21. Parteitag der DKP: Was ist nötig? - Wohin geht die DKP ?

E-Mail Drucken

14.11.2015: Heute hat in Frankfurt/Main der 21. Parteitag der DKP begonnen. 5 Mitglieder des Parteivorstandes haben sich mit folgender Erklärung an die Delegierten des Parteitages gewendet:

Der 21. Parteitag der DKP soll nach dem Willen der Mehrheit des Parteivorstandes eine Richtungsentscheidung über die Politik der DKP treffen.

Wird den Anträgen des Parteivorstandes, nämlich dem Leitantrag,  dem Antrag zur Handlungsorientierung  und dem  Austritt aus der Europäischen Linken gefolgt, bedeutet dies aus unserer Sicht, dass die DKP nicht den Herausforderungen  unserer Zeit an ihre  Politikentwicklung und ihre  Politikfähigkeit  gerecht wird, mit Grundaussagen unseres geltenden Parteiprogramms  bricht.

Dies machen wir an folgenden Punkten fest:

1.

Die Weltordnung ist nicht in der Lage, die Grundbedürfnisse der Mensch nach Ernährung, Gesundheit, Bildung, soziales Auskommen, kulturelle und humanistische Lebensweise zu gewährleisten. 800 Millionen Menschen hungern, 60 Millionen sind auf der Flucht vor Hunger, Elend und Verfolgung. Nur ein Teil der Menschheit hat ein relativ gesichertes Auskommen. Zukunftsunsicherheit, Ängste vor Katastrophen, Verfolgungen und die Missachtung elementarer Menschenwürde sind in allen Kontinenten dieser Erde, mal weniger und mal mehr, zu finden. Das Großkapital, transnational organisiert und agierend, dominiert die Weltordnung. Profit ist vor allem der Maßstab zur Gestaltung der Verhältnisse. Die Bundesrepublik Deutschland ist aktuell einer der Nutznießer dieses Systems und zugleich als Verursacher hauptverantwortlich für Kriege, Unterentwicklung, Flüchtlingselend und diktatorischer Gewalt in vielen Regionen der Erde. Das Land, in dem wir leben und politisch kämpfen, ist die Schaltstelle der Kapitalmacht in Europa.

Die Veränderung des Kräfteverhältnisses in diesem Land zugunsten der Interesses der Mehrheit der Menschen, die hier leben, und jener, die unter den bisherigen Machtverhältnissen weltweit und auch in Europa leiden, ist die zentrale Herausforderung für kommunistische Politik im Bündnis mit allen Teilen der Bevölkerung, soweit sie für punktuelle oder umfassende progressive Lösungen eintreten.

Daher sind und bleiben die programmatischen Ziele nach einer Wende zu sozialem und demokratischem Fortschritt, zu antimonopolistischen Forderungen, und die Verbindung dieser Politik zu unseren Sozialismusvorstellungen unabdingbare Grundlage.

Ohne Kampf um fortschrittliche Reformen, ohne Übergangsformen als Schritte zur Öffnung des Weges zu Sozialismus ist unser Ziel einer kommunistischen Weltordnung nicht denkbar. Wir werden gesellschaftlichen Fortschritt nur mit der Mehrheit der Bevölkerung erreichen. Werben für Standpunkte, die Fähigkeit zu demokratischer Diskussion und Meinungsbildung, die Fähigkeit zu Kritik und Selbstkritik sind Voraussetzungen, um gemeinsame politische Ziele zu formulieren und solidarisch zu kämpfen.

Die Politik des Parteivorstandes, die neue Linie geht in die entgegengesetzte Richtung. An die Stelle des gemeinsamen Handelns aller fortschrittlichen Kräfte in unserem Land und europaweit tritt unter dem Vorwurf des Reformismus  die Auseinandersetzung mit anderen politischen Kräften  der Arbeiterbewegung. Deutlich wird dies insbesondere an der Haltung zum Ausbruchsversuch Griechenlands  aus dem Diktat der Troika. Entlarvung angeblich sozialdemokratischer Positionen statt solidarischer Unterstützung gerade in unserem Land kennzeichnet die Politik des Parteivorstandes. Die DKP ist ihrer Aufgabe, die Bewegung in unserem Land gegen Merkel und Schäuble, gegen die Interessen der Konzerne zu stärken, nicht gerecht geworden. Sie hat versagt.

Der Antrag des Parteivorstandes, aus der EL auszutreten, ist Ausdruck  dieser politischen Linie: Statt Gemeinsamkeiten in den Vordergrund zu stellen, eigene Positionen in die Diskussion und Aktion einzubringen, gemeinsam Erfahrungen zu machen, daraus zu lernen, tritt Überheblichkeit und Abgrenzung.

Die Veränderung des gesellschaftlichen Kräfteverhältnisses heute ist notwendige Voraussetzung  für grundlegende gesellschaftliche Veränderungen in der Zukunft. Positionen in unserer Partei gewinnen zunehmend an Einfluss, die die strategische Linie unserer Programmatik, nämlich den Kampf um die Wende zu demokratischen und sozialem  Fortschritt, um mögliche Übergangsformen z.B eine antimonopolistische Demokratie als Voraussetzung für den Sozialismus,  verlassen.

Überzeugende Sozialismusvorstellungen können nur auf einer differenzierten Sicht auf den realen Sozialismus aufbauen und müssen aus den heutigen Anforderungen entwickelt werden. Die wissenschaftlich-technische Revolution, die weitere Entwicklung der Informations- und Kommunikationstechnik mit ihren ungeheuren destruktiven Gefahren erzwingt antimonopolitische Veränderungen und letztlich sozialistische Produktionsverhältnisse. Sie liefert zugleich Grundlagen für eine effektive gesellschaftliche Planung.

Wer die Orientierung auf die Durchsetzung einer progressiven Politik  heute aufgibt, verlässt das Parteiprogramm und die gesamte bisherige Programmatik der DKP. Wer den ideologischen Kampf gegen den Reformismus höher gewichtet als den Kampf gegen den Klassengegner und  die Aktionseinheit- und Bündnispolitik, die praktische Zusammenarbeit mit reformorientierten Kräften missachtet, der negiert grundlegende Erfahrungen der kommunistischen Bewegung unseres Landes. Genossinnen und Genossen, die in Betrieben und Bewegungen aktiv sind, fühlen sich immer weniger durch die Politik des Parteivorstandes  repräsentiert und unterstützt und drohen zu resignieren. Diese Entwicklung gefährdet die Politik- und Zukunftsfähigkeit unserer Partei.

2.

Im Leitantrag zum 21.Parteitag wird die DKP als marxistisch-leninistische Partei definiert.

Auf der theoretischen Konferenz am 21.2.2015 in Hannover hat Patrik Köbele geäußert, dass der 21. Parteitag nach 25 Jahren Debatte jetzt in mindestens vier Punkten zur Entscheidung kommen könne: DKP ist eine "marxistisch-leninistische" Partei; Politische Macht als Diktatur des Proletariats; Hegemonie der Kommunisten in der Arbeiterklasse als Voraussetzung für Revolution und Sozialismus; Demokratischer Zentralismus als das Organisationsverständnis der DKP

Unser Parteiprogramm von 2006 beinhaltet eine Zwischenbilanz der kritischen Aufarbeitung der Erfahrungen des realen Sozialismus und der Ursachen seiner Niederlage. Die massiven Verletzungen des humanistischen Wesens des Sozialismus werden darin verurteilt.

Versuche, diese Aussagen zu revidieren oder Stalin kritiklos als Theoretiker wiederzuentdecken stellen eine Revision des Programms dar.

Dort heißt es:


“... Die DKP orientiert sich an den Ideen von Marx, Engels und Lenin...“ (DKP-Programm)

„... Als marxistische Partei mit revolutionärer Zielsetzung orientiert sich die DKP an den Erkenntnissen des wissenschaftlichen Sozialismus, deren Weiterentwicklung sie fördert...“ (Statut der DKP).

Aus gutem Grund hat die DKP mit dem Parteiprogramm von 2006 darauf verzichtet, den Marxismus-Leninismus als ihre weltanschauliche Grundlage zu bezeichnen, weil dieser Begriff eng verbunden ist mit der Missachtung sozialistischer Rechtsstaatlichkeit, mit Repression, Massenverfolgung und Verbrechen. Auf der 12. PV-Tagung wurde im Referat von Hans Peter Brenner Stalin als Kronzeuge für den marxistisch-leninistischen Charakter der Kommunistischen Partei aufgerufen. Eben deshalb lehnen wir diesen Begriff für unser Selbstverständnis ab.

Wer zum stalinschen Verständnis des Marxismus-Leninismus zurückkehren will, verlässt Parteiprogramm und Statut.

An einer Rückkehr zu diesem marxistisch-leninistischen Parteiverständnis werden wir nicht teilnehmen.

Wir sehen, dass  die  Parteiführung zunehmend autoritäre Herangehensweisen   gegenüber  Gliederungen unserer Partei, Genossinnen und Genossen entwickelt.

Genossinnen und Genossen sind keine Parteisoldaten oder Befehlsempfänger, die nur auf die Weisungen der Zentrale warten. Sie bringen sich als überzeugte Kommunistinnen und Kommunisten eigenständig, mit ihrer eigenen Persönlichkeit in die Kämpfe der Zeit ein und erwarten ein Höchstmaß an Einflussmöglichkeiten auf die Politik der DKP und demokratischer Beteiligung als Grundlage für gemeinsames Handeln.

Unser Statut benennt die solidarische Diskussion und die Erarbeitung von Übereinstimmung als Voraussetzungen für ein einheitliches Handeln der Partei. Wer den Schwerpunkt auf den Zentralismus setzt, geht hinter das Programm zurück.  Er missachtet die sehr verschiedenen Lebenswelten und Erfahrungen der Mitglieder und den heute verstärkten Wunsch nach einem selbstbestimmten Leben. Heute kann nur eine Partei mit lebendiger demokratischer Kultur anziehend wirken, zukunfts- und politikfähig sein.

Die DKP ist in ihrer bisherigen politischen und organisatorischen Existenz bedroht.

Austritte auch wichtiger Betriebs- und Gewerkschaftsfunktionäre unterstreichen dies. In einigen Bezirksorganisationen gibt es mehrheitliche Ablehnungen der Politik und Praxis des PV.

Der Mitgliederrückgang kann sich bei einem massiven Vorgehen der PV- Mehrheit beschleunigen.Der politische Substanzverlust kann die DKP weiter isolieren und unser Ansehen in Bewegungen herabsetzen.

Die Mitglieder des Parteivorstandes:

Detlef Fricke, Uwe Fritsch, Bettina Jürgensen, Leo Mayer, Volker Metzroth