Einschätzende Anmerkungen zum 25. Parteitag der DKP

26. März 2023 - Rainer Dörrenbecher

Der 25. Parteitag der DKP fand statt in einer sehr komplizierten internationalen Lage mit ebenso komplizierten Herausforderungen an nicht-imperialistische und realistische Kräfte, nicht nur zur Beendigung des Russland-Ukraine-Krieges. Der Parteitag fand statt vor dem Hintergrund der notwendigen Einschränkung des Klimawandels und der damit verbundenen Veränderung der Produktions- und Lebensweise. Das stellt die Arbeiterbewegung international vor komplizierte gesellschaftspolitische und soziale Herausforderungen - auch in Deutschland, einem der höchst entwickelten imperialistischen Länder. Auf dieser Grundlage sollte der 25. DKP-Parteitag beurteilt werden.

Patrik und Wera haben eine sehr positive Bilanz gezogen, Patrik im Schlusswort auf dem Parteitag und im Interview mit „Junge Welt", Wera im Artikel Ein vorwärtsweisender Parteitag | Unsere Zeit (unsere-zeit.de) u.a. Orientiert an der Aufgabenstellung und den Vorgaben des Sekretariats für die Diskussion ist die Wertung im Wesentlichen zutreffend. Ausgehend davon, dass die gegenwärtige Lage und Perspektive nicht nur der ArbeiterInnenklasse, sondern der Menschheit andere, weitergehende Fragen und Versuche von Antworten braucht, bleibt der DKP Parteitag hinter diesen Anforderungen weit zurück. Wichtige, entscheidende Probleme wurden nicht thematisiert. Dieser Parteitag erhöht nicht die Politikfähigkeit der DKP. Das politische Niveau von Referat und vieler Diskussionsbeiträge bleibt hinter den Herausforderungen zurück. Die Bilanz fällt deshalb sehr kritisch aus.
Die Diskussion war auf dem Parteitag inhaltlich aufgeteilt in die Diskussion zum Referat und Berichte zu drei Komplexen: in Erfahrungsaustausch Wirken an die Klasse, Erfahrungsaustausch Kommunalpolitik, Erfahrungsaustausch Friedens- und sozialer Kampf, Bündnispolitik sowie zeitlich begrenzte Debatten zu den Anträgen „Heizung, Brot ..." und „China".
Die Zusammensetzung der Delegierten war sehr einheitlich. Der kritische Teil marginal. Patrik und Wera haben ein außerordentlich breites Vertrauen bei den Delegierten; das wurde bei den Wahlen unmissverständlich. Bei 170 abgegebenen Stimmen erhielten Patrik 157 und Wera 160 Stimmen. Nach dem Weggang einiger linksradikaler GenossInnen hält der verbliebene Teil - trotz Meinungsverschiedenheiten - (fest) zusammen. Auffallend ist allerdings, dass außer Björn Blach niemand mehr aus den ehemaligen Führungen der SDAJ vertreten ist.

Grußschreiben von Bündniskräften gab es von Anne Rieger, Bundesausschuss Friedensratschlag; Florian Gutsche, Bundesvorsitzende der VVN-BdA, DIDF und weiteren engen Partnern. (siehe UZ, 24.03.)
Der interne Aufruf „Heran an die Klasse" hat sich als Ausdruck der Situation der Partei bestätigt. Die DKP wirkt nicht in der Klasse, sie ist nicht Teil der Klasse, sie muss an die ArbeiterInnen-Klasse heran. Die Ausnahme ist die Gesundheitsbranche bei der eine inhaltliche und betriebliche Verankerung deutlich wurde. Dieses Problem wird von der Führung ignoriert, im Referat nicht benannt und von den Delegierten nicht erkannt oder ebenfalls ignoriert. Das wurde auch inhaltlich deutlich. Die sozialen Probleme und Sorgen der Menschen, der ArbeiterInnen-Klasse (es wurde immer in der männlichen Form gesprochen), der Betriebsbelegschaften wurden als Bezugspunkte für die Politik der Partei betrachtet, nicht wirklich als Probleme. Wichtig ist, dass die Partei sich darstellt; Symbolpolitik statt politischem Inhalt.
Im Referat gibt es keine Aussagen zur Lage der Industriearbeiterschaft, zu Problemen und sozialen Auswirkungen des Umbaus der Autoindustrie. Der Diskussionsbeitrag von Isa Paape war der einzige aus der materiellen Produktion. Es war auch der einzige Beitrag, der sich mit der anhaltenden Veränderung der Produktion und Arbeitsbedingungen und dem konkreten Bewusstsein in Belegschaften beschäftigte. Die soziale und gewerkschaftliche Zusammensetzung des neuen PV spiegelt dies wieder; niemand ist in der materiellen Produktion tätig.

Das Problem der Produktivkraftentwicklung, eher in der China-Debatte angesprochen, wird inhaltlich auf die Produktionsmittel reduziert und nicht verstanden. Die Klima- und Ökologie-Problematik fehlte im Referat, fehlte im Antr.HBF, auch in der Fassung der Antrags Kommission. Ein kleiner Abschnitt wurde dann aufgenommen. Die Notwendigkeit wegen der Klima- und Ökologie-Problematik, eine gravierende Transformation der Produktivkräfte einschließlich unserer Lebensweise durchzuführen, wird nicht erkannt (?), bewusst ignoriert (?), als bürgerliche Menschheitsfrage diffamiert. In einem Diskussionsbeitrag in der allgemeinen Debatte wurde die Hinwendung zur Ökologie- und Klima-Politik gefordert, nicht wegen des Problems, sondern weil die Bewegung fragwürdige Standpunkte und Forderungen vertrete.

Die „Marxistischen Blätter" wurden gewürdigt; deren Beiträge zur Problematik der Transformation, wie z.B. MB 5/2021 Kapitalismus im Umbruch, sind inhaltlich nicht erkennbar.
Die Partei Die Linke ist weiterhin Hauptadressat von Kritik. Die Aussagen von Transatlantikern werden verallgemeinert, deren Zurückweisung in der PdL wird ignoriert und Differenzierung findet wie gewohnt nicht statt. Kritik an der russischen Aggression und der Politik der KP Chinas aus der PdL stellt diese mit der NATO-Politik auf eine Stufe.
Problematisch sind weiterhin die inhaltliche Wertung und die Orientierung auf rechtsorientierte Kräfte in Bewegungen. Die Bagatellisierung demokratiefeindlichen und rechtsorientierten Bewusstseins, wie es u.a. bei den „Corona-Demos" deutlich wurde, wird nicht in Frage gestellt. Es wird stattdessen davor gewarnt, diese „als Rechte abzustempeln". Unter dem Stichwort „neuer, uns ggf. unbekannter Kräfte" zitierte Patrik aus der 2. PV-Tagung u.a.: „Wir müssen bei der Einordnung ebenfalls beachten, dass auch Teile der antifaschistischen Bewegung dazu neigen, Aktionen und die daran Beteiligten zu schnell als Rechte abzustempeln. Damit läuft man dann eher Gefahr, Menschen den Rechtskräften tatsächlich in die Arme zu treiben."
Dementsprechend wurde in der allg. Diskussion „Querfront" nicht inhaltlich sondern als formal vereinbartes Bündnis definiert. Da es das nicht gibt, gibt es auch keine Querfront. Zugleich wurde der VVN-BdA in Beiträgen u.a. in der „Antifa-Rundschau" Antikommunismus unterstellt.

Vertieft wurde diese Orientierung von Wera Richter in ihrem Einführungsbeitrag zum „Erfahrungsaustausch Friedens- und sozialer Kampf, Bündnispolitik". Meine Notiz: „Friedensdemos im Osten, die sich aus den Corona-Protesten entwickelt haben, werden als Querfront diskreditiert". Auch hier keine differenzierte Betrachtung des Bewusstseins. Die AfD sei keine faschistische Partei, obwohl es derartige Tendenzen gäbe.
Im Referat wird im Wesentlichen festgehalten an der bekannten eindimensionalen Betrachtung der globalen Situation. Im Zusammenhang mit Betrachtungen über „die Verschärfung der allgemeinen Krise des Kapitalismus" und der „möglichen Herausbildung einer multilateralen bzw. -polaren Weltordnung handelt es „sich bei der Russischen Föderation um einen Kapitalismus, der durch die führenden Imperialisten in manchen Bereichen zu Antiimperialismus gedrängt wird." Die ist eine kleine Veränderung der ursprünglichen Position, nach der „Russland eine objektiv antiimperialistische Außenpolitik betreibe." Die VR China wird im Referat und im China-Beschluss unkritisch „als eine antiimperialistische Kraft" dargestellt. In der allg. Disk. wird die „VR China als Motor der antiimperialistischen Abwehrfront" bezeichnet. Ebenso betreibe der Iran „oft eine antiimperialistische Außenpolitik", der „nach innen ein klerikales, oft reaktionäres Regime hat." Offensichtlich sind Länder, die sich gegen die USA u.a. imperialistische Länder wehren, durch ihren Widerstand „antiimperialistisch". Keine Rolle spielen politisch-ökonomische Hintergründe und die innere Verfasstheit dieser Länder.
Zur Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung heißt es, die innergewerkschaftliche Debatte entspreche „weder dem Kriegskurs noch der Dramatik der sozialen Angriffe." So richtig diese allgemeine Kritik ist, es wird auch hier nicht differenziert, sondern lediglich pauschalisiert. Die Lage der ArbeiterInnenklasse wird reduziert auf den Armutsbericht des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes und die gravierenden Preissteigerungen. Keine Äußerung zum Problem Zukunft der Arbeit. Mit dem Halbsatz zu der „unsäglichen Aussage von Kollegin Fahimi" und dass es „unsere Aufgabe sei, diese Ruhe zu beenden", ist das Thema beendet.
Bemerkenswert ist eine leichte Veränderung in der Bündnis-Taktik im Kampf um Frieden und Abrüstung. Danach könnte ein möglicher inhaltlicher Konsens zum Russland-Ukraine-Krieg sein: „Es geht um Stopp der Waffenlieferungen und Stopp der Hochrüstung und es geht um Verhandlungen jetzt, damit die Waffen schweigen können, für eine Friedensordnung, die die Sicherheitsinteressen aller Seiten berücksichtigt. Das ist nicht identisch mit dem, was wir als Partei fordern, ..." Ich würde nicht von Veränderung in der Bündnis-Politik sprechen. Zu der Änderung dürften die politische Praxis der Partei und Druck auf die Führung beigetragen haben. „Wir sollten im Bündnis weder die Beurteilung des russischen Angriffs, noch die Beurteilung des jetzigen Wesens des Krieges zur Bedingung der Zusammenarbeit machen, allerdings sollte man das umgekehrt von uns auch nicht verlangen. Hier ist es aktuell nicht einfach und hat uns mancherorts auch im Hinblick auf die Ostermärsche zu einer differenzierten Herangehensweise gezwungen."
Die Diskussions-Beiträge in den drei Komplexen waren überwiegend Berichte über Aktivitäten der Partei. Einige waren zu Bündnisaktionen, bei denen die Rolle der Partei dargestellt wurde und aus dem Gesundheitswesen über betriebliche und gewerkschaftliche Aktivitäten. Viele Beiträge waren von relativ jungen GenossInnen mit Ersterfahrungen bei betrieblichen, gewerkschaftlichen Kämpfen. Viele Beiträge bezogen sich auf Solidaritätsaktionen mit Belegschaften. Nur einige wenige kamen von GenossInnen als Belegschaftsmitglieder, die auch ein differenziertes Bild der Stimmung und des Bewusstseins darstellten.
Die Gewerkschaften, die Friedensbewegung, Bündnisse werden nicht als Subjekte der Veränderung, von Bewegungen im Kampf gegen Preissteigerungen, Rüstungspolitik, Rechtsentwicklung gesehen; sie sind Objekte in denen die DKP ihre Politik einbringt, um die Richtung zu zeigen.

Der umfangreiche Beschluss „Heizung, Brot, Frieden" dürfte in der Politik und Praxis der Partei nur in wenigen Grundeinheiten eine Rolle spielen. Dazu ist er inhaltlich zu kompliziert und als Handlungsorientierung ungeeignet. Deshalb (?) wurde der PV beauftragt ein Sofort-Forderungs-Programm zu erarbeiten.
Der China-Antrag wurde mit vielen Änderungen als Zwischenstand der Diskussion beschlossen und der PV beauftragt die Fortsetzung der Disk. zu organisieren. Es wurde angekündigt, noch in diesem Jahr eine theoret. Konferenz (oder so) durchzuführen. In der begrenzten Aussprache und der Antragsdebatte gab es mehrere Beiträge und Anträge zum Wesen des Sozialismus allgemein. Es wurde die Sorge geäußert, die Legitimierung des chinesischen Weges zum Sozialismus bedeute eine Abkehr von unserer programmatischen Orientierung. Für andere entspricht der chinesische Weg und seine Definition im Antrag nicht den marxistischen Kriterien. In der Debatte haben Patrik und andere der Führung immer wieder betont, die Aussagen zu Kriterien des sozialistischen Aufbaus würden sich auf den chinesischen Weg beziehen und es gäbe keine Veränderung unserer Programmatik.

Im Live-Ticker heißt es zum Schlusswort: „Insbesondere angesichts der laufenden Arbeitskämpfe komme es nun darauf an: Rein in die Gewerkschaften und dort die Debatte führen. Gewerkschaften seien kein beliebiger Bündnispartner, sondern Schulen des Klassenkampfes ..." Worum die Debatte führen? Heizung, Brot und Frieden mit Russland und China - das ist zu kurz gedacht.

 

Wirtschaftskrieg und Inflation: Wer sind die Gewinner, und wer die Verlierer?

Marxistischen Abendschule Elmshorn am 1. 3. 2023

Putin beginnt einen Krieg und der Westen antwortet mit einem Wirtschaftskrieg, der Russland "ruinieren" soll, so Bundesaußenministerin Baerbock. Ein Importstopp für Energie aus Russland wird inszeniert. Es entsteht eine Inflation, die in nie dagewesener Geschwindigkeit auf eine nie dagewesene Höhe springt. Eine Umverteilung phantastischen Ausmaßes bahnt sich an. Die Abermilliarden zur Finanzierung des Wirtschaftskrieges sitzen locker. Das Ziel, Putins Angriff durch die Ruinierung seines Landes zu stoppen, wird dennoch nicht erreicht.

Und alles, was mal mit Klimaschutz war, das rangiert unter ferner liefen, völlig sekundär.

Wir wollen fragen:

Inwiefern sind die Armen bei dieser Inflation viel stärker und vielfältiger betroffen als die Einkommenss...

Nachruf zum Tode von Christel Wegner

Christel ist aus vielen Gründen ein „kommunistisches Urgestein“ gewesen. Sie wurde am 16. November 1947 in einer Hamburger Familie geboren, die kommunistisch orientiert war, die politischen Herausforderungen ihrer Zeit annahm und für eine bessere Zukunft stritt. Das blieb prägend für Christel. Sie lernte Krankenschwester und wurde in ihrem Arbeitsleben Pflegedienstleiterin in Buchholz in der Nordheide.

Gewerkschaftspolitisch hatte sie durch ihre kämpferische, zupackende Art schnell das Vertrauen ihrer Kolleginnen und Kollegen gewonnen und wurde Personalratsvorsitzende und Funktionsträgerin bei ver.di.

Als junge Kommunistin engagierte sie sich für Jugendrechte, für Frieden und für sozialistische Ziele. Sie wurde Mitglied der illegalen KPD und warb offen für eine gerechtere Zukunft und eine so...

Diskussionsbeitrag zum Ukrainekrieg auf dem DKP-Parteitag online am 22.05.22

von Thomas Hagenhofer, Bezirksvorsitzender der DKP Saarland

(Die erste Seite des Beitrags wurde aus Zeitgründen nicht vorgetragen.)

Liebe Genossinnen und Genossen,

angesichts der dramatischen politischen Veränderungen lohnt sich ein Blick in unser Parteiprogramm.

Dort steht: „Zugleich entfalten sich die Rivalitäten zwischen den imperialistischen Metropolen und Blöcken. Allerdings wird der mit der Ungleichmäßigkeit der Entwicklung im Imperialismus zusammenhängende Kampf um die Neuaufteilung der Welt und der Einflusssphären heute in erster Linie mit ökonomischen und politischen Waffen oder mit „Stellvertreterkriegen“ ausgetragen, die von anderen Ländern gegeneinander bzw. in Bürgerkriegen ausgefochten werden.

Hochrüstung, Rüstungsexport und das Schüren von Spannungen und Konflikten in versch...

Peter Wahl: Der Ukraine-Krieg und seine geopolitischen Hintergründe

Peter Wahl schrieb Mitte März 22 diesen Beitrag für die Attac-AG Globalisierung & Krieg. Sein Ziel ist es, Hintergründe und Zusammenhänge in den Blick zu nehmen, Ursachen zu analysieren, das Einzelne in seinen strukturellen und historischen Kontext des Ganzen zu stellen. Dieser methodische Ansatz entspricht dem Verfahren, das emanzipatorische Gesellschaftsanalyse schon immer verfolgt.

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