Stellungnahme von Rainer Dörrenbecher
23.07.2015: News.dkp hat am 15. Juli einen „Leitartikel der Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek von Uli Brockmeyer“ veröffentlicht: „Heuchelei auf höchstem Niveau“. Die Veröffentlichung dieses Kommentars auf der Internetseite des Parteivorstandes der DKP veranlasst mich zu einer Erwiderung.
Da wäre zunächst die Sprache des Artikels. Diese ist geprägt von tiefer Ablehnung der griechischen Partei Syriza, deren politischer Programmatik und somit der von Syriza geführten Regierung und des Ministerpräsidenten Tsipras. Diese Ablehnung verwehrt dem Autor eine marxistische politische Auseinandersetzung. Das Handeln von Tsipras und der Regierungsmehrheit als „besonders pervers“ zu bezeichnen, ist nur noch reine Diffamierung; es geht nicht mehr um die Darstellung und Kommentierung von Widersprüchlichem.
„Marxisten wissen, dass“ es im …„Kapitalismus keine wahre Demokratie geben kann. Den Beweis dafür lieferten wiederum »die Griechen« - in diesem Fall die Syriza/Anel-Regierung …“ Nach der Darstellung des Autors hat die griechische Regierung das NEIN der Volksabstimmung in ein „JA zu weiteren Kürzungsplänen umdefiniert“. Das Hauptproblem ist demnach nicht das Finanzkapital, handelnd durch IWF, Euro-Zentralbank, EU-Kommission und im Neoliberalismus festsitzende Regierungen - das Hauptproblem ist Syriza mit nichtrevolutionären Alternativen zum Neoliberalismus. In dem ganzen Artikel gibt es auch kein „Finanzkapital“; es gibt nur die „Gläubiger“, ohne „“. Das sagen auch Frau Merkel und die Herren Junkers und Bettel u.a.
Der Druck auf die Regierung bis zum Staatsbankrott spielt keine Rolle. Selbst einige bürgerliche Kommentatoren sprechen von einem „Staatsstreich“ – und genau dieser Vorwurf ist tagelang von den Leitmedien in Deutschland vehement zurückgewiesen worden. Zu offensichtlich ist für kritische Zeitgenoss/Innen die Wahrheit.
Der Autor unterstellt, Tsipras habe der Troika angeboten, dass er „sogar noch weiter gehen will, als die konservative Vorgängerregierung zu gehen bereit war.“ Damit wird die Wahrheit auf den Kopf gestellt. In jeder bürgerlichen Gazette ist zu lesen, dass die Troika die Bedingungen gegenüber der letzten Verhandlung verschärfte. Hier wird das Opfer zum Täter umfunktioniert.
Die Regierung Tsipras hat versucht eine nicht neoliberale Lösung der Finanzkrise in Griechenland zu erreichen – das ist gescheitert. Das Kräfteverhältnis zwischen dem Finanzkapital in Europa, den politischen Institutionen und den antineoliberalen Kräften ist für derartige Erfolge nicht ausreichend. Die Bekämpfung von Syriza durch die KPGriechenlands nutzte objektiv dem Finanzkapital. Und politische Häme über das Scheitern nutz nirgendwo den Schaffenden – auch nur dem Finanzkapital.
Der Autor befürwortet indirekt den Ausstieg aus „der EU, der Organisation, die sich die Wahrung und Mehrung der Profite der Banken und Konzerne auf die Fahnen geschrieben hat“. Und dann, regiert dann in Griechenland das Volk? Oder herrscht weiterhin das gleiche Finanz- und Großkapital?
Tsipras und Syriza hatten Illusionen in die Bereitschaft des Finanzkapitals vom harten Kurs der Austerität abzuweichen? – Ja, das hatten sie offensichtlich. Teile der europäischen Linken hatten die gleichen Illusionen? – Ja, das hatten sie vielleicht auch. Die europäische Linke hatte Illusionen in die eigene Kraft? Ja, das hatte sie. Und was sie nicht hatte, war eine wirkungsvolle Strategie zur Unterstützung des griechischen Widerstandes gegen die Austeritätspolitik. Und es fehlte eine einheitliche Solidarität der kommunistischen Kräfte.
Wo waren die Initiativen für mehr Druck auf die nationalen Regierungen? Auch wenn unsere Kräfte eher bescheiden sind. Das sehe ich auch als meine Verantwortung als Mitglied und Funktionsträger der DKP!
Notwendig wäre jetzt eine Aufarbeitung dieser Niederlage, um eine Wiederholung zu vermeiden.
Die Weiterverbreitung dieses fragwürdigen Kommentars auf news.dkp wirft Fragen auf. Entspricht dieser Artikel dem „politischen“ Bewusstsein des Redakteurs von news.dkp und weiterer Führungskräfte der DKP? Bisherige Veröffentlichungen, Stellungnahmen von Vertretern der DKP-Führung und Erklärungen geben auch Antworten. Da waren die Veröffentlichung des maoistischen im atomkriegsrevolutions alpträumenden Artikels der KAZ-Fraktion in der DKP im Sept. 2014, der Rat des stellvertretenden DKP-Vorsitzenden, Gen. H.-P. Brenner, Stalin zu lesen und weitere Wiederbelebungsschritte des Stalinismus, einschließlich der Umwandlung der DKP in eine „marxistisch-leninistische Partei“ stalinscher Prägung und der schrittweisen Entsorgung der eigenständigen DKP Programmatik.
Rainer Dörrenbecher, Mitglied der DKP-Saarland, Bezirkssekretariat