Bettina Jürgensen: es wird versucht, andere Meinungen als "parteischädigend" darzustellen

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14.11.2015: In einem UZ-Beitrag zum 21. Parteitag der DKP hat Wera Richter, stellvertretende Vorsitzende der DKP, begründet, warum im Personalvorschlag für den neuen Parteivorstand keine GenossInnen vorgeschlagen sind, die „führend am Aufbau der marxistischen Linken beteiligt sind“. Da ist es dann wohl auch kein Zufall, dass diese GenossInnen auch keinen Platz auf der Rednerliste des Parteitags gefunden haben.
Wir dokumentieren deshalb den Redebeitrag von Bettina Jürgensen, ehemalige Parteivorsitzende, den sie nicht halten konnte:

Genossinnen und Genossen,
liebe Gäste,

Als Mitglied des Parteivorstands der DKP in der ablaufenden Periode möchte ich meiner Pflicht zur Rechenschaft nachkommen.
Vor dem 20. Parteitag hat Patrik Köbele gesagt, dass seine Kandidatur als Vorsitzender wegen inhaltlicher Gründe erfolgt. Bereits die ersten Sitzungen des Parteivorstands machten klar, dass dies umgesetzt werden sollte.

Seit dem 20. Parteitag wird versucht andere Meinungen in der Partei als "parteischädigend" darzustellen, es wurde aufgefordert "die Diskussionen in der Partei sollten nun beendet werden." Sichtbar wurde es mit der Erklärung des Sekretariats, veröffentlicht am 13.9.2013 in der UZ.
Genoss*innen, die angeblich "die Diskussion und eine eigene Praxis zur Zeit neben oder gar außerhalb unserer Strukturen organisieren" wurden aufgefordert "zu unseren Organisationsprinzipien zurückzukehren und die innerparteiliche Diskussion wieder aufzunehmen."

Gerichtet war es an jene, die es gewagt haben sich in einer Beratung über den DKP-Parteitag auszutauschen, die kritische Fragen aufgeworfen haben, Sorge um den Weg und die Zukunft der DKP haben.

Besonders scharfe Kritik kam von denen, die sich selbst in den Jahren zuvor eigene Kommunikationsstrukturen geschaffen haben, von denen, die 2005 die Zeitschrift Theorie&Praxis ins Leben riefen um vor dem Parteitag 2006 eine politische öffentliche Plattform zu erhalten, von denen, die teilweise dann - wie Patrik Köbele und Olaf Harms - gegen das seitdem gültige Parteiprogramm der DKP gestimmt haben. Jedoch auch Mitglieder, die in den 90er Jahren den Förderverein und die Zeitschrift "Rotfuchs" gegründeten und seitdem betreiben, die Gruppe Kommunistische Arbeiterzeitung KAZ oder auch secarts.org stimmten in diesen chor ein.

Über dieses "Geschmäckle" hinaus, ist die Kritik am Treffen jedoch inhaltlich nicht tragbar. Im Statut der DKP steht unter "Rechte und Pflichten" auch das Recht "einzeln oder in Verbindung mit anderen Mitgliedern politische Positionen, Kritik und Vorschläge zu entwickeln, in den Zusammenkünften und Publikationen der Partei alternative politische Positionen zu vertreten und dafür in unserer Partei um demokratische Mehrheiten zu werben."

Das ist es was wir getan haben und tun: wir nehmen unser Recht und unsere Pflicht entsprechend als Mitglieder der DKP wahr, übernehmen Verantwortung und führen die unserer Meinung nach notwendige Debatten. Und wir machen diese auch öffentlich. Wir haben jedoch weder eine eigene Struktur, noch eine eigene Disziplin.

Seit Februar 2014 gibt es den Verein "marxistische linke", in dem sich Mitglieder der DKP, DIE LINKE, SPD, Gewerkschafter*innen, Menschen aus attac, der VVN-BdA und Bewegungen organisiert haben.

Die Mitglieder dieses Vereins wollen "ein Netzwerk zur Förderung der Zusammenarbeit von Marxist*innen und Kommunist*innen aufbauen, unabhängig von ihrer sonstigen Organisations- oder Parteizugehörigkeit aufbauen. Wir wollen einen Rahmen bieten, um die gemeinsame Debatte um Analysen und Positionen zu den aktuellen Problemen der Zeit zu befördern und dabei alternative Entwicklungsmöglichkeiten für die Zukunft aufzuzeigen." (Gründungserklärung)

Ziele des Vereins sind in der Satzung festgehalten, u.a.:

  • „den Einfluss der marxistischen Gesellschaftsanalyse durch die Aktualisierung und Verbreitung marxistischen Wissens und dialektischen Herangehens zu verstärken;
  • die Erforschung der Geschichte der kommunistischen und sozialistischen Bewegung;
  • soziales und emanzipatorisches, ökologisches, antimilitaristisches sowie demokratisches und progressives Denken und Handeln zu fördern, was die entscheidende Voraussetzung für die Überwindung des Kapitalismus ist;
  • die politische und ökonomische Emanzipation der arbeitenden Klasse zu befördern;
  • zum gemeinsamen politischen Handeln der demokratischen und alternativen Linken in Deutschland sowie auf internationaler Ebene beizutragen, gesellschaftliche Kräfte weit über die Linke hinaus im Widerstand gegen die neoliberale Politik zu bündeln und den Aufbau eines festen gesellschaftlichen und politischen Blockes gegen den Neoliberalismus zu befördern;
  • im Sinne von Karl Marx “alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist ...”.

Vom Parteivorstand der DKP wurde hineininterpretiert - und nur von ihm -"der Verein sei eine Plattform/Fraktion in der DKP".
Damit werden Mitglieder anderer Parteien (s.o.) einfach mal eben in die Partei integriert, um sodann gleich aufzufordern wie vom Kreisvorstand DKP Gießen, "Den Liquidatoren das Handwerk zu legen."

Als Mitglied der DKP sehe ich meine Arbeit in dem Verein marxistische linke durchaus kompatibel mit dem Anspruch unseres Parteiprogramms, in dem es heißt: "In der vor uns liegenden Etappe kommt es darauf an, gesellschaftliche Kräfte weit über die Linke hinaus im Widerstand gegen die neoliberale Politik zu bündeln. Allianzen verschiedener sozialer und gesellschaftlicher Kräfte, die sich an verschiedenen Fragen immer wieder neu bilden und in der die Arbeiterklasse die entscheidende Kraft sein muss, sind die Voraussetzung, um die Rechtsentwicklung und den neoliberalen Umbau zu stoppen. Wenn aus diesen Allianzen stabile Bündnisbeziehungen und ein fester gesellschaftlicher und politischer Block gegen den Neoliberalismus entwickelt wird, dann können die gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse so verändert werden, dass der Kampf um gesellschaftliche Alternativen eine reale Perspektive bekommt." (Programm DKP)

Der Anspruch des Parteiprogramms der DKP ist es in Bündnissen, Bewegungen, in Gewerkschaften, der VVN-BdA und anderen Organisationen mitzuarbeiten. Er wird ad absurdum geführt, wenn inzwischen allein die Mitgliedschaft in der marxistischen linke als parteischädigend bezeichnet wird, wenn es als unvereinbar gesehen wird, Mitglieder der marxistischen linke auf die Vorschlagsliste für den zu wählenden Parteivorstand zu nehmen, wie im PV als auch nun noch einmal im Interview von Patrik in der UZ betont wird. Unvereinbarkeitsbeschlüsse gegen Kommunist*innen haben eine leidvolle Geschichte in diesem Land, viele Genoss*innen können dazu ihre Erfahrungen beitragen. Die DKP hat immer gegen sie gekämpft.

Weder sind, wie angeführt, Treffen von Mitgliedern der DKP illegal, und schon gar nicht ist die marxistische linke ein "Verein in der DKP".
Hört doch endlich mit der Legendenbildung auf!

Diese gipfelt bereits darin, dass die Genossin Birgit Lossdörfer aus Kiel die 2010 herausgegebenen "Thesen des Sekretariats" dem 2014 gegründeten Verein andichtet. Dies ist ebenso nachweislich falsch, wie der Vorwurf, dass die DKP in eine Mosaiklinke überführt werden soll.

Oder geht es mit diesen ständig wiedergekauten Falschinformationen am Ende darum, die politische Arbeit von Genoss*innen mit anderen Positionen generell lahmzulegen?

Ich war früher in der Antiapartheitbewegung, zur Solidarität mit den Menschen in Südafrika aktiv. Aus dem AAB ist der Verein Kosa (Koordination Südafrika) entstanden. Richtet sich meine Mitgliedschaft dort gegen die Partei, Kosa ist nicht einmal ein marxistischer Verein?
Oder geht es gar nicht um Vereine, auch politische, an sich, sondern um politische Positionen?

Auf Wunsch des Bezirksvorstands habe ich die DKP-SH im landesweiten Stop-G7-Lübeck-Bündnis vertreten habe, dadurch war die DKP in den Medien. Dies wird nun von einigen Genoss*innen kritisiert, weil ich die Fahne der Europäischen Linke auf der Demo getragen habe, deren Mitglied wir ja noch sind und G7 ja nicht nur ein bundesdeutsches Problem ist. Drohend wurde von Tho. Lü. aus der DKP-Lübeck (Name auf Wunsch des Genannten gekürzt) erklärt, das sei alles festgehalten und in Foto und Video aufgezeichnet. Andere meinen "es müsse mir untersagt werden für die DKP aufzutreten."
Das ist ein Niveau der versuchten Einschüchterung.

Bei Solidaritätsaktionen mit Griechenland, seiner aktuellen Regierung und Syriza bin ich bewusst als Mitglied der marxistischen linke aufgetreten, denn die DKP-Erklärungen zu Griechenland teile ich nicht. Einer linken Regierung die Solidarität zu verweigern halte ich für politisch falsch! Die Genoss*innen, die mir öffentliches Auftreten als DKP-Mitglied untersagen wollen, kritisieren nun, dass ich für die marxistische linke und nicht für die DKP aufgetreten bin.

Im Kieler Bündnis gegen TTIP, CETA und TISA vertrete ich die marxistische linke, weil ich dort  von Beginn mitarbeite, also lange bevor sich die DKP zu einer Unterstützung der Europäischen Bürgerinitiative durchringen konnte. Da könnte ich natürlich sagen: "Ich war wohl zu früh dran."

Zum Schluss: Entgegen der Erklärung des Mehrheits-Parteivorstandes habe ich zur Rolle Stalins, auch zur Befreiung am 8.Mai 1945, eine andere Meinung. Ich sehe in der Roten Armee und der Sowjetbevölkerung, sowie den Alliierten die Befreier von Faschismus und Krieg.

Patrik Köbele sollte bei seiner Wahrheit vor dem 20. Parteitag bleiben!
Es geht nicht um einen Verein, es geht um die inhaltlichen Positionen und die Richtung in der DKP.

Wenn er von "Präzisierungen des Programms" spricht und den Marxismus-Leninismus meint, ist es ein anderes Parteiverständnis als die DKP es mit ihrem Parteiprogramm aussagt.

Meine Positionen dagegen werde ich als Mitglied der Partei auch weiterhin vertreten, dafür werben und mit denen die dazu ernsthaft bereit sind auch diskutieren.

Ich werde weiterhin auch in anderen Organisationen und in Bewegungen aktiv sein, auch in der marxistischen linke.