Ellen Weber: Warum ich nicht als Gast am Parteitag teilnehme

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16.11.2015: In einem Schreiben an Patrik Köbele, den alten und neuen Parteivorsitzenden der DKP, hat Ellen Weber begründet, warum sie nicht als Gast am Parteitag teilnehmen wird. Wir dokumentieren dieses Schreiben, das den Delegierten nicht zur Kenntnis gegeben wurde.

Lieber Partrik,

verspätet melde ich mich, um mitzuteilen, dass ich die Einladung als Gast am Parteitag teilzunehmen nicht annehmen werde.

Ich hätte gute Gründe meine Nichtteilnahme verständlich zu machen (mein eigenes Alter und die schwere Erkrankung meines Mannes). Das langt, um eine solche Einladung für alle nachvollziehbar auszuschlagen.

Da wir uns aber schon jahrzehntelang kennen und uns ebenso lang in unterschiedlichen Funktionen in der Partei begegnet sind, möchte ich den wahren Grund meiner Nichtteilnahme dir gegenüber nicht unbenannt lassen.

Es ist die Sprachlosigkeit zwischen Teilen der Partei, die inzwischen gefüllt ist durch unsäglich verengende Radikalismen. Durch Selbstisolierung, durch Stalindebatten, durch Verdächtigungen der Genossinnen und Genossen, die das Nachdenken über neue und ungelöste Fragen der Politik und der Theorie der Partei angeregt und in die Diskussion gebracht haben.

Dabei ist Entfremdung entstanden. Wohlgemerkt Entfremdung nicht nur bei mir, sondern auch bei Genossinnen und Genossen, die so wie ich auf Kreis- und Bezirksebene bis heute im Rahmen ihrer Kraft für unsere Partei aktiv sind.

Ich frage: Können wir uns solche Entfremdung und Sprachlosigkeit leisten?
Wie viele sind wir noch, die sich für die Option und Weiterentwicklung der kommunistischen Idee und ihrer Partei engagieren?

Ich stelle nicht die Frage nach der Zahl unserer heutigen Mitglieder (obwohl es leichtsinnig ist davon abzusehen). Wie viele wir sind, hängt von unserer inneren Solidarität ab, von unserem Ideenreichtum bei der Beantwortung der rasch auf die Bühne der Geschichte drängenden Fragen. Aus meiner Sicht gibt es für diese Probleme keine einfachen Antworten. Wie viele wir sind, wird bestimmt auch von der Rolle, die wir für uns selbst beanspruchen in Betrachtung unserer Politik im vergangenen viertel Jahrhundert nach 1989.

Lieber Patrik, es ist unmöglich in einem kurzen Brief diese Probleme zu behandeln. Wir werden aber an der Auseinandersetzung um diese Fragen nicht vorbeikommen.

Mit kommunistischem Gruss

Ellen Weber

PS: selbstverständlich stimmt auch am Schluß des kurzen Briefes meine persönliche Schwierigkeit (Alter und Gesundheit) um eine formale parteitagskonforme Entschuldigung parat zu haben.


Ellen Weber war bis 1989 stellvertretende Parteivorsitzende, später noch Mitglied im Parteivorstand, auch heute noch aktiv in der Friedensbewegung und Mitglied im Bundesausschuss Friedensratschlag