06.12.2013: Auf ihrer Bundeswahlversammlung Ende Oktober hat die DKP zwar die Kandidatinnen und Kandidaten für die Europa-Wahl am 25. Mai 2014 gewählt, das Wahlprogramm soll aber erst durch den Parteivorstand im Januar 2014 beschlossen werden. Zu dem vom stellvertretenden Parteivorsitzenden, Hans-Peter Brenner, vorgelegte Entwurf gibt es in der UZ vom 6.12.2013 zwei Diskussionsbeiträge, von Willi Gerns und von Georg Polikeit, der seinen Beitrag auch kommunisten.de zur Verfügung gestellt hat.
Kritische Anmerkungen zum EU-Wahlprogramm
Der zur Diskussion gestellte Entwurf für das Wahlprogramm der DKP zur EU-Wahl 2014 wirft Fragen auf, bei denen es nicht nur um einzelne Formulierungen geht. Es wäre dringend nötig und im Sinne innerparteilicher Demokratie geboten gewesen, das Für und Wider einer Eigenkandidatur der DKP in einer umfassenden Parteidiskussion gründlich zu erörtern. Das ist nicht geschehen. Was erwarten sich die Befürworter eigentlich als konkretes politisches Ergebnis von dieser Kandidatur?
Angesicht der weiteren Verschärfung der sozialreaktionären und demokratiefeindlichen Politik der Herrschenden im Zeichen der Krise und dem beabsichtigten weiteren Ausbau der Befugnisse er EU-Zentralen gegenüber den Mitgliedsstaaten wäre es meiner Ansicht richtiger gewesen, den Gedanken der Zusammenführung und Bündelung der linken und demokratischen Kräfte auch in diesem Wahlkampf in den Vordergrund zu stellen. Also wie bei der zurückliegenden Bundestagswahl auch bei der EU-Wahl zur Wahl der Linkspartei aufzurufen. Nicht zuletzt, um damit auch zur wünschenswerten Verstärkung der Linksfraktion im EU-Parlament als der konsequentesten Oppositionskraft in diesem Gremium beizutragen.
Mein Hauptkritikpunkt an dem vorliegenden Entwurf ist, dass er sich im Kern auf die Parole "Nein zu dieser EU" beschränkt. Da wird in ausufernder Breite auf mehr als sieben Seiten zwölf Mal in Zwischenüberschriften das "Nein zu dieser EU" hervorgehoben, um dann auf knappen zwei Seiten etwas zu "unseren Antworten – unseren Zielen" zu sagen.
Das ist eine Gewichtung, die sich von der DKP-Wahlplattform zur EU-Wahl 2009 deutlich unterscheidet. Es stimmt nicht, dass der jetzige Entwurf "in der Tradition der bisherigen Wahlprogramme" der DKP steht, wie Hans Peter Brenner im Referat auf der 4. PV-Tagung sagte. Und diese Nein-Zentrierung wird auch dadurch nicht wesentlich gemildert, dass gegenüber den Vorentwürfen nun im Titel ein "Ja zum Europa der Solidarität und des Widerstands" und eine andere Einleitung vorangestellt wurden.
Steckt hinter dieser Gewichtung die Überlegung, wir könnten damit an der stärker gewordenen Anti-EU-Stimmung in manchen bürgerlichen und kleinbürgerlichen Kreisen anknüpfen und der AfD beim "Nein zur EU" Konkurrenz machen? Dann wäre das eine Fehlspekulation. Die Anti-EU-Stimmung derjenigen, die den rechtspopulistischen Demagogen auf den Leim gehen, ist mit ausländerfeindlichen und rassistischen Ressentiments vermengt. Das lässt sich nicht einfach 'nach links umlenken'.
Welche Vorstellungen für eine alternative Politik zur heutigen EU werden in dem Text entwickelt? Auf den knappen zwei Seiten dazu heißt es: "Eine soziale, ökologische und demokratische Umgestaltung in Europa setzt einen revolutionären Bruch mit den kapitalistischen Fundamenten der EU und einen Bruch mit den bisherigen Machtstrukturen des Groß- und Finanzkapitals und seiner Machtapparate voraus ... Ein anderes Europa braucht mit anderen Worten als Voraussetzung eine antimonopolitische und – in der Perspektive – sozialistische Umwälzung".
Leider steht dies nun aber in nächster Zeit nicht in Aussicht. Dafür wären ganz andere Kräfteverhältnisse nötig. Es ist gut, dass nicht die kurzschlüssige Parole "Raus aus der EU" abgeleitet worden ist. Die Alternative zur EU kann auf keinen Fall eine Rückkehr zu den Nationalstaaten sein, wenn damit nicht gleichzeitig eine erhebliche Veränderung der inneren Kräfte- und Machtverhältnisse nach links verbunden ist.
Offen bleibt in dem Entwurf aber, für welche Ziele und Forderungen wir in der Zwischenzeit kämpfen, so lange Kapitalismus und EU noch fortbestehen.
Es stimmt übrigens nicht, dass ein 'anderes Europa' nur nach einer sozialistischen Umwälzung entstehen kann. Auch im Rahmen eines kapitalistischen Europa könnten soziale, demokratische, ökologische oder andere gesellschaftspolitische Reformforderungen durchgesetzt werden, die die Lebensverhältnisse und Kampfbedingungen der arbeitenden Menschen verbessern, wenn sich dafür die erforderlichen Kräfteverhältnisse herausbilden. Die Durchsetzung solcher Forderungen und Reformen im Sinne realer sozialer und demokratischer Fortschritte könnte im Unterschied zur heutigen EU sehr wohl zu einem stärker sozial und ökologisch ausgerichteten, friedensorientierten 'anderen Europa' führen, auch wenn die Fundamente des kapitalistischen Systems damit noch nicht überwunden sind. Nach allen Erfahrungen werden sich aber erst in Kämpfen um solche Forderungen für soziale und demokratische Fortschritte die Bewegungen und Kräfte herausbilden, die dann auch für weitergehende Ziele wirksam werden können.
Wieso verzichten wir darauf, den Aufruf zu einem "Europa der Solidarität und des Widerstands" mit solchen konkreten sozialpolitischen und demokratischen Forderungen zu verbinden? Zum Beispiel der Forderung nach einem EU-weiten gesetzlichen Mindestlohn. Oder nach Einführung einer EU-weit verbindlichen 'Jugendgarantie', wonach die Staaten verpflichtet sind, jedem arbeitslosen Jugendlichen innerhalb von drei Monaten einen Arbeitsplatz zu garantieren. Oder der Forderung nach dem Rückzug aller Truppen aus EU-Auslandseinsätzen und die Auflösung der EU-Militärstrukturen.
Der Wahlprogrammentwurf lässt solche in den Gewerkschaften und EU kritischen Bewegungen schon entwickelte Forderungen links liegen. Stattdessen wird offenbar Wert darauf gelegt, vor allem das zu betonen, worin sich die DKP von allen anderen linken und demokratischen Kräften unterscheidet.
In unserem Parteiprogramm ist die Gewichtung anders. Da heißt es: "In der vor uns liegenden Etappe kommt es darauf an, gesellschaftliche Kräfte weit über die Linke hinaus (!) im Widerstand gegen die neoliberale Politik zu bündeln". Dabei entstehende Allianzen verschiedener sozialer und gesellschaftlicher Kräfte seien die Voraussetzung, damit "die gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse so verändert werden, dass der Kampf um gesellschaftliche Alternativen eine reale Perspektive bekommt".
Sollte diese strategische Orientierung nicht auch für den EU-Wahlkampf gelten?
Georg Polikeit
Dieser Beitrag erschein auch in der UZ vom 6.12.2013