Impuls von Willi van Ooyen auf der Online-Diskussion des Netzwerks "Frieden ist nicht alles, aber ohne Frieden ist alles nichts"

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In den 60er bis in die 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts, die ich erlebt und gemeinsam mit friedensbewegten Menschen im Lande mit vielfältigen Aktionen aktiv mitgestaltet habe, entwickelte sich ein grundsätzlich pazifistisches Bewusstsein, das in der BRD von der Mehrheit in der Gesellschaft akzeptiert wurde. Durch massenhafte Kriegsdienstverweigerung (in den 80er Jahren bis zur Hälfte der Wehrpflichtigen-Jahrgänge), durch große Massenproteste und neue Basisinitiativen (von Wissenschaftlern – IPPNW, Naturwissenschaftlern, Pädagogen, Psychologen – von Sportler-Initiativen und betrieblichen und lokalen Friedensinitiativen) entwickelte sich in der BRD ein Klima für eine veränderte internationale Politik (Ostverträge und auch INF-Vertrag von 1987). An den Krefelder Appell, den etwa 5% der bundesdeutschen Bevölkerung unterschrieben haben, will ich nur erinnern.

Politisch profitiert haben sich damals vor allem die Grünen, die auch mit dem Rückenwind aus der Friedensbewegung in dieser Zeit erstmals in die Parlamente einzogen. Dass ihr ursprünglich pazifistisches Programm dann in den 90er Jahren ins Gegenteil verkehrt wurde, mahnt uns, programmatische Positionen bei Parteien nicht für gottgegeben zu halten. Dazu hatten wir damals die Erfahrungen mit der Remilitarisierung und dem „Kampf dem Atomtod“ und der Rolle der SPD in diesen Fragen noch in wacher Erinnerung.

Für uns als Linke blieb „klar,dass der Militarismus in seinen beiden Formen –als Krieg wie als bewaffneter Friede – ein logisches Ergebnis des Kapitalismus ist." (RosaLuxemburg,Friedensutopien,Mai1911). Auch die Worte von Jean Jaures: „Der Kapitalismus trägt den Krieg in sich wie die Wolke den Regen,“ sollten unsere Leitgedanken bleiben.

Heute schwindet der langandauernde Grundkonsens des „Nie wieder Krieg“ und es stehtdieFriedensbewegung erneutgegendieMeinungsmache, diefürdieMilitarisierungmitderBehauptungwirbt,Hoch-undAtomrüstung,militärische InterventionenundAbschreckungbringen'Sicherheit'unddieNatomitihrenKriegen,ihrer RüstungundihrenDrohkulissenseieineFriedensmacht.

Dieser Eindruck drängt sich zumindest auf, wenn man nur die medialen Berieselungen wahrnimmt. Immerhin hat eine aktuelle Meinungsumfrage von Greenpeace ergeben, dass nach wie vor über 80 Prozent der bundesdeutschen Bevölkerung Kriege und militärische Aufrüstung – besonders die atomare Bewaffnung ablehnt.

Aus all unseren Erfahrungen und politischen Einschätzungen wissen wir, dass die aktuellen Kriege und die weitere Hochrüstung kein Weg zum Frieden sein können. Die Mobilisierung der Menschen für Frieden, Abrüstung ,und internationale Kooperation sind Voraussetzung für eine politisch/gesellschaftliche Transformation. Deshalb sollten wir die Friedensfrage zum zentralen Anliegen im Wahljahr machen. Die Vertreter im Parlament brauchen diesen Druck von der Basis, um ein Programm für Abrüstung und Friedenssicherung sowie Klimaschutz, Ökologie und Gesundheit durchsetzen zu können.

Dazu argumentierte der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann in der letzten Ausgabe der Friedenszeitung der „Initiative abrüsten statt aufrüsten“: „Weltweit wurden im letzten Jahr 1.644 Milliarden Euro ausgegeben, um die Rüstungsspirale in Gang zu halten.

Ganz vorne mit dabei ist die deutsche Bundesregierung. …Unter den Top-Ten-Staaten ist Deutschland zugleich das Land, das mit einem Plus von über fünf Prozent die größten Zuwachsraten aufweist. …

Angesichts der aktuellen Herausforderungen, vor denen wir stehen, handelt es sich hier um eine aberwitzige Verschwendung von öffentlichen Mitteln, die wir dringend für andere Zwecke benötigen. …

… Daher ist es höchste Zeit, das Ruder herumzureißen.“ Die Gewerkschaften nähmen alle demokratischen Parteien in die Pflicht, um zu bewirken, den Atomwaffenverbotsvertrag der UN endlich zu unterzeichnen. „Abrüstung und Entspannung wählen, in die Zukunft investieren“ darum gehe es bei der Bundestagswahl, so Reiner Hoffmann.

Deshalb bleibt es wichtig, im Bündnis mit anderen gesellschaftlichen Kräften – wie den Gewerkschaften und sozialen und ökologischen Formationen wie bei der Initiative „abrüsten statt aufrüsten“ aktiv zu sein. Wir sollten uns für die Beendigung der Kriege, gegen die weitere Aufrüstung und konkret gegen die Steigerung der Militärausgaben – nach NATO-Kriterien auf 2 % des BIP - zur Wehr setzen. Die Forderungen des diesjährigen Ostermarsches waren sicherlich eine Orientierung- auch für eine aktivistischere Herangehensweise.

Die Digitalisierung der Kriegstechnik, die Entwicklung neuartiger auch nuklearer Systeme sowie der Ausbau der Armeen und ihrer Infrastruktur folgt dem Konzept der vernetzten Kriegsführung. Angesichts der Atom- und Hochrüstung, der zugespitzten Konflikte in der Welt, sowie der Gefahr, die sich aus der ökologischen Katastrophe ergibt, machen für uns die Entwicklung von Gegenwehr zur zentralen Aufgabe.

Die Nato, die mit 1.100 Milliarden US-Dollar über die Hälfte der Weltrüstungsausgaben aufwendet, erbringt der Rüstungsindustrie Milliarden-Profite, und sie trägt mit ihrem CO2-Ausstoß, dem Ressourcenverbrauch und der Naturzerstörung zu den Gefahren für die Menschheit bei, wie keine andere Institution auf der Erde. Dies ist mit den Lebensinteressen der Menschen in unserem Land und weltweit unvereinbar.

Die USA setzen die Nato für ihre imperiale Politik der weltweiten Intervention zur Absicherung ihrer Vormachtstellung und ihres Zugriffs auf Ressourcen in der globalen Konkurrenz um strategische Vorteile und für ihre Frontstellung gegen China und Russland ein.

Die Politik Deutschlands stützt dieses Herangehen einerseits durch transatlantische Vasallen-Treue und andererseits mit - oftmals einer europäisch ummantelten - eigenständigen Interessensdurchsetzung. Immer auch offensiv mit dem Versuch der Eindämmung Chinas und Russlands, u. a. aktuell mit der Marine (Kramp-Karrenbauer: "...wir halten dagegen..." ) durch die Entsendung der Fregatte BAYERN ins südchinesische Meer.

Friedenspolitik ist demgegenüber auf sozial-ökologische Gerechtigkeit nach innen und außen gerichtet. Nato und EU verstecken imperiale Interessen nicht nur an Ressourcen und Einfluss sondern auch an Handelswegen und verklären ihre Machtpolitik als Verteidigung demokratischer Werte.

Sie untergraben dabei auch die Vermittlungsfunktion der UNO und anderer Staatenbündnisse für die friedliche Lösung von Konflikten. Im Gegensatz zu aller Propaganda ist es das Nato-Bündnis, von dem die meisten und massivsten Verstöße gegen das Menschen- und Völkerrecht nicht erst seit dem Ende des Kalten Krieges ausgehen.

Wir sollten deutlich machen, dass es nicht nur um die einzelnen Kriege, die militärischen Anschaffungen (Drohnen, Flugzeuge, neue Atomwaffen, etc.) geht. Vielmehr müssen wir deutlich machen, dass diese Waffen einen politischen Zweck erfüllen sollen. Die Militarisierung der Politik nach innen und außen ist das Gegenteil von Sicherheitspolitik.

Aber die Linke im Land muss strategisch über solche konkreten Forderungen hinaus für eine andere internationale Politik eintreten. Sie muss die andere, sozialistische und internationalistische Perspektiven entwickeln.

Wir müssen der herrschenden Kriegslogik widersprechen. Wir wollen ja die Grundlagen der derzeitigen Politik verändern.

Ein gutes Beispiel ist der jüngste Aufruf „Lasst uns Frieden stiften“, der mit vielen Unterzeichnern in der russischen Zeitung „Kommersant“ und in der „Berliner Zeitung“ anlässlich des 80. Jahrestages des faschistischen deutschen Überfalls auf die Sowjetunion veröffentlicht wurde, und in dem es heißt: „Wir wissen: Frieden in Europa gelingt nur gemeinsam mit Russland und nicht gegen Russland.

Deshalb rufen wir die Politiker Europas in Ost und West auf: Bewegt Euch! Verlasst endlich die Sphäre und die Logik des Kalten Krieges! Nicht die Panzertruppen oder Rüstungszahlen müssen wachsen, sondern die Bereitschaft, aufeinander zuzugehen. … Verlasst die mentalen Gefängnisse der Feindbilder, Ressentiments und Ängste! Lasst uns endlich Frieden stiften! Die Menschen in Europa warten schon lange darauf.“

Friedenspolitik wird nur dann ihrem Anspruch gerecht, wenn sie kein additiver Punkt in einer Liste vieler Forderungen in einem Wahlprogramm ist, sondern wenn sie zum Grundprinzip einer auf Zukunftsfähigkeit gerichteten Politik wird. Kriege enden nicht im Frieden. Frieden muss Grundlage zukunftsfähiger Politik werden und damit natürlich auch unseres Handelns.

Beteiligt Euch an den vielfältigen Aktivitäten der Friedensbewegung in der kommenden Zeit:

Willi van Ooyen,

Frankfurt, 06.06.2021

 

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