qualitativen Evolution zugunsten eines neuen humanistischen, sozialen und ökologischen Transformationsprojekts. An dieser anwachsenden Dynamik haben wir unseren Anteil gehabt.

Im Gefolge dieses Resultats bei der Präsidentenwahl haben Jean-Luc Mélenchon und die Führung von "France Insoumise" sich im Gegensatz zu 2012 dafür entschieden, der politischen Installierung ihrer eigenen Bewegung Priorität zu geben. Sie haben sich dafür entschieden, das in einer scharfen Konkurrenz mit den gegnerischen Kräften zu tun, was ganz normal ist, aber auch mit möglichen Partnerkräften wie unserer Partei. Und sie haben die Absicht, das weiter zu tun. Die FI hat auf dieser Grundlage signifikante Ergebnisse bei der Parlamentswahl erreicht, sehr viel höhere als unsere, aber auch sehr viel niedrigere als bei der Präsidentenwahl, was den pluralen Charakter der Stimmabgabe für Mélenchon am 23. April bestätigt. Die Ergebnisse der Parlamentswahl ermöglichen es der FI, über eine eigene Gruppe (Fraktion) in der Nationalversammlung zu verfügen. Wenn die FI sich als eine konkurrierende Kraft zu uns bestätigen zu wollen scheint, sind wir nicht gezwungen, unsere Strategie als Spiegelbild zu ihrer zu entwickeln.

Wenn sich die FI nur am Rande auf die Linke bezieht, sogar den Bezug darauf ablehnt, war die Stimmabgabe für die FI bei der Präsidentenwahl de facto die "nützliche Stimme" für die Linke geworden, und bei der Parlamentswahl ist sie für die "sich nach links orientierenden Wähler" als zweite Stimme der Linken mit 25 % nach "En marche!" in Erscheinung getreten, die widersprüchlicher Weise 30 Prozent eingesammelt hat und sich vor der PS plaziert, die bei 22 % liegt… Trotz ihres Rückgangs im Verhältnis zum ersten Wahlgang der Präsidentenwahl bestätigt sich die FI als die vierte wahlpolitische Kraft des Landes.

Nach unserer autonomen Unterstützung für Mélenchon bei der Präsidentenwahl sind die Ergebnisse unserer Partei bei der Parlamentswahl schlecht. Trotz einer realen Nachbarschaftsverankerung vor Ort, aber auch mehr und mehr in ungleichem Maß, und den aktiven Kämpfen können wir nicht standhalten infolge des Fehlens von genügender nationaler politischer Glaubwürdigkeit.

Die 465 Kandidatinnen und Kandidaten, die von der PCF zur Parlamentswahl nominiert worden sind, haben 687 313 Stimmen und 3,17 % der abgegebenen Stimmen in insgesamt 539 Wahlkreisen des französischen Mutterlands erhalten; diese Zahl ist mit 2007 zu vergleichen, wo die von der PCF präsentierten Kandidaten im Mutterland im Rahmen einer unterschiedlichen Wahlkreisaufteilung 1 191 732 Stimmen bekommen haben, 4,74 % der abgegebenen Stimmen, und mit 2012, wo unsere Partei im Rahmen der Linksfront 408 Kandidaten nominiert hatte, die 5,5 % der abgegebenen Stimmen und 1 368 644 Stimmen bekommen haben. Bei der gegenwärtigen Wahlkreisaufteilung liegt die PCF über 5 Prozent in 81 Wahlkreisen, gegenüber 248 im Jahr 2012 und 127 im Jahr 2007.

Wenn in den Kommunen mit mehr als 25 000 Einwohnern, die einen kommunistischen Bürgermeister haben, die Wirkung der kämpferischen Aktivität der Kommunisten vor Ort es ermöglicht, 24 % der abgegebenen Stimmen zu gewinnen, bleibt doch nicht weniger gültig, dass die Verankerung und territoriale Aktivität der PCF es immer weniger schaffen, das Gewicht auszugleichen, das die bei den Präsidentenwahlen entstandenen Kräfteverhältnisse auf die Entscheidung der Wähler bei den Parlamentswahlen ausüben.

Aber widersprüchlicher Weise gelingt es der PCF durch ihre Fähigkeiten zur Zusammenführung des ganzen linken Wählerschaft, 11 kommunistische Abgeordnete wählen zu lassen, also 4 mehr als 2012. Das muss dazu führen, die Aktivität der ganzen PCF radikal neu zu hinterfragen, über ihren politischen Bezug zur französischen Gesellschaft und ihre Fähigkeit, die Bürger dazu zu bringen, den Stimmzettel für die Kommunisten in die Urne zu werfen.

So ist unsere Partei zugleich konfrontiert mit dem institutionellen Problem des Präsidentialismus der V. Republik, der sich seit 2002 durch die Einführung der Fünfjahres-Amtszeit verstärkt hat und das sie seit 1962 nie zu lösen vermocht hat, und mit der existenziellen Frage, wie eine politische Organisation sein muss, die Trägerin der Hoffnung auf gesellschaftliche Transformation von Kommunisten des 21. Jahrhunderts ist.

Unsere Neuerfindung muss entschieden offensiv sein. Warum? Weil unsere Kühnheit das Gegenteil eines Rückzugs sein muss. Weil unsere Kraft, mit ihrer kulturellen Originalität an Ideen, Praktiken und eines Projekts unerlässlich bleibt für die globalere Neuerfindung eines Projekts der mehrheitsfähigen gesellschaftlichen Transformation….

Obwohl einige versuchen, das notwendige Nachdenken über Verhältnisse der Ausbeutung, der Beherrschung zu verdrängen zugunsten des ausschließlichen und sublimen Begriffs "Volk", eines "sie" und "wir", das die Frage der Klassenbeziehungen verschwinden lässt, ist es im Gegenteil wesentlich, die Ausbeutungs- und Herrschaftsverhältnisse auf der Ebene des globalisierten Kapitalismus neu zu durchdenken, um die Strategien der Erringung von Macht auf allen Ebenen zu erneuern, sowohl auf lokaler und territorialer wie internationaler und europäischer Ebene. Die marxistische Herangehensweise, die bereit erarbeiteten oder noch zu erarbeitenden kommunistischen Ideen bleiben essentiell
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Die liberale kulturelle Hegemonie wird in Wirklichkeit bezweifelt und die liberalen Antworten können sich nur durchsetzen unter Verweigerung der gesellschaftlichen Debatte und der Volkssouveränität. Gut abgeriegelt lassen die Institutionen die Demokratie sich im Leerlauf drehen. Wir sind in das eingetreten, was manche "Post-Demokratie" nennen.

Die Gesellschaft sendet uns dagegen ständig die Botschaft eines sehr starken Strebens nach Beteiligung, nach Mitentscheidung, danach, sich des Gemeininteresses anzunehmen, ein Streben, das durch die demokratische Missachtung der Führungszirkel konterkariert wird. … Die Kommunistische Partei muss diese Frage aufgreifen und aus einer erneuerten, erweiterten, weitergeführten, radikalen Demokratie den Kern ihres Projektes, ihrer Zielsetzung und vor allem ihrer Praxis machen. Kommunismus, das ist zuallerst dies: das souveräne Volk, das sein Schicksal selbst bestimmt
….

Ich glaube nicht, dass dies die Stunde sei, angesichts der demokratischen Krise und der konstruierten Ohnmacht der Politik ein "populistisches Moment" zu akzeptieren, selbst wenn es als "links" ausgegeben wird… "En Marche!, der Front National und wir, France Insoumise, das ist eine neue politische Welt, die aufkommt", sagte Alexis Corbière (heute Sprecher von Mélenchon bei FI, früher "Revolutionäre Kommunistische Liga" und danach Mitglied der Sozialistischen Partei) im Mai bei "France Inter". Das von der demokratischen Krise produzierte "populistische Moment" bekundet "die Loslösung von Volksmehrheiten von den vorhandenen politischen Klassen", erklärt auf den Spuren des Philosophen Chantal Mouffe der Mélenchon-Aktivist Christophe Ventura in einer Debatte in der „Humanité“. Es gebe also da also eine Taktik oder Strategie, oder, um ihn zu zitieren, "ein Werkzeugkasten". Zuerst löst man die Regierung ab und danach, wie Ventura sagt, "kann dies dazu beitragen, (die Demokratie) neu zu beleben, ein Gleichgewicht zwischen der Gesellschaft und der Demokratie wiederherzustellen".
Ja, es kann… oder auch nicht! Denn das kann auch zu einem ganz anderen Regime abgleiten. Mit diesem Feuer sollten wir nicht spielen. Ich für meinen Teil glaube an die Erfindung einer ganz anderen Strategie, natürlich unter der Bedingung, dass wir uns dafür die Mittel verschaffen, um auf ihrer Höhe zu sein: die der Eroberung von Fortschritten durch die Bürgerinnen und Bürger an allen Orten und unter allen Umständen, schrittweise oder auch global, aber immer mit dem Durchsetzen von neuen Rechten und Befugnissen für die große Mehrzahl.

Dies verlangt offenkundig eine neue Organisation, nicht mehr nur territorial und generalisiert wie die unsere, sondern auf ihre Fähigkeit zentriert, Fronten des Kampfes und der Erringung von Fortschritten bis zu teilweisen und globalen Siegen voranzutreiben, sie bis zur Mehrheit und zur Hegemonie von Minderheiten-Projekten mit Mehrheitsfähigkeit voranzubringen. Das ist dann natürlich eine zutiefst erneuerte Konzeption der Sammlung der Kräfte, konzentriert auf den Aufbau durch das Volk selbst. ….


 

 

Resolution des Nationalrats der PCF – 24. Juni 2017


FR PCF-LogoDer Nationalrat der PCF, das oberste Parteigremium zwischen den Parteitagen, hat auf seiner Tagung am 23./24. Juni mit Blick auf die Ergebnisse der Präsidenten- und Parlamentswahl in Frankreich die nachfolgende Resolution beschlossen:

Ein noch nie dagewesenes wahlmäßiges und politisches Erdbeben

Die aus den Wahlkämpfen und Wahlen zur Präsidenten- und Parlamentswahl 2017 hervorgegangene Situation stellt nicht nur eine neue und tiefgehende Erschütterung des politischen Lebens Frankreichs dar, sie beschleunigt auch seine Neugestaltung in noch nie dagewesener Weise.

Die beiden politischen Hauptformationen, die das Land gelenkt haben, konnten nicht mehr in den zweiten Wahlgang der Präsidentenwahl gelangen. Und die Stimmenthaltung hat bei der Parlamentswahl im Juni ein historisch dramatisches Niveau erreicht, die als eine Form der Ablehnung der politischen Praktiken und der konfiszierten und verkalkten Institutionen verstanden werden muss. Die Natur des Regimes selbst ist in vollem Umbruch und die demokratischen, humanistischen und sozialen Rechte und Freiheiten unseres Volkes sind bedroht.

Präsident Emmanuel Macron geht durch eine absolute Mehrheit in der Nationalversammlung gestärkt daraus hervor, um ohne Zögern seine Vorhaben der Zerstörung des französischen Sozialmodells in die Tat umzusetzen. Die Französische Kommunistische Partei, ihre Aktivisten und ihre Abgeordneten, sind seit dieser Woche in allen Kämpfen und allen Zusammenschlüssen dabei, um den Staatschef, seine Regierung und seine Mehrheit und die MEDEF (Unternehmerverband), deren Interessen der Präsident und die Abgeordneten von "En marche!" beschützen, zu Rückzügen zu zwingen

Die Frage der Zukunft unseres Kampfes ist gestellt

Die neue politische Situation stellt alle politischen Kräfte vor neue Fragen, und was uns betrifft, wirft  sie direkt die Frage der Rolle und der Zukunf6t unserer Partei auf.

In einem Umfeld tiefgehender Spaltungen der Linken der gesellschaftlichen Transformation (Umgestaltung), von Spaltungen, die zu beheben die PCF trotz ihrer Initiativen nicht in der Lage war, fügt der Kommunistische Partei eine deutliche Wahlniederlage zu, selbst wenn die Wahl und Wiederwahl von 11 Abgeordneten von einer echten Fähigkeit der Mobilisierung, der Sammlung und des Widerstands zeugt. Unsere Partei bleibt mit den institutionellen Problemen des Präsidentialismus konfrontiert, die sie bis heute nicht zu lösen verstand.

Der Nationalrat der PCF legt Wert darauf, den 524 Kandidatinnen und Kandidaten, den Bezirkssekretären, die sie in ihrem Wahlkampf unterstützt haben, den tausenden Aktivisten der Partei herzlich zu danken, die überall in den Kampf gegangen sind, um Fortschritte bei der Wahl und den Sieg in den 11 Wahlkreisen unserer Abgeordneten zu erringen.

Der Nationalrat beglückwünscht die letzteren zu ihrer Wahl, sowie alle jene, die im zweiten Wahlgang dank der Sammlung der Linkskräfte gewählt worden sind, zu der die PCF beigetragen hat.

Wir begrüßen ebenso den Einzug unserer Genossin Marie-Pierre Vieu ins EU-Parlament, die die Fraktion der GUE-NGL verstärken wird, deren Vizepräsident Patrick Le Hyaric ist. [Anm.: Genossin Vieu rückt in die Linksfraktion im EU-Parlament nach, weil der Linkssozialist Jean-Luc Mélenchon bei der Parlamentswahl in die französische Nationalversammlung gewählt wurde und damit sein bisheriges Mandat im EU-Parlament aufgeben muss)

Schließlich wollen wir unsere freundschaftlichen Grüße an die ausscheidenden Abgeordneten der GDR-Fraktion richten, die nicht wieder kandidieren oder nicht wieder gewählt worden sind [GDR = Gauche Démocrate et Républicaine – "Demokratische und Republikanische Linke", Name der Fraktion, in der bisher die PCF-Abgeordneten zusammen mit anderen Linken aus Überseegebieten im Parlament auftraten]

Unsere Abgeordneten und die Parlamentsgruppe (Fraktion), die zu bilden zusammen mit vier Abgeordneten der Überseegebiete sie beschlossen haben, werden eine wertvolle Stütze sein für die sich abzeichnenden Kämpfe und für kommende Erfolge der sozialen und staatsbürgerlichen Bewegung unseres Landes. Ihr Wille zur Vereinigung bleibt ungebrochen,, da die kommunistischen Abgeordneten die Schaffung eines "Verbindungskomitees" mit der Fraktion von "France Insoumise" ("widerständiges Frankreich", Bewegung von Jean Luc Mélenchon) vorschlagen, um die Parlamentsaktivität bestmöglich zu koordinieren und den üblen Schlägen der Regierung von Edouard Philippe wirkungsvoll Widerstand zu leisten.

Für einen Prozess der Debatte und des Handels zu einem außerordentlichen Parteitag 2018

Die Französische Kommunistische Partei ist aufgerufen, sich neu zu erfinden, wenn sie in den kommenden Monaten und Jahren zum Start eines Prozesses der gesellschaftlichen Transformation im Dienst der Volksinteressen unseres Landes beitragen will.

Die PCF ist es sich schuldig, eine Strategie und Praxis von Erfolgen und dauerhaften Siegen für die gesellschaftliche Umgestaltung zu erarbeiten. Das erfordert von uns, uns neu zu erfinden, um eine kommunistische Partei des 21. Jahrhunderts auf der Höhe dieses Zieles zu sein, während sie gleichzeitig am Aufkommen einer politischen Konstruktion mit Mehrheitsfähigkeit der Gesamtheit der Linken der gesellschaftlichen Umgestaltung arbeitet.

Der Nationalrat der PCF lädt die Kommunistinnen und Kommunisten dazu ein, ab sofort einen Prozess von Debatten und Aktionen, der kollektiven Erarbeitung zu eröffnen, der sein Ende 2018 in der Abhaltung eines außerordentlichen Parteitags findet, dessen Themen und zu behandelnde Fragen durch die Mitglieder der Partei selbst erarbeitet werden.

Für eine gründliche und kollektive Bilanz

Der Nationalrat stimmt überein in der Tatsache, dass nunmehr eine gründliche und kollektive Bilanz für unsere Partei und ihre Leitungen geboten ist.

Eine Bilanz, die es ermöglicht, klar und weitsichtig die gegenwärtigen politischen Probleme und die Erfahrungen der letzten 15 Monate, jener strukturellen und strategischen Probleme zu erfassen, die seit Jahren die unsrigen sind.

Diese Arbeit braucht, um zu gelingen, die kollektive Intelligenz der Kommunisten und verlangt deshalb von den Leitungen auf allen Ebenen der Partei dafür zu wirken, die günstigsten Bedingungen für die Teilnahme jedes Kommunisten und jeder Kommunistin an den Debatten, Ausarbeitungen, Entscheidungen und ihrer Verwirklichung zu schaffen.

Eine erste offene Liste von zu behandelnden Fragen

Der Nationalrat hat sich auszutauschen begonnen über die Problematiken, die in den Debatten der Kommunisten aufgeworfen werden und die eine kollektive Arbeit des Konzipierens und des Handelns erfordern:

  • Wie wieder zur Partei der popularen Klassen (unteren Volksklassen) werden, bei der Arbeit, im Unternehmen, in den popularen Stadtvierteln und auf dem Land?
  • Welche konkrete Strategie der Transformation der Gesellschaft, wie eine Partei der gesellschaftlichen Errungenschaften in einer revolutionären Sicht werden?
  • Wie ausgehend von unserer guten lokalen Praxis und der Arbeit unserer Abgeordneten, von allen unseren kämpferischen Erfahrungen die Werkzeuge unserer nationalen Strategie der gesellschaftlichen Umgestaltung entwickeln?
  • Welche Sammlung (der Kräfte) wollen wir, mit wem und wie?
  • Welches neue Organisationsmodell?
  • Welche Konzeption der Leitungskollektive?
  • Wie unsere Kommunikation und unsere Identifikation entwickeln?
  • Welche personellen und finanziellen Mittel, um unsere Politik zu verwirklichen?

Diese ersten Elemente müssen kritisch betrachtet und bereichert werden von den Kommunisten selbst im Lauf des Sommers mittels eines Dokuments, das es erlaubt, die auf dem Parteitag zu behandelnden politischen Fragen zu formulieren.

Ein Terminvorschlag

Wir schlagen vor, dass eine erste Phase der Diskussion und des Ergreifens von Initiativen stattfindet von jetzt an bis zum 14. Oktober 2017 mit dem Stattfinden einer nationalen Konferenz der Animateure und Animateurinnen der Kreise. Diese soll eine Bilanz dieser ersten Phase der Konsultation ziehen und dazu beitragen, die Tagesordnung des Parteitags festzulegen vor deren Bestätigung durch den Nationalrat.

Der Nationalrat wünscht, dass diese Arbeit so kollektiv und gemeinsam wie möglich außer von ihm selbst und dem nationalen Exekutivkomitee durch Arbeitsgruppen angeregt wird, die aus Verantwortlichen aus Bezirks- und lokaler Ebene, aus konkret in den zu behandelnden Fragen engagierten Aktivisten und Abgeordneten zusammengesetzt sind.

Das Datum des außerordentlichen Parteitags selbst – entweder vor Sommerbeginn 2018 oder im Herbst 2018 – wird von den Parteimitgliedern in einer nationalen Mitgliederbefragung festgelegt.

Der Nationalrat wird am 25. August zu einem Arbeitsseminar bei der Sommeruniversität der PCF zusammenkommen, um die nationale Versammlung der Animateure und Animateurinnen der Kreise im Oktober 2017 vorzubereiten.

Die Sommeruniversität der PCF (am 25.-27. August in Angers) und das Huma-Fest 2017 (15. 17. September) werden zwei wichtige nationale Zusammenkünfte in diesem generellen Prozess sein.

Um damit zu beginnen, müssen die Arbeiten der Juni-Tagung des Nationalrats Gegenstand von Berichten in allen Kreis- und Bezirksorganisationen der Partei sowie örtlichen Arbeitstagen sein und die Debatten, Vorschläge und Forderungen der Kommunisten schriftlich festgehalten und zu einer größeren Verbreitung an das Präsidium des Nationalrats übermittelt werden.

Entwicklung unmittelbarer Mobilisierungen

Die PCF stellt sich allen Herausforderungen der neuen Periode – denen, mit denen unser Volk und unser Land konfrontiert sind, denen, die sie direkt betreffen und denen einer frakturierten und zersplitterten Linken – im Kampf und in der Aktion.

Die PCF ruft zur Mobilisierung aller individuellen und kollektiven Kräfte der gesellschaftlichen, demokratischen und sozialen Umgestaltung auf, um gemeinsam alle diese Herausforderungen zu bewältigen.

Präsident Macron und seine Regierung wollen ihre vorgebliche soziale Konzertation (mit Gewerkschaften und Unternehmerverbänden, Anm.) beenden, bevor sie wirklich eröffnet sind, indem ihr Vorhaben zur maximalen Flexibilisierung der Arbeit per Verordnungen beschlossen wird.

Die PCF engagiert sich im Kampf gegen diese Ermächtigungsgesetze zu Verordnungen und für ein Gesetz zur Beschäftigungssicherung und Weiterbildung, um die Arbeitslosigkeit wirksam zu bekämpfen. Um zur breitesten Mobilisierung der Bevölkerung beizutragen, werden die Kommunisten während der ganzen Sommerperiode öffentliche Initiativen der am 1. Juni gestarteten Kampagne "Der Sommer ist nicht dazu da, das Arbeitsrecht zu zerschlagen" organisierten.

Die PCF, ebenso engagiert im Kampf für die Demokratisierung der Institutionen und die Verteidigung der demokratischen Freiheiten, ruft dazu auf, für die Einführung des Verhältniswahlrechts aktiv zu werden und aktiv an allen Aktionen gegen das Vorhaben der Einführung des Ausnahmezustand durch ein gewöhnliches Gesetz teilzunehmen.

Die PCF beabsichtigt, aus den kommenden drei Monaten den Sommer der Solidarität und der Brüderlichkeit zu machen, indem sie insbesondere mit allen, die das wünschen, Tage am Meer und solidarische Direktverkäufe von Obst und Gemüse vom Produzenten zum Konsumenten organisiert.

Vom 4. bis 9. September, der Woche des Wiederbeginns der Schulen, werden die Kommunisten des ganzen Landes Initiativen zur Mobilisierung für ein großes öffentliches Schulwesen ergreifen.

Das Fest der „Humanité“ 2017, das Fest der Brüderlichkeit, der Freiheit und Gleichheit, das Fest der Volks-Solidarität und des großen menschlichen Friedens, wird im September der Ort von hunderten politischen Debatten über die Herausforderungen der Gegenwart und ein nationales Treffen des Kampfes und Widerstands sein. Mehr denn je ist es das Fest für "Der Mensch geht vor" gegen das "Jeder für sich und das Geld für einige wenige".

Die Verbreitung seines Festplakette-Unterstützungsbons unter der Anleitung des nationalen Komitees unter Leitung von Nathalie Simonnet, wird am 28. Juni um 19 Uhr gestartet auf dem Vorplatz des Parteisitzes mit Patrick Le Hyaric, Direktor der Zeitung, Fabien Gay, Direktor des Festes, Nathalie Simonnet und Pierre Laurent.

Die Senatswahl im September stellt die dritte und letzte Etappe des Wahlzyklus 2017 dar. Ihr Ergebnis betrifft, trotz der besonderen Art der Abstimmung, direkt die Zukunft unserer Kommunen und Gebietes, deren Zusammenhalt und Entwicklung eine Politik erfordern, die auf das Streben nach einer Republik für alle gerichtet sein muss. Die Wahl von zahlreichen kommunistischen Senatorinnen und Senatoren und von KandidatInnen, die von unserer Partei unterstützt werden, wird eine Kraft des Widerstands und offensiver Alternative im Senat gegen die Vorhaben der Regierung schaffen.

Eine breite Debatte zur Neuerfindung der Linken eröffnen

Die Französische Kommunistische Partei findet sich nicht ab mit der Krise und historischen Schwächung der Linken in unserem Land und stellt sich der Herausforderung des Neuaufbaus der Linken. Sie lädt die Gesamtheit ihrer örtlichen und bezirklichen Organisationen ein, sich an die Millionen Frauen und Männer unseres Landes zu wenden, die der Linken wieder ihren ganzen Sinn geben wollen und bereit sind, nachzudenken und zu diskutieren mit allen im Dienst der Volksbewegung engagierten Kräften mit diesem Ziel, ganz besonders im Rahmen politischer und sozialer Kämpfe des Widerstands gegen die Politik von Emmanuel Macron.

Die PCF und ihr Nationalsekretär Pierre Laurent laden ihrerseits zur Sommeruniversität der PCF und dann zum Fest der „Humanité“ mehrere dutzend Persönlichkeiten ein, mit denen dieser Dialog im Gang ist und der Wille zum Handeln geteilt wird.

Quellen:
Referat: http://www.pcf.fr/100954
Resolution: http://www.pcf.fr/100955

Übersetzung: Georg Polikeit