Die Pandemie verschärft die Krisenerscheinungen des Kapitalismus, der Kapitalismus verschärft die durch die Pandemie entstandenen Probleme

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Werner Hensel (nicht alles ist ausformuliert, es gilt das gesprochene Wort)

31. Januar

Fast ein Jahr "Corona-Krise" vergrößert die Ungleichheit in fast allen Bereichen, macht systembedingte Mängel deutlich.

Einige Beispiele für diese Thesen:

Mängel im Gesundheitswesen, welches auf Gewinn-Maximierung getrimmt wurde, werden deutlicher:

  • zu geringe Kapazitäten in (Intensiv-)Pflege, besonders personell
  • mangelnde sachliche Vorsorge - Schutzausrüstung war zu gering vorhanden, Maskenversorung . . .
  • Corona-Prämie - kam wegen mangelhafter Regeln nur bei einem Teil der Pflegekräfte an. Nur dank der kämpferischen Tarifrunde von ver.di hat sich die Bezahlung verbessert. Von einer angemessenen Bezahlung und von erträglichen Arbeitsbedingungen weit entfernt. Kein Anreiz für "Rückkehrer".
  • Krankenhaus-Schließungen - Das Bündnis Klinikrettung schrieb Ende 2020: "In Deutschland werden zum Jahresende zwanzig Krankenhäuser geschlossen sein, doppelt so viele wie im Durchschnitt der letzten Jahre. Betroffen sind im Corona-Jahr 2.144 Betten und circa 4.000 Stellen."

Bertelsmann-Stiftung und Co. verfolgen ihre Pläne weiter. Weiteren Krankenhäusern droht in 2021 die Schließung.

Impfungen:

Impfstoffe werden nach dem Marktprinzip verkauft. Wer viel zahlt, erhält viel. Als einen Grund für die gute Versorgung Israels mit dem Impfstoff nannte die Tagesschau, dass Israel 23 Euro pro Dosis zahlt gegenüber 12 Euro, die die EU zahlt.

(freitag, 3. 12. 2020): "Die reichen Länder sind dabei, sich große Mengen zu sichern. Nationen, die nur 13 Prozent der Weltbevölkerung ausmachen, haben sich schon die Hälfte der Produktion unter den Nagel gerissen. Das Nachsehen haben die Länder des globalen Südens, aber auch Nicht-EU-Staaten auf dem Westbalkan.

Biontech/Pfizer, um nur ein Beispiel zu nennen, hat von den 1,3 Milliarden Impfdosen, die 2021 produziert werden können, mittlerweile mehr als 570 Millionen an die EU und die USA verkauft, 1,2 Milliarden sind fest zugesagt. Schon im September hatten die USA, die EU, Australien, Großbritannien und die Schweiz Verträge über 5,3 Milliarden Impfdosen abgeschlossen, weitere 2,6 Milliarden gehen an Schwellenländer wie Brasilien, Indien oder China. Für alle übrigen bleibt die Restpfütze. Die von Covax Afrika zugesicherten 220 Millionen Impfdosen, die meist doppelt verabreicht werden müssen, sind für die 1,3 Milliarden Menschen umfassende Bevölkerung ein Tropfen auf den heißen Stein. Die Ungerechtigkeit schreit zum Himmel, umso mehr als gerade Länder wie Brasilien, Bolivien oder Peru zu Testlaboren für Impfstoffe ausgebaut wurden und dort Menschen als Versuchskaninchen herhalten müssen."

Einem Minister fällt nichts besseres ein als Bettelei:

"Engagiert Euch für mehr Impfstoff für die Ärmsten!" Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) appelliert gegenüber der Rheinischen Post (Donnerstagausgabe) »insbesondere« an Coronakrisengewinner wie Amazon, Facebook oder Google.

Angesichts mangelnder Impfstoffe kommt die Diskussion in Gang:

Tagesschau, 21. 1. 21: "Ärzte ohne Grenzen etwa wirft den Konzernen vor, dass sie selbst inmitten einer globalen Pandemie "an ihrem Business-as-usual-Ansatz der Profitmaximierung" festhielten. Die Organisation erklärte, die Pharmaindustrie behaupte immer wieder fälschlicherweise, dass erst geistige Eigentumsrechte den Durchbruch für Covid-19-Impfstoffe und -Medikamente gebracht hätten. Tatsächlich seien aber Steuern in Milliardenhöhe und Geld von Stiftungen die Haupttreiber der beispiellosen Forschungsanstrengungen zu Covid-19, so Ärzte ohne Grenzen.

Suerie Moon vom Global Health Centre fordert Impfstoffe als "globales öffentliches Gut" zu teilen. Und weist darauf hin, dass die Forschungsgrundlagen für die schnelle Corona-Impfstoff-Entwicklung jahrzehntelang an öffentlich finanzierten Universitäten geschaffen worden seien."

Nicht nur bei der Impfstoff-Verteilung herrscht Ungleichheit:

"Corona verschärft die Armut", heißt es in Nachrichten, verschwiegen wird, dass Corona die Reichen reicher macht. Wer Armut beklagt, muss über Reichtum sprechen!

Börsenkurse Dax und DowJones auf Rekordniveau!

Aus einem Bericht der Tagesschau vom 29. 12. 2020: "Trotz der Pandemie haben wir ein großartiges Jahr hinter uns. Viele Leute haben einen Haufen Geld verdient - auch die Unternehmen. . . Diese Milliarden Dollar, die auf der Seite liegen, müssen investiert werden. Großartiges Jahr für Spekulanten."

Die andere Seite: Besonders Geringverdiener in Gastronomie im Handel in der Veranstaltungsbranche leiden, Kurzarbeiter müssen sich einschränken. Solo-Selbständige, Kulturschaffende, Honorarkräfte beklagen fehlende Perspektive.

Galeria-Kaufhof-Eigner Rene Benko lässt sich 200 Mio Euro Dividende auszahlen. Die Bundesregierung will ihm jetzt mit 460 Mio. Euro "helfen". 4000 entlassene Kaufhaus-Beschäftigte gucken in die Röhre.

BMW schüttete mitten in der Pandemie 1,6 Mrd. aus, schickte 30.000 Mitarbeiter in Kurzarbeit und verlangte gleichzeitig Kaufprämien.

Zusammengefasst: Die Reichen werden reicher, die Armen zahlreicher.

Auch die Diskussion darüber kommt in Gang. Die Kritik wird lauter.

Der Oxfam-Bericht war Thema in Nachrichten-Sendungen.

Der Aufruf von 36 deutschen Gewerkschaften und Sozialverbänden "Soforthilfen für die Armen - jetzt" stellt die richtigen Forderungen.

Die ver.di-Petition für Mindestkurzarbeitergeld von 1200 € findet Zustimmung.

Sebastian Wertmüller von ver.di Braunschweig: "Der erneute Lockdown stellt Beschäftigte vor viele Herausforderungen: Kinderbetreuung aufgrund geschlossener Kitas, Anforderungen an ein „Homeschooling“ bei Erwerbstätigkeit und schlechten technischen und didaktischen Voraussetzungen, Infektionsgefahren in öffentlichen Verkehrsmitteln und am Arbeitsplatz etc. Er fordert, dass Betriebe und Verwaltungen im Dienstleistungsbereich zusätzliche Anstrengungen unternehmen, um der Infektionsgefahr zu begegnen: „Es ist vernünftig, im privaten Bereich auf Distanz und möglichst wenige Kontakte zu achten. Das gilt für die Arbeitswelt aber auch!“

Die Corona-Krise verschärft die Ungleichheit im Bildungswesen.

Die Mängel im Bildungswesen - personell und materiell unzureichende Ausstattung - werden deutlicher.

Zu große Klassen, heruntergewirtschaftete Gebäude, in denen sich manchmal keine Fenster öffnen lassen. Kein Geld für Lüftungsanlagen . . .

Homeschooling verschärft die Bildungsungerechtigkeit. Kinder die in beengten Wohnverhältnissen leben, nicht über einen eigenen Computer verfügen, deren Eltern sie nicht ausreichend fördern können, werden "abgehängt".

Konzentration in der Wirtschaft wird beschleunigt:

Die absehbare Pleitewelle ist die eine Seite der Medaille, die andere sind die wachsenden überlebenden Unternehmen - wie in jeder Krise des Kapitalismus!

Ein Beispiel: Karstadt-Kaufhof macht Kaufhäuser zu - Amazon expandiert.

Die Pleitenwelle wird die Vernichtung vieler tausend Arbeitsplätze nach sich ziehen.

Anhaltende Kurzarbeit, angekündigter Personalabbau (Dresdner Bank, H&M) erzeugen Existenzangst.

Dies und die durch die Digitalisierung eintretenden Veränderungen (Stichwort Transformation)schaffen Verunsicherung, die durch die Pandemie verstärkt wird.

Eine kämpferische Metall-Tarifrunde unter diesen Bedingungen ist sehr kompliziert. (Dazu mehr in der Diskussion.)

Arbeitgeber machen mobil gegen Arbeitnehmer-Rechte

Erinnerung: Gruselkatalog von Gesamtmetall vom Mai 2020 . . . Stichworte daraus: Experimentierraum Arbeitszeit, Mütterrente und Rente mit 63 abschaffen, Mindestlohn-Dokumentationspflicht abschaffen usw.

H.J. Urban fasste das in der Veranstaltung der MESt am 21. 11. 20 so zusammen: "Die Unternehmen holen aus den Schubladen alte Rationalisierungs- und Ökonomisierungskonzepte raus, versuchen sie umzusetzen in der Hoffnung, dass die Gunst der Stunde genutzt werden kann und mittlerweile skandalös hohe Entlassungen oder Lohneinschränkungen Akzeptanz in der Gesellschaft finden, weil ja angeblich die große Krise das erfordert. Unter dem Deckmantel dieser allgemeinen Krisenwahrnehmung wird also versucht schlicht und einfach Klassenpolitik zu betreiben."

Die Coroan-Krise gefährdet demokratische Rechte

Unter dem Stichwort "Stunde der Exekutive" wird eine Verordnungspolitik praktiziert. Die Rechte der Parlamente werden missachtet.

Grundrechte sind eingeschränkt, in welchem Umfang das Bestand haben wird, hängt von uns ab.

Ungleichheit auch hier: Wer einen Privatjet hat, lacht über Einschränkung der Bewegungsfreiheit.

Es ist kein Wunder, dass angesichts der Planlosigkeit, der Widersprüchlichkeit der Anti-Corona-Maßnahmen der Regierungen, viele Menschen den Querdenkern nachlaufen.

Zu Corona-Protesten ein paar kluge Gedanken von Georg Rammer aus ossietzky 25/2020

"Verletzung der Grundrechte, Missachtung von Menschenrechten, Abbau der Demokratie: Da gibt es wahrlich Gründe für Protest und Widerstand. Armut und Ungleichheit, Privatisierung der Daseinsvorsorge, neuer Militarismus und Imperialismus, das Sterben der Flüchtlinge an der EU-Grenze, Zerstörung der Umwelt, systematische Manipulation und Überwachung, unmenschliche Arbeitsbedingungen ... Auch die zu Recht beklagte mangelnde Empathie und die Missachtung menschlicher Bedürfnisse kamen nicht erst durch Corona-Beschränkungen in die Welt. Wo spürte man Mitgefühl mit Kranken, als Kliniken privatisiert und kaputtgespart wurden? Waren die Zustände in Pflegeheimen human, bewirkte erst Corona die Kinderarmut? Wie oft hätte man sich Massendemonstrationen gewünscht bei der Aufdeckung der Steuerparadiese, der Privatisierung der Altersvorsorge und des Gesundheitswesens, der Auslieferung von Grundbedürfnissen an den Profit, der zielgerichteten staatlichen Zerstörung des Journalisten Assange! So lang Corona-Schutzmasken und Abstandsregeln die Hauptthemen bei Protesten bleiben, kann die Machtelite über die Pandemie als Ventil für »Widerstand« nur froh sein.

Das Virus wird besonders gefährlich in einem System, das Kapitalinteressen über die Bedürfnisse von Menschen stellt. So möchte man den (quer?)denkenden DemonstrantInnen zurufen: Leute, kämpft für die richtigen Ziele! Nicht gegen Maske und Abstandsregeln, sondern für Menschenrechte, soziale Gerechtigkeit und Frieden!"

Fortschrittliche Alternativen?

Hauptfrage: Wer zahlt die Rechnung? Das dämmert auch den Herrschenden: Helge Brauns Initiative gegen Schuldenbremse macht deren Sorgen über Bezahlbarkeit der Krisenfolgen deutlich.

  • Die Reichen zur Kasse bitten! Die konkreten Forderungen sind bekannt, Vermögensabgabe von 10 % bringt 360 Mrd. €, Vermögenssteuer, Erbschaftssteuer, runter mit der Rüstung usw.
  • öffentliches Gesundheitswesen, keine Krankenhaus-Schließungen, Rückführung in öffentliches Eigentum.
  • Aufwertung sozialer Berufe - bessere Bezahlung, erträgliche Arbeitsbedingungen
  • öffentliche Gelder nur bei Beachtung sozialer und ökologischer Auflagen

"wo öffentliches Geld fließt muss öffentliches Eigentum entstehen und öffentliche Einflussnahme folgen.", fordert Urban und plädiert für Intervention in das "Investitionsverhalten der Unternehmen" und zieht die Schlussfolgerung: "wenn wir den ökologischen Wandel in der Produktion hinbekommen wollen, wird das nicht über profitorientierte Märkte geschehen können." (H.J. Urban, 21.11.2020)

Dafür braucht es Bewegung!

Es gibt Aktivitäten auf verschiedenen Gebieten: Forderung der 36 Verbände und Gewerkschaften, die ver.di-Petition, Aktionen von Krankenhaus- und Pflegebündnissen - jeder auf seinen Gebiet.

Die am stärksten Betroffenen, die in Kurzarbeit befindlichen, vom Jobverlust Betroffenen, in der Pflege schuftenden melden sich kaum zu Wort. Sie sind mit "dem Durchkommen" beschäftigt.

Widerstand wird eher gegen Auftreten rechter Kräfte geleistet, weniger für wirksame und gleichzeitig sozial gerechte Alternativen.

Für falsch halte ich die vom KV der DKP Hannover gezogene Schlussfolgerung, sich nicht an Protesten gegen Querdenker zu beteiligen. Auf Grundlage einer falschen politischen Analyse und Einschätzung der aktuellen Lage, der Gefahr des Faschismus, der "wirksamsten und gefährlichsten Rechtskräfte" wird eine falsche Schlussfolgerung gezogen. Protestiert die DKP Hannover jetzt nicht mehr gegen Faschisten unter dem Etikett "Querdenken"? Arbeiten wir nicht mehr mit Antifaschisten zusammen, die gegen faschistische Querdenker protestieren und deren soziale Demagogie entlarven wollen?

Ein Lichtblick: Die Petition Covid-Zero mit richtigen Forderungen. Entsprechend allergisch die Reaktionen der Herrschenden. Wenn es gegen Freiheit der Wirtschaft, gegen die Pharmakonzerne gegen die Reichen geht ist Schluss mit lustig.

Zu den Kontroversen um diese Petition: Sicher brauchen die Gesundheitsschutz-Maßnahmen in den Betrieben eine differenzierte Einschätzung - auch dort gibt es riesige Unterschiede, abhängig von der Stärke der Interessenvertretung. Sicher muss die Rolle des Staates eingeschätzt werden. Aber: ob der eine autoritäre oder demokratische Rolle spielt hängt vom politischen Kräfteverhältnis ab - eigentlich nichts Neues . . .

Wer kann etwas bewegen, über Protest hinaus?

Am ehesten die Beschäftigten des Gesundheitswesens, der Pflege - mit breiter gesellschaftlicher Unterstützung. Die Bedeutung eines leistungsfähigen Gesundheitswesens ist allen deutlich geworden. Die Betroffenheit ist allgemein. Die Beschäftigten haben eine politische Gewerkschaft und haben ihre Kampffähigkeit bewiesen. Ist das ein Ansatz?

Vorletztes: Was können KommunistInnen bewegen?

Über Klassencharakter von sog. Anti-Corona-Maßnahmen aufklären.

Alternativen darstellen.

Für gesellschaftspolitisch aktive Gewerkschaften einsetzen.

Breitest mögliche Bündnisse schmieden, für Vernetzung des Widerstandes einsetzen.

Letztes: Es wäre notwendig über die anhaltende Katastrophe - den Klimawandel zu reden. Der macht keine Pause. Das Thema sprengt den heutigen Rahmen. Ich empfehle dazu den Aufsatz von Klaus Dörre, "Lockdowns sind keine Klimaschutz" veröffentlicht auf dem Portal jacobin.

Er wäre ein guter Ausgangspunkt für eine interessante Debatte.

 

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