Das Positionspapier tut gar nicht weh. Allerdings hilft es auch nicht weiter (Leander Sukov)

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Das Positionspapier „Den Gegenangriff organisieren“ kann jeder Kommunist getrost unterschreiben. Es tut gar nicht weh. Allerdings hilft es auch nicht weiter. Denn das Papier ist deshalb jederzeit unterschreibbar, weil es sich auf eine eigentümliche Art im Nichts bewegt. Es ist eine Aneinanderreihung von Maximal- und Minimalforderungen im gegenwärtigen Gesellschaftszustand.

All das, was dort steht, ist Allgemeingut; jedenfalls weitgehend. Man mag sich über die Frage der Transnationalität streiten. Man kann es aber auch lassen. Letztlich ändert das Ergebnis eines Streits ja nichts am Papier, wenn das bleibt, wie es ist. Mir liegt das wesentlichste Loriot-Zitat auf der Zunge, wenn es um dieses Papier geht: „Ach“. Mehr ist eigentlich nicht zu sagen. Es handelt sich um ein umfängliches Flugblatt. Allerdings ist es für die Außendarstellung wegen der verwendeten Sprache nicht zu gebrauchen.

Das hätte so nicht sein müssen. Denn vor der Organisation eines Angriffs, insbesondere eines Gegenangriffs sollte man sich um die eigenen Truppen kümmern. Wenn man weder weiß, mit wieviel Kraft man zurückschlagen kann und auch nicht, wo man damit am Besten beginnt, versandet der Angriff. Wenn man Pech hat, verblutet er. Nichts davon findet sich in dem Papier.

Ganz ohne Frage befindet sich die Arbeiterklasse in einer angegriffenen Situation. Übrigens in jedem Sinne des Wortes „angegriffen“. Sie leidet nicht unter einer leichten fiebrigen Erkältung, sondern unter schwerer Blutarmut. So wie es ihr geht, geht es auch uns. Wir sind ein Teil dieser Klasse und wir geben kein gutes Bild ab. Die Haut ist fleckig, die Stirn schweißbedeckt und die Haare fallen aus. Ich habe sogar schon eine Glatze. Da wir im Familienkrankenzimmer bettlägerig in keiner Heine'schen, sondern einer Marx'schen Matratzengruft liegen, sollten wir überlegen, wie wir wieder zu Kräften kommen. Tun wir das? Vielleicht. Aber vielleicht auch nicht so, wie es nötig wäre. Statt ein dialektisches Aktionsprogramm zu diskutieren, welches uns nach Einschätzung unserer noch verbliebenen Stärken helfen würde, das Siechenlager zu verlassen UND für ein paar ordentliche, warme Kampfgerichte zu sorgen, rufen wir ständig aus den Kissen, jetzt solle aber mal schön gegen die Krankheit angekämpft werden. Da kommt einem doch in den Sinn, dass die Forderung nach kollektiven Gebeten auch nicht mehr weit sein kann.

Während also die Bazillen der kapitalistischen Krise angegriffen  (das wäre der andere Sinn von „angegriffen“), tun wir so, als ob lautes Rufen und evtl. vermehrte Verbaldiarrhö, eine Veränderung bringen würde. Das wird, Genossen und Genossinnen, nichts werden.

Wir brauchen also, was diese Sache angeht, ein paar grundlegende Informationen. Wir haben sie nicht. Wir müssen sie uns folglich beschaffen: Wo sind welche GenossInnen aktiv? Wie ist der reale Altersdurchschnitt. Über wieviele Sympathisanten verfügen wir wo? Wie können wir in den Bereichen punkten, die nicht Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit sind? Wie schaffen wir es z.B. den Jugendbereich zu stärken? Wie gewinnen wir an den Universitäten wieder mehr Einfluss? Was haben wir bei Kunst und Kultur zu melden? Warum ich die Punkte erwähne, die nicht „Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit“ betreffen? Weil wir offenbar einen Überblick über die gewerkschaftlich und betrieblich Aktiven haben, der uns anderswo fehlt.
Aber Anderswo ist kein unwichtiger Ort. Wenn wir zu einer wahrnehmbaren Kraft werden wollen, also zu etwas, was die DKP war, müssen wir auch wissen, welche Hebel wir haben.

Die Arbeit des Parteivorstandes ist dabei von großer Wichtigkeit. Arbeitet er schlecht, schlingert er inhaltlich, weiß er organisatorisch über die Potentiale der Partei nicht Bescheid, so schadet er. Hat er in der Vergangenheit geschadet? Ich glaube schon. Das liegt auch, ich wiederhole mich da, am Aufbau der Partei. Ich glaube übrigens nicht, dass man die Sache personalisieren kann. Ich glaube auch nicht, dass durch das Auswechseln des Vorstandes etwas erreicht werden kann. Aber man sollte diskutieren, ob wir einen Vorstand mit Vorsitzendem und Sekretariat wirklich brauchen. Wo ist die historische Notwendigkeit dafür. Wäre es angesichts der jetzigen Situation nicht sinnvoller eine Art von Sprecherrat zu wählen und den erweiterten Parteivorstand als Delegiertenkonferenz? Was hindert uns daran, Abschied zu nehmen von Strukturen, die offensichtlich nicht voranbringen, die also eine Form bilden, die nicht mehr um den Inhalt passt? Ich bin übrigens dafür, Heinz Stehr in einem solchen Sprecherrat zu haben. Nicht nur für seine Verdienste um den Zusammenhalt der Partei, sondern auch deshalb, weil seine Positionen bislang die der Mehrheit sind und er in der Lage wäre, auch weiterhin eine Klammerfunktion zu erfüllen.

Wenn man also das „Gegenangriffspapier“ entwickeln kann, wenn die Lage der Organisation und die kybernetisch notwendigen Prozesse zu ihrer Verbesserung einfließen und sich zudem die Positionen aus dem Allgemeinen ins Konkrete bewegen, hielte ich es für einen sinnvollen Kampfplan. So aber, in der vorliegenden Form ist es nichts, als ein Sammelsurium von Allgemeinplätzen, die zwar, weil man ja etwas will, ein gutes Gefühl vermitteln, aber keinen Deut voranbringen. Auch der schönste Besinnungsaufsatz nützt nichts, wenn als Gesamtbeurteilung nichts bleibt als „Sie haben sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten stets bemüht“.

Leander Sukov