Wie man mit Wahlen die Welt verändert

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17.06.2017: Nach drei Landtagswahlen scheint sich ein „Rechtsruck“ im Parlamentsbetrieb der westlichen Bundesländer zu verfestigen, der für die Bundestagswahl im September nichts Gutes verspricht. Die CDU konnte im Saarland, in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen jeweils die meisten Stimmen erzielen und übernimmt die Regierungsbildung. Zudem zieht die AfD mit einstelligen Ergebnissen in alle drei Landtage ein, was der Partei nicht nur erweiterten Zugriff auf wichtige Ressourcen verschafft, sondern ihr auch direkten Einfluss in den dortigen parlamentarischen Debatten sichert. Besonders bitter ist in dieser Situation das Ergebnis für die Partei Die Linke in NRW, die mit 4,9 % knapp den Einzug in den Landtag verpasste, und damit die Verdoppelung der Wählerstimmen nicht in einen parlamentarischen Erfolg ummünzen konnte.

Die DKP ist mitverantwortlich für dieses Ergebnis, weil sie durch die Eigenkandidatur in NRW die Zersplitterung der Kräfte befördert hat. Ob ein anderes Wahlverhalten den Einzug der Partei Die Linke in den Landtag ermöglicht hätte, bleibt Spekulation. Diese nährt sich aber aus der Erfahrung, dass ein Zusammenführen der Kräfte in der Regel zu stärkerer Ausstrahlung verhilft als ein kaum vermittelbarer Konkurrenzkampf. Das Ganze ist eben mehr als die Summe seiner Teile. Schon deswegen steht die Behauptung der Bezirksvorstände, „auch mit den Stimmen der DKP hätte die Linkspartei den Einzug ins Landesparlament nicht erreicht“, auf wackligen Beinen. Solch Kokettieren mit der eigenen Bedeutungslosigkeit verführt nicht nur zum Laissez-faire in politischen Fragen, es wird auch der Aktionstätigkeit der Genossinnen und Genossen nicht gerecht.  

Aus den Erfahrungen des Wahlkampfs hebt Marion Köster, Bezirksvorsitzende in Ruhr-Westfalen, nämlich besonders hervor, dass es „mehr Diskussionen von Kommunist*innen mit anderen Menschen, mehr Begegnungen in der Öffentlichkeit“ gab und aufgrund auch positiver Rückmeldungen das Selbstbewusstsein einiger Genoss*innen gestiegen ist. Ein stärkeres Auftreten in der Öffentlichkeit gelingt manchen Gruppen offensichtlich auch im Rahmen des Bundestagswahlkampfs, und zwar beim Sammeln der notwendigen Unterstützerunterschriften für eine Eigenkandidatur mit Landeslisten. So erfreulich diese Erfahrungen sind, dürfen sie nicht unberücksichtigt lassen, dass selbstverständlich auch in den Kreisen und Bezirken, die eine Eigenkandidatur nicht unterstützen, Genossinnen und Genossen politisch aktiv sind. Wenn die Gesamtpartei die Frage nach einem möglichst wirksamen, also gemeinsamen Eingreifen in den Wahlkampf stimmig beantworten will, müssen alle Erfahrungen in einem transparenten Meinungsaustausch berücksichtigt werden. Dies ist umso wichtiger, als absehbar in der Mehrzahl der Bundesländer die notwendige Anzahl der Unterschriften nicht erreicht wird, so dass neben der Eigenkandidatur auch ein anderes Herangehen an die Wahlfrage notwendig wird.

Angesichts der Wahlergebnisse jedenfalls ist „eine Massenstimmung weg von Merkel“, wie sie Patrik Köbele noch im März behauptete, nicht feststellbar. Vielmehr erhebt sich nun immer dringlicher die Frage, wie in den kommenden Monaten der sich abzeichnende Rechtstrend bei den Bundestagswahlen noch gestoppt werden kann. Vom Parteivorstand der DKP bereits benannte Wahlziele, „Widerstand in diesem Land zusammenzuführen und zu stärken“ und einen Beitrag zu leisten, „dass sich mehr Menschen aktiv für ihre Interessen einsetzen“, sind zu unterstützen und weisen weit über den September 2017 hinaus.

Auch um Möglichkeiten für gemeinsames Handeln auszuloten, sei also die Frage nochmals aufgeworfen: Welche politischen Ziele verfolgt die DKP als Partei der Arbeiterklasse in diesem Bundestagswahlkampf?

Zur Ausgangslage gehört dabei nicht nur der feststellbare Rechtstrend bei den Wahlergebnissen, sondern die deutlich prekärer werdende Lage für einen großen Teil der Bevölkerung hierzulande sowie die damit ursächlich zusammenhängenden Einschränkungen gewerkschaftlicher Handlungsmacht, die politisch gewollt sind. Allein die in den vergangenen Jahren erfolgten gesetzlichen Maßnahmen spiegeln die weitere Verschiebung der Kräfteverhältnisse. Vom so genannten Tarifeinheitsgesetz, das Koalitionsrechte beschränkt und so auch Konflikte im Gewerkschaftslager schüren hilft, über die Arbeitsstättenverordnung, die auf Druck der Arbeitgeberverbände keinerlei Regelungen zur „mobilen Arbeit“ enthält, bis hin zur Totalblockade von CDU/CSU bei der Reform des Teilzeit- und Befristungsgesetzes und der jüngst erfolgten Aushebelung von garantierten Betriebsrenten-Ansprüchen sind die Ergebnisse sehr ernüchternd. Heute schon ist klar, dass in der nächsten Legislaturperiode mindestens mit verschärften Angriffen auf das Arbeitszeitgesetz und mit weiteren „Rentenanpassungen“ gerechnet werden muss. Dank „reformiertem“ Arbeitnehmerüberlassungsgesetz wird sich auf der Grundlage von Tarifverträgen außerdem der betriebliche Häuserkampf um Leiharbeit und Werksverträge verschärfen – eine riesige Herausforderung für Betriebs- und Personalratsgremien.

Verlassen wir mal diesen engeren Bereich des Arbeitsrechts: Staatsbürger- und Asylrecht, Polizei und Geheimdienste, Wohnungsbauförderung, Bildung, Energiewende, Umbau der Automobilindustrie, Aufrüstung und Militäreinsätze, in all diesen Bereichen haben die Debatten und ihre in Gesetze und Verordnungen gegossenen Ergebnisse massive Auswirkungen auf die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Menschen, sind also ebenfalls Gegenstand von Klassenauseinandersetzungen.

Auch wenn außerparlamentarische Kämpfe von entscheidender Bedeutung sind für die Verteidigung sozialer und politischer Grundrechte, verliert durch diese Prämisse die parlamentarische Ebene keinesfalls ihre Bedeutung, sie bleibt in vermittelter Weise Gradmesser der Kräfteverhältnisse und Austragungsort real-politischer Konflikte. Die Wahlziele der DKP sollten daher darauf orientieren, bei realistischer Einschätzung der Kräfte eine für die außerparlamentarischen Auseinandersetzungen der nächsten Jahre möglichst günstige Zusammensetzung des Deutschen Bundestags anzustreben. Konkret bedeutet das:

  1.  Die AfD muss draußen bleiben!
    Die Zurückdrängung der rechtsextremistischen Kräfte erfordert die Schaffung gemeinsamer Positionen: gegen Nationalismus, Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Krieg und Militarismus, gegen ein reaktionäres Frauenbild und eine menschenverachtende Flüchtlingspolitik.
  2. Linke, gewerkschaftliche, demokratische Kräfte müssen gestärkt werden!
    Das meint in erster Linie eine Unterstützung der Kandidat*innen der DKP. Überall dort, wo entweder keine Liste antritt, oder eine solche Wahlorientierung den Genossinnen und Genossen aus politischen Gründen nicht möglich ist, sollte ein argumentativ schlüssiger Wahlaufruf zugunsten der Partei Die Linke erfolgen.
  3. Der Mensch geht vor Profit!
    Soziale Gerechtigkeit gehört in das Zentrum unserer politischen Argumentation. Es geht darum, „die real vorhandenen Klassenkämpfe und Widerstände gegen die herrschende Politik genau zu betrachten und in ihnen aktiv mitzuwirken, um sie zu verstärken, um von der herrschenden Politik angestrebte Verschlechterungen abzuwehren und Verbesserungen der sozialen Lebensverhältnisse, zum Schutz der Umwelt und des Klimas, mehr demokratischer Rechte sowie friedenspolitischer und antifaschistischer Forderungen durchzusetzen“ (Uwe Fritsch).

Isa Paape


 

Anmerkungen von Isa Paape zu diesem Beitrag:

Die Bundestagswahlen rücken näher. Für die DKP wächst aus verschiedenen Gründen die Herausforderung, für die Gesamtpartei ein möglichst gemeinsames Herangehen zu erreichen.

Mit meinem Beitrag möchte ich dazu einige Anregungen geben.

Die UZ-Redaktion und auch die Redaktion von news.dkp haben die Veröffentlichung abgelehnt mit der Begründung, das Thema sei bereits „abgehandelt“.
 
Ich meine, die Debatte darüber, wie wir möglichst gemeinsam in den Bundestagswahlkampf eingreifen, ist noch gar nicht geführt worden.
 
Der Titel ist übrigens eine polemische Kritik an all jenen Genoss*innen, die wie der designierte bayerische Spitzenkandidat Hacki Münder behaupten, mit Wahlen könne man eh nichts ändern an den Lebensbedingungen der Arbeiterklasse, und damit nicht nur die Glaubwürdigkeit und Seriosität der eigenen Kandidatur in Frage stellen, sondern letztlich die der gesamten Partei.

Isa Paape