14.11.2011: Der von der Gewerkschaft CGTP-INTERSINDICAL NATIONAL für den 24. November angekündigte Generalstreik bewegt schon jetzt die portugiesische Gesellschaft. Die Generalversammlung des Militärs rief das Volk zum Widerstand auf, die Gewerkschaft der Polizei erklärt sich solidarisch und die katholische Kirche hält den Generalstreik nicht nur für "legitim, sondern auch (für) gesund" .
Im Mai diesen Jahres unterschrieben die drei portugiesischen Parteien PS, PSD und CDS-PP - Verfechter der neoliberalen Politik und treue Vassalen des Finanzkapitals - ein Memorandum mit der Troika (EU, EZB und IWF), in dem sie sich verpflichteten, radikale Sparmaßnahmen und somit erschreckende Angriffe auf die in der Verfassung festgeschriebenen sozialen und Arbeiterrechte durchzuführen. Der anhaltende Widerstand gegen die verschiedenen EU-Pakte "für Stabilität und Wachstum" hatte bereits Ende März zum Rücktritt der Regierung des sozialistischen Premierministers José Sócrates und zu Auflösung des Parlaments geführt.
Während des nachfolgenden Wahlkampfes im Mai/Juni herrschte großes Schweigen über den Inhalt des geheimen Memorandums. Die PSD versprach sogar alles rückgängig zu machen, was die antisoziale Politik der PS-Regierung bereits zerstört hatte, während die Sozialisten den Kopf in den Sand steckten und versuchten, durch linke Rhetorik ihre rechte Politik der vergangenen Jahre vergessen zu machen. Das Wahlergebnis, gekennzeichnet durch eine Rekordenthaltung, war schließlich ein Sieg der PSD und ihres Kandidaten für das Amt des Regierungschefs, Passos Coelho. Die neue Regierung begann jedoch ihr Mandat am 21. Juni mit Ankündigungen, die ihrer Wahlpropaganda völlig widersprachen.
Wachsende Proteste
Bereits Anfang September warnte der Generalsekretär der PCP, Jerónimo de Sousa, beim Avante-Fest den Premier, dass die Regierung im Falle einer Durchführung der zwischen Koalition und Troika vereinbarten Maßnahmen auf eine kraftvolle Widerstandswelle stoßen würde. Die danach folgenden Ankündigungen der Exekutive, insbesondere bezüglich des Staatshaushalts, übertrafen die schlimmsten Befürchtungen.
Am 1. Oktober folgten in Lissabon und Porto 200.000 Menschen dem Aufruf der Einheits-Gewerkschaft CGTP-Intersindical National, gegen die Regierung und deren Maßnahmen zu protestieren.
Am 16. Oktober appellierte das Zentralkomitee der PCP an alle Arbeiter und die gesamte portugiesische Bevölkerung, "eine kraftvolle Protest- und Kampfbewegung gegen den Aggressionspakt der Troika zu bilden, die alle antimonopolistische Kräfte, alle Demokraten und Patrioten umfasst mit dem Hauptziel, den Absturz des Landes in den Abgrund zu verhindern, die Interessen der Arbeiter und der gesamte Bevölkerung zu garantieren, die drakonischen Zwänge und Erpressungen des Großkapitals und der EU abzuwehren und die Verfassung der Portugiesischen Republik, ihre Prinzipien und Werte sowie das unverzichtbare Recht des portugiesischen Volks auf Ausübung seiner Souveränität, welche nur ihm gehört, unnachgiebig zu verteidigen".
"Eine Bande von Lügnern hat die Macht ergriffen"
Seitdem überschlugen sich die Ereignisse. In den Fabriken, Büros, Kommunen, auf öffentlichen Plätzen und Straßen fanden Streiks, Kundgebungen, Demonstrationen und Blockaden statt. Am 19. Oktober kündigte der Nationalrat der CGTP-IN einen Generalstreik für den 24. November an. Sogar der von Sozialdemokraten und Rechtskonservativen gegründete kleine Gewerkschaftsverband UGT beteiligt sich und unterstützt den Arbeitsausstand.
Die Armee bleibt auf Seiten des Volkes
Am 23. Oktober, nach einer gemeinsamen Generalversammlung, an der mehr als 1500 Offiziere, Unteroffiziere und Soldaten, darunter Generäle und Admirale im aktiven Dienst, teilgenommen haben, riefen die drei Militärverbände der Streitkräfte alle Militärs zur Teilnahme an einer Protestkundgebung am 12. November auf. Während der Sitzung wurden Wahlkampfvideos von Premier Passos Coelho gezeigt, in denen er genau das Gegenteil von dem versprach, was seine Regierung heute tut. Oberst Vasco Lourenço, Vorsitzender des Vereins "25. April", sagte nach dem Treffen vor laufenden Kameras: "Eine Bande von Lügnern hat die Macht ergriffen". Das Volk solle Widerstand leisten, und "falls die Regierung es schaffen würde, die Sicherheitskräfte zu instrumentalisieren und gegen die protestierenden Menschen vorzugehen, bliebe die Armee auf Seiten des Volkes".
Auch die Gewerkschaft der Polizei solidarisiert sich mit den Streikenden und dem Protestzug des öffentlichen Dienstes. Viele Polizisten nahmen an der beeindruckenden Demonstration von 180.000 protestierende Beamten und Angestellten teil. Zur gleichen Zeit versammelten sich 10.000 Mitglieder der Streitkräfte und defilierten zwischen Rossio und Terreiro do Paço. Mehrere Generäle äußerten sich positiv zu der Demonstration. Der Generalstabschef der Armee, General Pinto Ramalho, sagte: "bei den Militärs herrschen die gleichen Sorgen und Missstimmungen wie in der gesamten Gesellschaft". Die Verbundenheit zwischen Streitkräften und der Bevölkerung beruht in Portugal auf der Zeit der Nelken-Revolution und findet bereits Ausdruck in der Präambel der Verfassung, deren erster Satz lautet: "Am 25. April 1974, nach langem Widerstand des portugiesischen Volkes und im Einklang mit seiner tiefsten Gesinnung, stürzte die Bewegung der Streitkräfte das faschistische Regime".
Bischofskonferenz: "Die dunklen Spiele des Kapitals gefährden die Demokratie"
Auch bei der katholischen Kirche kehrt nach etlichen Jahren festen Glaubens an die Ewigkeit des heiligen Königreichs des Kapitalismus Nachdenklichkeit ein. So erklärte kürzlich die Bischofskonferenz: "Die dunklen Spiele des Kapitals gefährden die Demokratie". Der Bischof von Porto, D. Clemente, fügte hinzu: "Der Generalstreik ist nicht nur legitim, sondern auch gesund". Der Bischof der Streitkräfte, D. Januario Torgal, sprach von "purem Terrorismus" in Bezug auf die Politik der Regierung und die von der Troika verordneten Maßnahmen. Auch der Verband der Richter empfahl den Gerichten auf einer nationalen Versammlung auf den Azoren, bei der sich 400 Delegierte aus ganz Portugal trafen, immer nach den Prinzipien der portugiesischen Verfassung und nicht nach den von Parlament oder Regierung verabschiedeten, verfassungswidrigen, antisozialen Gesetzten und somit gemäß EU-Verordnung zu urteilen. Sogar der Trainer von Benfica Lissabon, des größten Fußballvereins der Welt, was die Anzahl der Mitglieder (175.000) betrifft, Jorge de Jesus, sagte in einem Interview: "Wenn solche Politiker Fußballtrainer wären, würden sie nach ein paar Tagen sofort entlassen".
Generalstreik am 24. November
Die offizielle Ankündigung der CGTP-INTERSINDICAL NATIONAL zum Generalstreik lautet: "Am 24. November findet ein totale Arbeitsniederlegung aller Arbeiter, Mitglieder und Nicht-Mitglieder einer Gewerkschaft, in allen staatlichen und privaten Unternehmen und Dienststellen, unabhängig von der juristischen Natur der Arbeitgeberinstitution und gültig für das gesamte Territorium des Landes, statt".
Es folgen 14 Ziele für den Arbeitsausstand, darunter die Verteidigung des flächendeckenden Arbeitsvertrags, die Ablehnung von Privatisierung und Veräußerung von öffentlichem Eigentum an das Privatkapital, die Neuverhandlungen der Auslandsschulden, die Forderung nach Investitionen und Dynamisierung des öffentlichen Sektors sowie den Schutz der nationalen Souveränität des Landes. Das portugiesische Streikrecht ist eine der größten demokratischen Errungenschaften der Aprilrevolution. Laut Verfassung, Art. 57, ist es "exklusive Kompetenz der Arbeiter, die Breite der zu verteidigenden Interessen durch den Streik zu bestimmen, deren Umfang per Gesetz nicht begrenzt werden darf".
In den letzten Wochen haben zahlreiche Gewerkschaftsorganisationen ihre Teilnahme am Generalstreik bestätig, wie die Eisenbahner, Arbeiter der Schifffahrt, TAP-Air Portugal, die Fluglotsen und Arbeiter der Flughäfen, Arbeiter der öffentlichen Verkehrsmittel (Busse, Straßen- und U-Bahnen) und aus allen Bereichen des öffentlichen Dienstes. Es wird sicherlich einer der größten Generalstreiks der Geschichte Portugals gegen eine Regierung, die erst seit einigen Monaten im Amt ist, es aber bereits geschafft hat, das ganze Land gegen sich aufzubringen.
Wie Jerónimo de Sousa beim Avante-Fest sagte: "Die Arbeiter sind schon immer der Motor des Kampfes gewesen. Es sind zwar harte Kämpfe, voller Gefahren und Schwierigkeiten. Trotzdem gibt uns das Vertrauen in die Partei, in die Arbeiter und in die Bevölkerung viel Kraft und viel Mut. Es ist möglich, einen neuen Weg zu beginnen und den Kampf für eine bessere Zukunft zu stärken".
txt: RP
foto: PCP