Kuba: Sozialismus – Herausforderungen und Optionen

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cuba reise 2016 Stehr30.09.2016: Wir - Christian, Ute und ich – planten, unseren 70. Geburtstag gemeinsam auf Kuba zu feiern. Manni auch gerade Ü70, Christiane, Axel und Klaus vervollständigten unsere Reisegruppe. Mit Ü-70 nach Kuba ist schon eine Herausforderung, zumal unsere Gesundheit uns Grenzen setzt. Aber wo ein Wunsch ist, ist bekanntlich auch ein Weg. Wir wagten es und hatten ein Reiseerlebnis der ganz besonderen Art. Dies auch weil nicht wenige Freundinnen und Freunde, aber auch Genossinnen und Genossen  unseren Reisewunsch mit der Bewertung kommentierten: jetzt noch einmal nach Kuba, bevor die US-Amerikaner dort die Verhältnisse verändern. Unser Fazit der Reise war, dass wir bei aller Begrenztheit unserer Möglichkeiten, umfassend alles wahrzunehmen, mit sehr vielen positiven Eindrücken, Erfahrungen und guten Argumenten für eine Zukunft des sozialistischen Kubas zurück kamen.

Ein für uns besonders beeindruckendes Erlebnis war ein Gespräch beim ZK der KP Kubas mit den Genossen Noel und Marsan von der Abteilung Europapolitik. Noel informierte, dass es zur Zeit auch einen Reiseboom westlicher Politiker zu Gesprächen beim ZK der KP Kubas gebe. SPD  Chef Gabriel und seine Kolleginnen und Kollegen aus Europa sind als Gäste in Havanna gewesen. Noel meinte trocken dazu: keiner will zu spät kommen, wenn es neue Chancen und Möglichkeiten zu neuen Beziehungen zu Kuba geben sollte. Dass solche Prozesse auch mit neuen Herausforderungen für Kuba verbunden sind, ist den Kubanern auch auf der Grundlage der jüngsten Geschichte bestens bekannt. Und was den stark angestiegenen Tourismus anbelangt, war seine Feststellung: wenn die Sorge um die sozialistische Zukunft Kubas zu einem verstärkten Tourismus und zu stärkerem Meinungsaustausch der Menschen führe, so sei dies sehr willkommen.

cuba reise 2016 mit NoelNoel informierte uns, dass die Ergebnisse des 7. Parteitages der KP Kubas in Fortschreibung und Kontinuität zum 6. Parteitag zu verstehen sind. Es ging auch um eine Überprüfung der Ergebnisse und wo nötig, um Korrekturen und Weichenstellungen für die Zukunft. Dem dienten auch die beschlossenen Richtlinien und Entscheidungen in der Kaderpolitik der KP Kubas. Das beschlossene Dokument ist ein Konzept für die sozialistische Entwicklung Kubas. Es hat ausdrücklich nicht den Anspruch, ein Modell für allgemeine Sozialismusentwicklungen zu sein. Die Genossen definieren ihre weiteren Vorhaben als Konzepte zum Aufbau des Sozialismus speziell für Kuba.

Dieser Prozess des Aufbaus auf der Basis der kubanischen Gesellschaft ist auch den Erfahrungen des gescheiterten Sozialismus in Europa geschuldet. Dort wurde kurz vor dem Zusammenbruch und der Zerschlagung des Sozialismus noch von einer entwickelten sozialistischen Gesellschaft oder von ersten Schritten zum Aufbau des Kommunismus ausgegangen, was sich später als umfassende Fehleinschätzung herausstellte.

Noel informierte, dass 21% der Beschlüsse des 6. Parteitages bereits umgesetzt wären. Andere Leitlinien seien im Prozess der Umsetzung. Manches wurde noch nicht angefangen, auch weil zunächst andere Voraussetzungen geschaffen werden müssen. Dies gilt z.B. für alle Bereiche, die von dem Problem der doppelten Währung im Land betroffen sind.

Manche Leitlinien zwingen zur Aktualisierung, weil sich Bedingungen verändert haben. Dies ist auch Ausdruck der dynamischen Entwicklung von Wissenschaft und Technik, die neue Herausforderungen bringt. So sind ausländische Investitionen als Ergänzung zum Eigenkapital nötig. Im Bereich der Biotechnologie und Pharmaindustrie benötigt Kuba internationale Kooperation, um neue Märkte zu erschließen und den eigenen Bedarf besser abzudecken.

Im Bereich der Kaderpolitik hat die KP Kuba neue Initiativen entwickelt, z.B. die Begrenzung der Amtszeit auf 10 Jahre für Funktionen in der Partei, der Regierung und im Staat. Junge Leute müssen auf die Übernahme von Verantwortung vorbereitet werden. Das Konzept für den Sozialismus in Kuba muss in der Praxis permanent überprüft und entsprechend der Ergebnisse weiterentwickelt werden.

Dies geschieht in einem demokratischen Prozess. So beteiligten sich bisher fünftausend Personen an der Diskussion zum weiteren Weg Kubas, woraus auf Beschluss des Parteitages ein Handbuch zur weiteren Diskussion entstand, das während einer Sondersitzung des ZK beschlossen wurde. Es hat folgende Kerninhalte:
    Eine sozial gerechte Gesellschaft ist das Hauptziel, in der alle Kubanerinnen und Kubaner gleiche Rechte und Möglichkeiten haben. Um die Achse der Produktion wird die Planung entwickelt für die unterschiedlichen Bereiche - so für den nichtstaatlichen Sektor, der sich ständig verändert und für kleine, mittlere und private Betriebe, deren Begrenzung durch Gesetze festgelegt sind, für gemischte Betriebe unterschiedlicher Eigentumsformen, für Kooperationen und Genossenschaften und auch für die Kooperation mit ausländischen Partnern.

Dieses Dokument ist noch nicht beschlossen. Es wird ein Gesetz daraus entstehen, das jederzeit überprüft werden kann. Der Weg von einer ideal erdachten Konzeption, die im Konsens erarbeitet wird, bis zur ständigen Überprüfung in der Praxis bleibt wesentlicher Bestandteil kubanischer Politik.

Noel verwies auf den Marxschen Gedanken, dass der Mensch denkt wie er lebt. Das Ziel sei zumindest, den Lebensstandard der Bevölkerung zu sichern und wenn möglich auszubauen. Er wies auf die besorgten Fragen vieler Freunde Kubas hin, deren Sorgen seit den veränderten Beziehungen zu den USA größer geworden seien. Kuba gehe einen Weg, der auch Risiken in sich birgt und Sorgen bei Teilen der Bevölkerung hervorruft. Das basiere darauf, dass es bisher nicht gelungen sei, eine umfassende progressive Entwicklung aller gesellschaftlicher Bereiche zu gestalten. Eine gleichbleibende Belastung sei z.B. die Begleichung der Auslandsschulden auch durch die Aufnahme von Krediten.

Die Planung für die technische Entwicklung von 2016 bis 2030 werde jetzt in Angriff genommen.  Kuba konnte in den letzten Jahren die Löhne und Gehälter um 23% steigern. Sie sollen weiter ansteigen, allerdings gelingt dies nicht für alle in gleichem Umfang. Im staatlichen Sektor z.B. wird es weniger sein. Die Produktivität soll um 29 % wachsen.

Die Mittel hierzu sind durch die Weiterentwicklung der ökonomischen Beziehungen mit anderen Ländern zu erwirtschaften. Kuba wirbt um Investitionen und ist gleichzeitig betroffen von komplizierten Entwicklungen in Lateinamerika, wie z.B. in Venezuela. So musste der Energieverbrauch reduziert werden, bisher allerdings ohne Stromabschaltungen wie in den 90er Jahren. Auch diese Ausführungen zeigten, wie komplex die Herausforderungen sind, den Sozialismus in Kuba aufzubauen.

In der anschließenden Diskussion verwies Noel auf die Schwierigkeiten lateinamerikanischer Länder, bisherige progressive Entwicklungen im Rahmen des kapitalistischen Wirtschaftssystems weiter progressiv zu entwickeln, auf die Gefahren durch rechte Politik und Organisationen, auch durch gezielte Medienkampagnen der konservativen und reaktionären Kräfte. Diese Entwicklungen haben direkte Auswirkungen für Kuba.

Eine Schlussfolgerung daraus sei, die linken Kräfte Latein- und Mittelamerikas zu stärken durch noch mehr Kooperation und Zusammenarbeit, wie z.B. im Forum von Sao Paulo, oder durch Treffen kommunistischer und Arbeiterparteien, wie vor kurzem in Peru.

Noel bewertete den Friedensvertrag zwischen der Farc und der Regierung Kolumbiens als großen Erfolg, auch weil eine weitere militärische Option gegen den tatsächlichen Gegner USA aussichtslos ist.

Zur Problematik der Weiterentwicklung von Biotechnologie und Medizin verwies Noel auf die Notwendigkeit, die anhaltende US-Blockade zu brechen, auch durch Kooperationen mit ausländischen Partnern.

Thematisiert wurde in der Diskussion die neue Welle von Elefantenhochzeiten des transnationalen Kapitals und deren Wirken gegen die Souveränität von Nationalstaaten, während gleichzeitig die politischen Vertreter oft als Türöffner für das Großkapital wirken. Noel bestätigte die aktuelle gefährliche internationale Entwicklung z. B. durch militärische, ökonomische und politische Aggressionen der imperialistischen Staaten und regionalen Staatenbünde. Sie sind aus seiner Sicht eine Herausforderung für die Ausgestaltung zur  Kooperation mit progressiven Kräften weltweit.

Als Antwort auf unsere Frage verwies er auch auf die neue erweiterte Bautätigkeit auf Kuba, um die Wohnungsprobleme besser als bisher zu lösen. Dazu ist ein Programm von 800 Millionen Peso beschlossen. Wir waren besonders beeindruckt von der Darstellung kubanischer Demokratie bei allen Entwicklungsprozessen in der Politik und Gesellschaft.

Zum Schluss verwies Noel auf die weltweit wachsende „Lobby“ für Kuba. Hier entwickelt sich das Kräfteverhältnis positiv zu Gunsten von Kuba stellte er mit einem Lächeln fest. Auch dass die Besucherzahl aus den USA um 100 % gestiegen ist sieht er als Chance für Kuba. Investitionen für die Erdölindustrie und die pharmazeutische Industrie werden angeboten. Unser Eindruck war, dass Kuba um die Chancen und Gefahren solcher Prozesse weiß. Viele neue Erfahrungen und Argumente wurden uns vermittelt, das Gespräch hat uns viel gegeben.

Die Besuche der vier Solidaritätsprojekte der DKP in Matanzas und Cardenas haben uns ebenfalls beeindruckt und Zuversicht vermittelt. Wir feierten mit der Rosa Luxemburg Klinik das zehnjährige Bestehen und übergaben eine Spende, die anlässlich der Trauerfeier für unseren Bremer Genossen Armin zusammen kam. Sie wird dringend gebraucht, um den Wasserschaden im Gymnastiksaal zu reparieren. Ungewöhnlich war für uns die hohe Wertschätzung, die uns in Anbetracht der Leistung der damaligen DKP und aller Brigardisten entgegengebracht wurde. Diese Wertschätzung war in allen Gesprächen zu spüren und auch in der Art und Weise, der Sorgfalt mit der diese Projekte, die durch internationale Solidarität entstanden sind, bis heute betrieben werden.

Immerhin wurden für diese Projekte ca. 4 Millionen DM bzw. € gesammelt und ca 400 Brigardisten beteiligten sich gemeinsam mit kubanischen Brigardisten am Bau der Doppelarztpraxen und dem Krankenhaus für mehrfach behinderte Kinder. Diese Solidarität war nur möglich, weil sie ein gemeinsamer Nenner der Kommunisten war und weil sie weit über die Partei hinaus ging.

Besuche, Gespräche, das Wahrnehmen der positiven Veränderungen in Havanna, Matanzas, Cardenas und Varadero haben uns mit beeindruckenden Erlebnissen und unvergesslichen Eindrücken optimistisch nach Hause fliegen lassen.

Text/Fotos: Heinz Stehr

 

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