Zur Strategiediskussion und zum UZ-Artikel von Blach/Roedermund

E-Mail Drucken

25.03.2017: In einem UZ-Artikel vom 24.2.2017 erklären Björn Blach und Paul Roedermund die Orientierung auf eine „antimonopolistische Demokratie“ für unrealistisch, weil sie vor 40 Jahren unter „völlig anderen Kräfteverhältnissen“ entwickelt worden sei und heute in Diskrepanz zur aktuellen Lage der Klassenkämpfe stehe. Sie tragen damit nicht unerheblich bei zu einer von ihnen beklagten innerparteilichen Unklarheit über den Weg zum Sozialismus, machen aber an erster Stelle „schwammige, teils unmarxistische Formulierungen im gültigen Programm“ dafür verantwortlich, um damit Kurs zu nehmen auf eine grundlegende Veränderung der Partei und des Programms.

Aber auch bei veränderten Kräfteverhältnissen haben sich die Grundlagen für die Orientierung auf antimonopolistische Übergänge zum Sozialismus nicht verändert. Die Strategie des Kampfes um eine „antimonopolistische Demokratie“ in den Thesen des Düsseldorfer Parteitags wurde einerseits abgeleitet aus dem Charakter des staatsmonopolistischen Kapitalismus, in dem sich die Macht der Monopole mit der Macht des Staates zu gesellschaftsbestimmenden Machtzentren vereinigt, welche in direktem Widerspruch zu den Interessen der Arbeiterklasse stehen, aber auch zu Krisen in anderen gesellschaftlichen Bereichen führen. Andererseits wurde berücksichtigt, dass diese grundlegenden gesellschaftlichen Interessensgegensätze zwar eine sozialistische Revolution notwendig machen, sich die Arbeiterklasse aber dieser Notwendigkeit und ihrer Möglichkeiten nicht bewusst war. Notwendig war also eine Übergangsphase, in welcher der Kampf um Tagesforderungen, die bereits gegen die Interessen des Monopolkapitals durchgesetzt werden müssen, zu wachsender Erfahrung und Organisierung der Arbeiterklasse und anderer betroffener gesellschaftlicher Gruppen führt. Damit wachsen nicht nur die Möglichkeiten, dem unvermeidlichen Versuch der kapitalistischen Machtzentren, dies mit der Unterdrückung demokratischer Rechte zu beantworten, durch eine starke Gegenkraft in einem möglichst breiten Bündnis gesellschaftlicher Kräfte zu widerstehen. Damit eröffnet sich auch die Möglichkeit, dass die Mehrheit der Arbeiter und Angestellten die Notwendigkeit einer grundsätzlichen sozialistischen Alternative erkennt und sich dafür einsetzt. Unter diesen Umständen können Keimformen des Sozialismus im Klassenkampf immer mehr zur Geltung gebracht werden und sich der Weg für eine grundlegende sozialistische Umgestaltung öffnen. Sofern die fortschrittlichen Kräfte so stark sind, dass diese Entwicklung nicht von einer Konterrevolution verhindert wird, würden antimonopolistische und sozialistische Umwälzung zu miteinander verbundenen Entwicklungsstadien in einem einheitlichen revolutionären Prozess des Übergangs vom Kapitalismus zum Sozialismus werden. Dies wurde als der günstigste und deshalb anzustrebende Weg für eine sozialistische Revolution gesehen.

Die sicherlich nicht „völlig anderen“, aber günstigeren Kräfteverhältnisse Ende der 60er Jahre haben dazu beigetragen, dass eine legale kommunistische Partei wieder konstituiert werden und diese Diskussion führen konnte, aber für die inhaltliche Ausrichtung der Strategie war doch die Bestimmung der wesentlichen gesellschaftlichen Kräfte und gerade die Schwäche des „subjektiven Faktors“ ausschlaggebend. Ein verändertes Kräfteverhältnis ändert deshalb nichts an der grundlegenden Strategie des Überganges zum Sozialismus, sondern an den Nahzielen in der aktuellen historischen Situation.

Dem wurde auf dem Mannheimer Parteitag bereits Rechnung getragen, als Mitte der 70er Jahre die nachholende Entwicklung nach dem 2. Weltkrieg abgeschlossen war und das Monopolkapital auf zunehmende Krisenerscheinungen mit einem Abbau bis dahin erkämpfter demokratischer und sozialer Rechte reagierte. Die DKP ergänzte die Strategie des Kampfes um antimonopolistische Übergänge um die unmittelbare Orientierung auf eine Wende zu demokratischem und sozialem Fortschritt. Zunächst sollten die erreichten Standards des sozialen und politischen Lebens verteidigt  und dabei die politischen Kräfte für den Kampf für weitere Fortschritte formiert werden.

Das gültige Programm von 2006 nach der Niederlage der sozialistischen Länder musste erneut Antworten auf die veränderten Kräfteverhältnisse finden. Es hält an dem grundsätzlichen Ziel des Sozialismus fest. Es orientiert weiter auf antimonopolistische Übergänge zum Sozialismus, in denen antimonopolistische Allianzen von Bewegungen der Arbeiterklasse mit anderen nichtmonopolistischen Kräften über so viel außerparlamentarische Kraft und parlamentarischen Einfluss verfügen, dass eine demokratische, die gemeinsamen Interessen vertretende Regierung gebildet und tief greifende politische und ökonomische Umgestaltungen eingeleitet werden können, welche den Weg für grundsätzliche Veränderungen des Eigentums an Produktionsmitteln öffnen. Diese eher umschreibende Formulierung ergab sich einerseits aus der Analyse neuer Entwicklungen im Kapitalismus, die der Begriff „antimonopolistische Demokratie“ nicht ausreichend widerspiegelt, andererseits ergab sie sich aus der Erkenntnis, dass eine Phase  antimonopolistischer Übergänge zum Sozialismus wegen des verschlechterten Kräfteverhältnis erst in noch weiterer Zukunft erreicht werden kann. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sind deshalb die von Blach/Roedermund eingeforderten detaillierteren Aussagen zu Formen oder Dynamik antimonopolistischer Gesellschaftsprozesse nicht möglich. Der Schwerpunkt des Programms liegt deshalb auf Forderungen zu einer Wende zu demokratischem und sozialem Fortschritt in einer eher absehbaren Zukunft.

Daran hat sich inzwischen nichts grundlegend verändert. Trotz ungünstiger Kräfteverhältnisse schaffen Widersprüche zwischen monopolisiertem Kapital und der Mehrheit der gesellschaftlichen Kräfte auch heute ein diffus antimonopolistisches Bewusstsein. Unverändert besteht die Notwendigkeit, aber auch die Möglichkeit, über Tagesforderungen für eine Vertiefung der Einsichten in gesellschaftliche Zusammenhänge zu kämpfen. Gegenwärtige Veränderungen stellen nicht die langfristige Strategie für Übergänge zum Sozialismus in Frage, sie erfordern aber eine Analyse neuerer Entwicklungen des staatsmonopolistischen Kapitalismus und Überlegungen zu Möglichkeiten und Formen kommunistischer Politik, die eine DKP verwirklichen kann, die aus dem vielschichtigen Prozess der Niederlage des Sozialismus geschwächt hervorgegangen ist.

Die Aussagen des Artikels zum staatsmonopolistischen Kapitalismus in der gegenwärtigen Kampfetappe lassen allerdings die selbst eingeforderte schärfere Imperialismusanalyse vermissen. Zunehmende internationale Vernetzung der Kapitalmacht, aber auch die zunehmende Trennung der Verwertungsbedingungen von den Bedingungen der materiellen Produktion, oft als Finanzialisierung beschrieben, verändern die Machtzentren und die Funktion der einzelnen Nationalstaaten, führen zur Herausbildung von Institutionen supranationaler Staatsmacht und einer neuen Ebene von Widersprüchen. Diese politökonomischen Aspekte mit grundlegender Bedeutung für die Kampfbedingungen der Arbeiterklasse in den einzelnen Ländern werden vollständig unterschlagen, so dass in den Aussagen zur Aktionseinheit für die gegenwärtige Etappe z.B. auch die Orientierung auf verstärkte internationaler Solidarität und Zusammenarbeit unterbleibt.

Auch bündnispolitische Vorstellungen der Autoren von nur „punktuellem Zusammengehen mit Teilen der Bürgerlichen zu einzelnen Fragen“ oder offenen Personenbündnisse gegenüber Organisationsbündnissen können unsere Möglichkeiten, längerfristig auch weitergehende Forderungen zu verankern, nicht verbessern. Sie führen in die Isolation statt zu der dringend erforderlichen Sammlung linker Kräfte.

Dem scheinen die von den Autoren genannten Alternativen zu einer antimonopolistischen Orientierung zu entsprechen. Sie halten einen „Bruch mit der absoluten Macht des Monopolkapitals mittels geschickter Isolierung und der Erzeugung von Widersprüchen im Lager des Gegners“ für wahrscheinlich. Es bleibt allerdings unklar, was sich hinter dieser undeutlichen Formulierung verbirgt. Wer soll denn angesichts eines für nicht veränderbar gehaltenen Kräfteverhältnisses eigentlich wen von was isolieren? Etwa die bereits für die Gegenwart geforderte Partei mit dem Charakter einer „verschworenen Gemeinschaft mit klaren Zielen“, die über „guerillamäßig geplante Angriffe auf Stellungen des Gegners bei Vermeidung eigener Verluste ideologisch, politisch und organisatorisch wachsen“ soll? Was soll das in der gegenwärtigen Situation bedeuten? Sollen wir gleich freiwillig kapitulieren und im Untergrund Revoluzzer spielen?

Wir sollten unsere Kräfte nicht dadurch verschleißen, dass wir unsere langfristige Strategie oder das Parteiprogramm in Frage stellen. Was wir brauchen, ist eine intensive Diskussion über die aktuelle Situation, eine realistische Einschätzungen unserer Kräfte und die Suche nach Möglichkeiten, wie wir am wirkungsvollsten in die tatsächlichen politischen Auseinandersetzungen eingreifen können.

Jördis Land
Günter Düsing
Ullrich Indersmitten
Alice und Klaus Czyborra
Karla Leonartz Aksu
Hilla Eigemeier
Petra Leonartz
Ursel Möllenberg