13.06.2015: Auf der 12. PV-Tagung vom 14./15.Marz 2015 hat der PV mit Mehrheit einen Antrag an den Parteitag im November dieses Jahres beschlossen, in dem die Beendigung des Beobachterstatus in der Partei der Europäischen Linken gefordert wird. Anträge, die den Status beibehalten wollten bzw. eine Vollmitgliedschaft forderten, wurden abgelehnt.
Georg Polikeit hat sich in einem Leserbrief an die UZ für die Vollmitgliedschaft ausgesprochen, was wiederum zu empörten Leserbriefen führte. Um die weitere Diskussion zu versachlichen, hat Georg Polikeit einige Fakten zur Europäischen Linkpartei zusammegestellt. Zur Begründung schreibt er:
Liebe Genossinnen und Genossen,
der bisherige Verlauf der Diskussion um den Austritt unserer Partei aus der ELP (Aufgabe des Beobachterstatus), soweit sie sich in der UZ widerspiegelte, hat mich veranlaßt, das im Anhang verschickte Faktenmaterial zusammenzustellen. Natürlich wünsche ich mir dessen möglichst weite Verbreitung, nicht zuletzt, weil ich bei Kenntnisnahme einiger Texte (einschließlich des Wortlauts des Antrags des PV an den Parteitag) den Eindruck gewonnen habe, daß es da manchmal einfach an Sachkenntnis zu mangeln scheint und frisch und fröhlich an der Wirklichkeit vorbei argumentiert wird. Nun kann man natürlich immer nach der Devise leben, daß ich mir die Realität so zurecht biege, wie sie mir in mein vorgefaßtes Konzept paßt. Leider haben wir das in der Vergangenheit durchaus häufiger praktiziert, gut bekommen ist es uns nicht. Sicher lassen sich Einwände und Kritik gegen die ELP formulieren, aber diese sollten wenigstens von einem Mindestmaß an realer Faktenkenntnis ausgehen und nicht einfach Behauptungen aus dritter Quelle übernehmen, ohne sie nachgeprüft zu haben und genau Bescheid zu wissen.
Ich habe in dem angehängten Material bewußt auf die Darstellung eigener Meinungen verzichtet und mich an die reine Tatsachenwidergabe gehalten. Ich möchte aber hier doch mindestens die folgenden Punkte auflisten, die sich meiner Meinung nach daraus ergeben:
- Weder nach der realen Zusammensetzung der heutigen Mitgliedsorganisationen noch nach den Bestimmungen ihres Statuts kann der Bündnischarakter der ELP ernsthaft in Zweifel gezogen werden. Bündnisse in Parteiform waren früher und sind auch heute in der Politik durchaus gängig. Der Satz: "Die ELP ist keine Bündnisorganisation, sondern eine Partei" ist eine polemische Aufbauschung eines Gegensatzes, den des in Wirklichkeit nicht gibt, und deshalb Realitätsverweigerung.
- Für die Behauptung, die ELP anerkenne die derzeitige Struktur der EU, findet sich weder in den grundlegenden Dokumenten der ELP (Programm, Statut) noch sonst in ihren beschlossenen Texten irgendein Beleg. Es entspricht nicht den Tatsachen, daß die ELP die derzeitige EU, eine supranationale Konstruktion imperialistischer und imperialistischer Vorherrschaft unterworfener Staaten, bejaht oder sie "anerkennt" oder sich ihren politischen Orientierungen und Entscheidungen unterwirft. (Ich wäre bereit, mich durch konkrete Belege vom Gegenteil überzeugen zu lassen, wenn mir jemand solche Belege zeigen könnte).
- Natürlich ist die ELP keine Vereinigung von marxistisch orientierten kommunistischen und Arbeiterparteien, die vom Klassenstandpunkt ausgehen, sondern eben ein Bündnis von kommunistischen mit anderen linken Parteien und Organisationen. Aber wer ihre Grunddokumente und kollektiv gefaßten Beschlüsse zur Kenntnis nimmt, kann nicht bestreiten, daß es zu ihren vereinbarten Grundprinzipien gehört, die heutige neoliberale, an den Konzern- und Bankkapitalinteressen ausgerichtete Orientierung der EU-Politik zu bekämpfen, daß sie eine deutlich wahrnehmbare antiimperialistische und antikapitalistische Haltung einnimmt, die an den Traditionen und am Konsens kommunistischer, sozialistischer, ökologischer, feministischer, friedensorientierter und anderer linker und demokratischer Bewegungen in Vergangenheit und Gegenwart anknüpft
- Ich kenne keine Belege dafür, daß die ELP in ihren Beschlüssen antikommunistische Positionen zu Fragen der Vergangenheit und Gegenwart eingenommen und einer "Schutzverantwortung" im Sinne des "Menschenrechtsimperialismus" das Wort geredet hätte. Es ist angesichts der politischen Breite und des Bündnischarakters der ELP durchaus möglich, daß in einzelnen Mitgliedsorganisationen derartige Standpunkte vorhanden sind. Aber offizielle Politik der ELP als Ganzes ist es nicht (Antikommunismus mehr oder weniger offener Art spielt übrigens in Bündnissen fast immer eine Rolle, auf europäischer wie auf nationaler und sogar auf lokaler Ebene, und wenn dies zu einem Grund gemacht wird, von einem Bündnis Abstand zu nehmen, müssen wir wohl generell auf Bündnisorientierung verzichten)
- Die ELP befürwortet eine "Neugründung Europas" (nicht "der EU"), was, wie es in ihrem Aufruf zu den EU-Wahlen 2014 heißt, bedeutet, daß sie "für eine neue Definition seiner Ziele, Politik und Strukturen, für ein ganz anderes wirtschaftliches, produktives, soziales und ökologisches Modell" eintritt. Das beinhaltet logischerweise, daß die ELP nicht für die Fortsetzung der EU, auch nicht in modifizierter Form, ist, und daß sie die gegenwärtigen Vertragsgrundlagen und Strukturen der EU (Verträge von Lissabon) durch andere, neue ersetzen will, also eine völlig andere Art der Zusammenarbeit und Vereinigung europäischer Staaten anstrebt, bei der die Volksinteressen Ausgangspunkt und Ziel sind. (Kooperation auf europäischer Ebene, auch mit bestimmten Organisationsstrukturen, ist nicht an sich etwas Schlechtes; es kommt darauf an, welche Inhalte das hat und welche Kräfte darüber entscheiden – siehe die Herausbildung supranationaler Kooperationsstrukturen in Lateinamerika unter Beteiligung Kubas).
- De facto entspricht die ELP ihrem Charakter und ihren politischen Grundlagen auf europäischer Ebene genau dem, was im DKP-Parteiprogramm als "Bündelung linker und demokratischer Kräfte zum Widerstand gegen die neoliberale Politik" und als "Allianzen verschiedener sozialer und gesellschaftlicher Kräfte zur Veränderung der bestehenden gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse" bezeichnet wird. Wer nicht übersieht, daß Klassenkampf und Kampf um Alternativen mit der Herausbildung der EU, ob man will oder nicht, nicht mehr ausschließlich im Rahmen von kapitalistischen/imperialistischen Nationalstaaten stattfindet, sondern zwangsläufig auch eine "europäische Ebene" bekommen hat, kann nicht übersehen, daß die ELP zumindest der Ansatz eines Instrumentes dafür ist.
- Es ist falsch, die Existenz der ELP für das Bestehen von politischen und ideologischen Meinungsverschiedenheiten und für die "Spaltung" unter den Kommunisten Europas verantwortlich zu machen. Die Meinungsverschiedenheiten unter den europäischen kommunistischen Parteien umfassen weitaus mehr Themen, wie die beiden letzten internationalen Treffen der kommunistischen und Arbeiterparteien in Portugal und Ecuador sichtbar gemacht haben. Es handelt sich zum großen Teil um tiefgehende strategische Meinungsverschiedenheiten über die unter den heutigen Bedingungen zu befolgenden Orientierungen und über die aus der Niederlage von 1989/90 zu ziehenden Schlußfolgerungen. Dafür verantwortlich sind allein die jeweiligen KPs. Die ELP ist dabei bestenfalls eine "Nebenfrage", an der diese Differenzen auch zu Tage treten.
- Was die "Finanzierung der ELP durch die EU" angeht, ist es nicht richtig zu behaupten, daß diese Finanzierung mit politischen Bedingungen verbunden sei, die für kommunistische Parteien nicht annehmbar wären. Im Wesentlichen entspricht das von der EU 2004 beschlossene System der Parteienfinanzierung den Parteifinanzierungssystemen, die es in vielen kapitalistischen Staaten einschließlich der BRD gibt. Natürlich kann man den Standpunkt einnehmen, daß wir das Geld, das die EU in ihrem Haushalt jährlich für die Finanzierung von Parteien bereitstellt, lieber den restlichen Parteien von konservativer ELP bis Sozialdemokratie, Liberalen und Grünen überlassen sollten, obwohl auch wir nach den EU-eigenen Vorschriften darauf Anspruzch hätten.. Aber ich würde das für einen ziemlich merkwürdigen und lebensfremden "Klassenstandpunkt" ansehen. Es stimmt nicht, daß die ELP, um diese Finanzierung zu bekommen, untragbare politischen Konzessionen an die derzeitige EU-Politik machen oder sich deren politischen Entscheidungen gegenüber "freundlich" verhalten muß. Wie aus der in dem Material dargestellten EU-Regelung hervorgeht, entscheidet nicht die EU-Kommission oder der EU-Ministerrat darüber, wer Geld bekommt, sondern das EU-Parlament, und das ist dabei an die in dem Text zitierten "Voraussetzungen" gebunden. Dazu gehört, daß eine Partei, die EU-Geld bekommen will, "in ihrem Programm und ihrer Tätigkeit die Grundsätze, auf denen die Europäische Union beruht", beachten muß, und welche Grundsätze das sind, wird noch im gleichen Satz aufgezählt, nämlich "die Grundsätze der Freiheit, Demokratie, der Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie der Rechtsstaatlichkeit". Ich wüßte nicht, warum kommunistische Parteien diesen Grundsätzen nicht zustimmen könnten (wie sehr sie auch immer von der EU-Politik selbst mißachtet werden).
Georg Polikeit