Bezirksmitgliederversammlung der DKP Bezirk Rheinland-Pfalz - Halbwegs missglückte Übernahme

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19.07.2017: Selten prallten die politischen und ideologischen Gegensätze im Bezirk Rheinland-Pfalz der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) derart aufeinander wie anlässlich der außerordentlichen Bezirksmitgliederversammlung am 16. Juli 2017 in Idar-Oberstein. Bereits im Vorfeld dieser Konferenz entzündete sich eine Kontroverse, welche eine Mail der Gruppe Mainz vom 8. Juni an den Bezirksvorstand auslöste. Darin wurde mit „Blick auf die Tragweite der zu treffenden Entscheidungen“ die Notwendigkeit einer außerordentlichen Bezirksmitgliederversammlung schon deshalb bezweifelt, weil der Bezirksvorstand diese auf seiner Sitzung am 14. Mai mehrheitlich beschlossen hatte, obwohl der Termin „mitten in den rheinland-pfälzischen Sommerferien“ liegen sollte. Der SprecherInnenkreis des Bezirksvorstands stellte richtig, dass die Gruppe Mainz „durch ihren Vertreter sowohl an der Diskussion als auch an diesem Beschluss aktiv beteiligt“ gewesen sei, weshalb er gebeten werde, die Mainzer GenossInnen „darüber zu informieren und nicht im Unklaren zu lassen“.

Sicher unabhängig vom derart merkwürdigen „Vorspiel“ entzündete sich auf der außerordentlichen Bezirksmitgliederversammlung der Streit erwartungsgemäß und daher in gewisser Weise „planmäßig“ an Passagen des einleitenden Referats des Bezirkssprechers Volker Metzroth beispielsweise zur Beteiligung der DKP in diesem und in früheren Jahren an der Blockade des Militärstützpunktes Büchel/Eifel, dem Beschluss des DKP-Parteivorstands zur Auflösung des Bezirks Südbayern, des zum nächsten Parteitag von diesem betriebenen Unvereinbarkeitsbeschlusses gegenüber dem „Netzwerk kommunistische Politik“, der persönlichen Diffamierung bekannter DKP-Funktionäre aus Rheinland-Pfalz und der augenscheinlichen Erwartung an den Bezirksvorstand und seine SprecherInnen, „dass sie ihre Arbeit in den Gewerkschaften, in Bündnissen, Verbänden und Vereinen einstellen und ihre Gruppen nicht mehr als lokale Akteure in ihrem Umfeld verstehen, sondern als Verschiebemasse, immer bereit, heute hier, morgen da anzutreten“. In der kontroversen, aber bis auf wenige Spitzen einigermaßen sachlichen Diskussion gab es 16 Wortmeldungen, unter anderen sprach auch Axel Koppey für den DKP-Parteivorstand ein Grußwort.

Umstritten waren ebenfalls die vorgelegten, nach heftiger Debatte mehrheitlich dennoch angenommenen Anträge rheinland-pfälzischer DKP-Gruppen zum Wahlaufruf für die Partei DIE LINKE bei der Bundestagswahl im September dieses Jahres (beschlossen mit 18:14 Stimmen) sowie zu einer Protesterklärung gegen die benannte Entscheidung des Parteivorstands zur Auflösung des Bezirks Südbayern und den geplanten Unvereinbarkeitsbeschluss mit dem „Netzwerk kommunistische Politik“ / beschlossen mit 17:15 Stimmen). Weniger problematisch erwiesen sich Anträge zu einer Strategiediskussion im Bezirk Rheinland-Pfalz der DKP auf der Basis des erst Ende Juli als Entwurf vom Parteivorstand zu beratenden Leitantrags für den 22. Parteitag der DKP, obwohl dieser bei der Abstimmung offensichtlich keinem der anwesenden Mitglieder inhaltlich bekannt gewesen sein durfte. Dadurch entstand der Eindruck, dass nicht nur die Antragsteller, sondern auch die Mehrheit auf der Bezirksmitgliederversammlung etwas „blind“ auf die politische Qualität und ideologische Klarheit des Parteivorstandes bei seiner noch zu leistenden Vorarbeit vertraute.

Kaum Widerspruch kam beim Beschluss zur politischen Vorbereitung einer Veranstaltung zum 200. Geburtstag von Karl Marx am 5. Mai nächsten Jahres und zum 50-jährigen Jubiläum der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend (SDAJ) auf. Ebenfalls unstrittig war das beantragte bessere Vorbereiten der Beteiligung der DKP an den Protestaktionen „Büchel Atomwaffenfrei“ in den beiden kommenden Jahren. Allerdings fand sich keine Mehrheit, (selbst)kritisch darauf zu orientieren, dabei beispielsweise „zu vermeiden, dass zum dritten Mal hintereinander Aktionen in Büchel vom Parteivorstand ohne vorherige Absprachen terminiert werden“. Manche Mitglieder wollten augenscheinlich tunlichst jede berechtigte Kritik am DKP-Parteivorstand ausschließen. Das spricht für sich und gegen derart „antiquiertes“ Ansinnen und Verhalten innerhalb der Kommunistischen Partei mindestens seit 1989.

Die politischen Debatten legten das Fundament für die bei der Wahl der landesweiten Gremien zu treffenden Personalentscheidungen. Nach Statut und Tradition beschlossen die anwesenden KommunistInnen aus Rheinland-Pfalz mehrheitlich, dass nicht Vorsitzende/r und Stellvertreter/in, sondern ein SprecherInnenkreis gewählt werden solle. Bei der Abfrage nach Vorschlägen für geeignete KandidatInnen konnten Tom Klingenberg und Tobias Kriele, beide aus der Gruppe Mainz, ausfindig gemacht werden. Keine/r der bisherigen SprecherInnen – Silvia Schall, Eduard Bredin, Volker Metzroth und Horst Gobrecht – meldete ihre/seine erneute Kandidatur an. Es folgte das sprichwörtliche „Schweigen im Walde“. Beherzt wurde nach dem Warum gefragt, und die anwesenden drei (ehemaligen) FunktionärInnen (Eduard Bredin konnte aus beruflichen Gründen an der Bezirksmitgliederversammlung nicht teilnehmen) begründeten ihre Abstinenz zum Beispiel mit der politischen Entwicklung innerhalb der Partei seit dem 20. Parteitag, der von der Mehrheit des Parteivorstands favorisierten Umgestaltung der DKP zu einer längst überwundenen marxistisch-leninistischen Partei stalinscher Prägung auf der Basis eines Befehl-Gehorsam-Prinzips, den Repressionen gegenüber dem Bezirk Südbayern, dem vorbereiteten Unvereinbarkeitsbeschluss für jeglichen Kontakt zum oder alle Mitwirkung im „Netzwerk kommunistische Politik“, den erkennbaren persönlichen Ambitionen rheinland-pfälzischer GenossInnen, die (falsche) Politik des Parteivorstands und einzelner seiner Funktionäre blindlings zu übernehmen und zur Richtschnur eigenen Denkens und Handelns zu machen.

Darauf forderten manche Mitglieder eine „Auszeit“ für etwas, was es nach ihrem eigenen Bekunden und scheinbaren Selbstverständnis in der DKP nicht gibt oder bei Strafe des (künftigen) Ausschlusses auch nicht geben darf – eine „Fraktionssitzung“. Denn beraten wurde nicht, wie es wie „früher“ üblich war und auch in diesem Jahr einer Bezirksmitgliederversammlung sicher gut angestanden hätte, im gesamten Kreis aller anwesenden rheinland-pfälzischen Mitglieder. Die Aussprache über die „neue Situation“ fand unter Ausgrenzung der einen und Einbeziehen ausgewählter, möglicherweise auch „handverlesener“ GenossInnen eines engeren Zirkels besonders „vertrauenswürdiger“ Mitglieder statt. Diese gezielte Abgeschlossenheit und bewusste Fraktionierung endete mit der Beibehaltung der Kandidatur der bereits Vorgeschlagenen zum SprecherInnenkreis; darüber hinaus wurde Sebastian Skiba (Gruppe Landau) nominiert. Die geheime Abstimmung brachte Tom Klingenberg, Tobias Kriele und Sebastian Skiba ungefähr das gleiche Ergebnis: ein positives Votum von etwa drei Viertel der anwesenden rheinland-pfälzischen DKP-Mitglieder. Damit war die eventuell so nicht ganz geplante „Übernahme“ des Bezirks durch regionale FraktioniererInnen der Mehrheit des DKP-Parteivorstands halbwegs geglückt.

Die anschließend anstehende Wahl weiterer GenossInnen in den Bezirksvorstand wurde allerdings „Opfer“ der statutarisch verpflichtend festgelegten Quotierung nach Geschlechtern. Denn es fanden sich auch nach massiver Nachfrage lediglich drei (neue) Kandidaten, sich in das Leitungsgremium der DKP in Rheinland-Pfalz wählen zu lassen. Denn von den bis dahin im Bezirksvorstand vertretenen weiteren fünf GenossInnen lehnten alle außer Tobias Kriele, also insgesamt acht der neun FunktionärInnen eine erneute Kandidatur ab. Der vom Statut ermöglichte „Ausweg“ aus dem Dilemma, mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit der Bezirksmitgliederversammlung eine Abweichung von der satzungsmäßigen Quotierung beschließen zu können, scheiterte daran, dass dieses Quorum bei weitem nicht erreicht wurde. Jetzt zeigte sich eine wenig „schöpferische“, sondern äußerst fragwürdige Anwendung des Marxismus-Leninismus auf die innerparteiliche Demokratie: Ein Genosse empfahl, sich „unter der Hand“ darauf zu verständigen, die Quotierung zu ignorieren, damit die Wahlen fortgesetzt werden könnten. Es half ihm und anderen nichts – ausgenommen vielleicht beim Öffnen mancher verschlossenen Augen. Die Bezirksmitgliederversammlung musste die Fortsetzung der Wahl auf ihren zweiten Tag verlegen. Dafür trägt der (bislang) basisfreie Dreierkopf der SprecherInnen des Bezirksvorstands die organisatorische und politische Verantwortung. Er wird sich – dialektisch gesehen – nicht nur an seinen Worten (auch auf der Konferenz), sondern an seinen Taten messen lassen müssen.

Silvia Schall, Eduard Bredin, Volker Metzroth und Horst Gobrecht

19. Juli 2017