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DIE LINKE nach dem Augsburger Parteitag

Ellen Brombacher, Bundessprecherin der Kommunistischen Plattform in der LINKEN, referiert zu den Ergebnissen des Parteitags der Partei DIE LINKE Ende Nov. 2023 und nimmt Stellung zur Parteispaltung sowie zum Bündnis Sahra Wagenknecht.

https://kpf.die-linke.de/bundeskonferenzen/detail/die-linke-nach-dem-augsburger-parteitag/

 

Von der Missachtung der bürgerlichen Demokratie zu rechtsoffener Bündnispolitik

Zu aktuellen bündnispolitischen Positionen des DKP Parteivorstandes

November 2023, Rainer Dörrenbecher

Auf dem 25. Parteitag der DKP im März 2023 hatte Richard Höhmann, seit 2020 verantwortlich für die marxistische Bildungsarbeit, in einem Diskussionsbeitrag zu aktuellen Auseinandersetzungen in der Bündnispolitik gesprochen. Der Beitrag beinhaltet eine Positionierung der DKP bei der Analyse rechtsoffener Bewegungen und Organisationen und eine bündnispolitische Orientierung der DKP. Veröffentlicht in der UZ, bekräftigt in UZ-Interviews mit dem Autor, unter dem Titel „Analyse statt Etiketten“ inhaltlich aufgearbeitet und wesentlich erweitert als Referat auf der 2. PV-Tagung im Juni d. J. und schließlich, erneut überarbeitet, in den Marxistischen Blättern 4/23 abgedruckt - der Beitrag kann nur als offizielle Positionsbestimmung des Parteivorstandes betrachtet werden.

Vor drei Jahren, im Sommer 2020, veröffentlichten der Parteivorstand und die Bildungskommission der DKP die Bildungszeitung „Reaktionärer Staatsumbau“. Von damals noch lebenden, ehemals führenden Gründungsmitgliedern der DKP und weiteren aktiven und führenden Genossinnen und Genossen war der PV aufgefordert worden, dieses Bildungsheft zurückzuziehen. Das Heft verfehlt eine dialektische Betrachtung des Wesens der bürgerlichen Demokratie und verfälscht die Bedeutung und Orientierung des Kampfes um demokratische Rechte.

Die bürgerliche Demokratie wird vorwiegend als Tarnung reaktionärer Ziele des Monopolkapitals betrachtet und entsprechend wird der Vorrang des Kampfes gegen das Monopolkapital gegenüber dem Kampf um die Demokratie und die Rechtsentwicklung gefordert. Bündnispolitik reduzierte sich auf die antimonopolistische Klassenstruktur.

Im Beschluss des 23. Parteitages, Ende Februar 2020, „Wut, Entrüstung und Widerstand brauchen eine Perspektive“ hieß es noch: „Die DKP stellt sich gemeinsam mit allen demokratischen Kräften Neofaschismus und Rassismus entgegen. Wir kämpfen vor Ort um ein möglichst breites Bündnis, lassen uns aber in der Auseinandersetzung um inhaltliche Positionen im Kampf gegen rechts nicht verdrängen.“ (Beschluss Seite 10) Der Kampf um demokratische Rechte hatte noch einen gewissen Stellenwert, wenn auch mit inhaltlichen Differenzen.

Gegenwärtig stellt sich die Frage, was unter „demokratischen Kräften“ und „möglichst breiten Bündnissen“ zu verstehen ist. Schon während der Corona-Pandemie (2020/21) bei den Aktionen diverser Gruppen gegen die Einschränkungen demokratischer Rechte fanden diese die Unterstützung des Parteivorstandes. Die Einschränkungen waren als Ausdruck und Bestandteile des „reaktionären Staatsumbaus“ definiert worden. Die Corona-Pandemie mit den Gefahren für die Gesundheit und das Leben tausender Menschen spielte keine Rolle.

Ignoriert wurden auch die politische Zusammensetzung diverser Aktionen und der politische Standort der Organisatoren. Neben bunten irrationalen Gruppierungen und Personen dominierten häufig Menschen mit antidemokratischen rechten Einstellungen, sowie Anhänger*innen der AfD. In dieser reaktionären Bewegung gründete sich die Partei „Die Basis“ bewusst als organisatorischer Ausdruck dieses „Widerstandspotentials“.  https://diebasis-partei.de/partei/geschichte/

In Folge hat der PV das damalige Zusammenwirken mit rechtsoffenen und rechten Kräften bei Aktionen verteidigt und fortgesetzt. Der Querfront-Vorwurf wurde empört zurückgewiesen und mit der Gegnerschaft der DKP zu offen rechten Parteien und Gruppen und gegenüber den Querfront-Bestrebungen von Jürgen Elsässer begründet.

Mit „Analyse statt Etiketten“ wurde dann eine „marxistisch-analytische“ Begründung nachgeliefert. Das sich durchziehende Thema des Beitrages ist die Zurückweisung der unterstellten Querfrontstrategie in der Friedensbewegung und in der DKP. Um die zentrale DKP-Orientierung zu begründen werden Zitate respektabler linker und marxistischer Persönlichkeiten genutzt. Klug werden diese eingebaut, obwohl sie aus anderen Zusammenhängen stammen. Die Politik der KPÖ-Steiermark bzw. der Partei der Arbeit Belgiens (PvdA/PTB) eignet sich wohl kaum als Beleg für die empfohlene politische Orientierung.

Wesentlicher Bestandteil der Argumentation ist das Problem der Alltagserfahrung, dessen politische Verarbeitung und sich daraus ergebende Schlussfolgerungen für die Kommunistische Partei. Dazu wird u.a. Clara Zetkin zitiert: „… nicht nur um die Seelen der Proletarier, sondern auch um die Klein- und Mittelbürger zu kämpfen.“

Das war 1923, noch während der revolutionären Nachkriegsphase, allerdings schon abflauend. Es gab einflussreiche revolutionäre Parteien. Bedingungen, die mit den heutigen kaum zu vergleichen sind. Auch das sollte bei Clara Zetkins Rat bedacht werden. Geht es gegenwärtig wirklich darum „um die Klein- und Mittelbürger zu kämpfen“, bei der Stärke der Partei? Auf dem Parteitag wurde ein umfangreicher Beschluss „Heizung, Brot, Frieden“ verabschiedet, ursprünglicher Arbeitstitel „Heran an die Klasse“. Die Partei wird damit auf die Betriebsarbeit orientiert, Vorschläge und Wege zur Bildung von Betriebsaktivs und Betriebsgruppen werden aufgeführt. Was ist jetzt mit dem Stellenwert dieses Leitbeschlusses des 25. Parteitages, dessen Arbeitstitel „Heran an die Klasse“ ist?

Ausführlich wird sich mit der Partei Die Basis beschäftigt, die Kritik an der Zusammenarbeit zurückgewiesen. Wieso? Welche wichtige Rolle spielt diese Gruppierung? Wobei? Im gewerkschaftlichen Kampf? Im Kampf gegen Rechts? In der Friedensbewegung, was bewegt sie da?

Die Analyse von Richard Höhmann zur Partei „Die Basis“ ist oberflächlich und ignoriert Wesentliches. Er stützt sich auf Ausarbeitungen und Erkenntnisse der Heinrich-Böll-Stiftung, einer Stiftung der Partei „Die Grünen“ nahestehend; danach sei „Die Basis“ „keine genuin (echt) extrem rechte Partei. Ausweislich ihres Programms ist die Partei weder nationalistisch noch konservativ.“ Höhmann übernimmt ungeprüft diese politische Wertung der H.Böll-Stiftung. Das ist für einen Kommunisten schon merkwürdig. Eine marxistische Analyse bedeutet, sich das Programm, die offiziellen Stellungnahmen und das Auftreten in der Öffentlichkeit anzusehen.

Die Plakate der „Basis“ bei der Bundestagswahl waren inhaltsleere Sprüche, z.T. identisch mit der AfD, populistisch, einfach gegen die da Oben. Das „Rahmenprogramm“ mit seinen „vier Säulen“  https://diebasis-partei.de/wahlen/programm/ ist nicht „genuin rechts“. Es ist so allgemein gehalten, dass sich jede/r seins/ihres reindenken kann. Sie sind nicht rechts und nicht links, bekennen sich zum Grundgesetz und „grenzen sich gegen jede Form extremistischer Bestrebungen, die die freiheitlich-demokratische Ordnung untergraben, eindeutig und entschieden ab und versuchen diese aktiv zu verhindern.“ Wer aus bürgerlichem Verständnis mit „extremistisch“ so alles gemeint ist - dazu haben Kommunistinnen und Kommunisten mehr als theoretische Erkenntnisse.

Es gibt bei den „vier Säulen“ für jede/n etwas, auch für kritische und solidarische Menschen. Für Neoliberale in bester FDP-Manier: „Das Wirtschaftsleben beruht auf individueller Initiative und Interessenausgleich. Es darf deshalb nicht vom Staat gelenkt werden und muss auf gegenseitigen Absprachen der Wirtschaftsteilnehmer und auf freier Preisbildung beruhen.“ Die Wählerschaft ist für Klimaneutralität und langfristig für Verbrennermotoren, für Einschränkung des Asylrecht, kein Recht für Kriegsflüchtlinge und aus sozialer Not Geflüchtete, nur noch für politisch Verfolgte.

Das Verständnis von Extremismus der „Basis“ wird konkreter in Veröffentlichungen auf deren Homepage. In dem Beitrag  https://diebasis-partei.de/2023/07/wie-die-geschichte-aus-linksextremisten-rechtsextreme-machte-und-die-grunen-davon-profitieren/ wird er deutsche Faschismus als „linkester Linksextremismus“ definiert. Dazu wird er mit „den kommunistischen/sozialistischen Experimenten in der Sowjetunion und China“ verglichen. Die Schlussfolgerung ist, die Bevölkerung sei „durch einen genialen Schachzug in der Politikgeschichte … verwirrt worden. Indem man die linkesten Linksextremisten (die Nazis) zu Rechtsextremisten erklärte, schuf man die perfekte Verwirrung.“

Damit wird Rechtsextremismus zum Popanz erklärt, übrig bleibt der Linksextremismus, der „aktiv verhindert werden muss“.

All das wird in der Reinwaschung der „Basis“ bei Höhmann ignoriert. Kurt Baumann, nicht als Kritiker der Politik des Parteivorstandes bekannt, sieht die „Basis“ etwas differenzierter. (UZ 15. Sept.)  https://www.unsere-zeit.de/brandmauer-oder-antifaschismus-4783576/#more-4783576 „Dem Einfluss faschistischer Kräfte und reaktionärer Ideologien in der Partei „Die Basis“ oder der „Querdenker-Bewegung“ – aber auch in anderen Bereichen der Gesellschaft – entgegenzutreten ist notwendig.“

Ein weiteres Beispiel rechter, bzw. faschistoider Offenheit der Basis: „Am 21. Oktober fand in Erfurt eine Zukunftskonferenz für Thüringen unter der Überschrift „Brücken statt Brandmauern“ statt. Organisiert wurde die Veranstaltung durch das an diesem Tag offiziell beschlossene „Bündnis für Thüringen“, bestehend aus Bürger für Thüringen, dieBasis, Freie Wähler Thüringen e.V., sowie unterstützt durch die WerteUnion.“ Redner waren u.a. H.G. Maaßen und Vera Lengsfeld.  https://diebasis-partei.de/2023/10/bruecken-statt-brandmauern/

Gravierende Auswirkungen hat diese Orientierung in und für die Friedensbewegung und die antifaschistische Bewegung. Der PV unterstützte bisher die Einbeziehung von rechtsesoterischen Kräften wie der Partei Die Basis in die Friedensbewegung, einer antikommunistischen Partei, ohne Berührungsängste zu extrem rechten Gruppierungen oder Personen. Neben den inhaltlichen Differenzen zur Aggression Russlands gegen die Ukraine unterstützt der PV die Spaltung der Friedensbewegung. Wir befürchten, dass alle Erkenntnisse über rechtsoffene Parteien, Gruppen und Bewegungen nicht dazu führen, dass der DKP Vorstand seine Positionen überdenkt.

Vor diesem Hintergrund ist nun ein Streit zwischen der Bundes-DKP und der VVN entbrannt. Im Referat der letzten PV-Tagung fällt sogar der Vorwurf des Antikommunismus gegenüber der VVN-BdA. Hintergrund der Polemik ist der Widerstand in der VVN gegen die Einbeziehung der Basis u.a. rechtsoffener Gruppierungen in die Friedensbewegung. Gerade angesichts des aktuellen Rechtsrucks brauchen wir dringend den Schulterschluss von DKP und VVN. Wir weisen diese Polemik sprachlich und inhaltlich zurück.

Wir sollten den Weg in eine wie immer geartete Querfront nicht mitgehen und stattdessen den Aufruf für eine eindeutig gegen Rechts abgegrenzte Friedensbewegung unterstützen. „Die Friedensbewegung muss antirassistisch, antifaschistisch und integrativ bleiben!“.  https://weact.campact.de/petitions/die-friedensbewegung-muss-anti-rassistisch-antifaschistisch-und-integrativ-bleiben 

Veränderung der globalen Kräfteverhältnisse

von Dirk Stehling und Klaus Stein

Altmaiers Industriestrategie

Anfang 2019 legte der damalige Bundeswirtschaftsminister Altmaier seine „Nationale Industriestrategie 2030“ vor. Diese sah im Kern die Erleichterung von Unternehmens-zusammenschlüssen und die Schaffung großer Monopole, „nationale und europäische Champions“ , vor, um die Konkurrenzfähigkeit der deutschen Wirtschaft zu verbessern. Als Hauptgegner wurde in diesem Papier China genannt. Um mit den chinesischen Staatsunternehmen im Wettbewerb bestehen zu können, müsse der Staat stärker ins Marktgeschehen eingreifen. Je größer die wirtschaftliche Bedeutung eines Vorgangs, desto größer müsse der Spielraum des Staates für aktive und aktivierende Gestaltung sein. Altmaier bemängelte das seit etwa 15 Jahren lahmende Innovationstempo. Vor allem bei den „Schlüsseltechnologien und Basisinnovationen“, im Bereich der Digitalisierung und künstlichen Intelligenz etwa, drohe Deutschland den Anschluss zu verlieren, im neoliberalen Neusprech vom „rule-maker“ zum „rule-taker“ zu werden.

Altmaier beklagte die unfairen Bedingungen, mit denen die europäischen Unternehmen auf dem globalen Markt konfrontiert seien. (Wobei die EU bei ihren Handelsbeziehungen zu beispielsweise afrikanischen Ländern natürlich auf Fairness großen Wert legt!). Es ginge allerdings nicht darum, den Protektionismus anderer Länder zu kopieren, sondern „die marktwirtschaftlichen Errungenschaften Europas“ zu verteidigen.

Das Papier stieß allerdings bei den Kapitalvertretern aufgrund des darin geforderten stärkeren staatlichen Eingreifens durch Erwerb von Unternehmensanteilen auf Ablehnung. Der BDI brachte einen Gegenentwurf heraus, der die Beschränkung des Staates auf marktkonforme Instrumente forderte.

Altmaiers Industriestrategie und die Reaktionen darauf sind Ausdruck des Dilemmas, in dem die Herrschenden stecken. Es besteht im Kern in dem kapitalistischen Grundwiderspruch zwischen dem wachsenden gesellschaftlichen Charakter der Produktion und der privaten Aneignung und Verfügung über die Produktivkräfte. Zunehmend wird das mit der Anhäufung von Kapital verbundene Wachstum der Produktivkräfte zu einem Hemmschuh für die Kapitalverwertung. „Die Vergesellschaftung der Produktion stößt beständig auf die Schranken des privatkapitalistischen Eigentums.“ (Peter Hess, Monopoltheorie und Kapitalismuskritik, in: Ökonomische Theorie, politische Strategie und Gewerkschaften, Frankfurt a.M., 1971).

Überakkumulation und periodische Krisen, in denen überschüssiges Kapital vernichtet wird, sind die Folge. Die Verfügung über fremdes Kapital in den Händen einer abnehmenden Zahl von Kapitaleigentümern, d.h. die Bildung von Monopolen ist zunehmend notwendig, um die immer schwieriger werdende Kapitalverwertung unter der Bedingung der hoch vergesellschafteten Produktion zu gewährleisten. Mit der Konsequenz der Zuspitzung der kapitalistischen Widersprüche und dass dadurch „allseitigere und gewaltigere Krisen vorbereitet und die Mittel, den Krisen vorzubeugen, vermindert“ werden. (Kommunistisches Manifest)

Abwärtstrend

Der ökonomische Abstieg des Westens schreitet rapide voran. Der Abwärtstrend des Produktivitätswachstums lässt sich für alle wichtigen Industrieländer nachweisen. Der IWF sagt für alle westlichen Industriestaaten einen deutlichen Rückgang des BIP voraus, für Deutschland sogar ein Minus von 0,3%. Besser sehen die Konjunkturaussichten für die Schwellenländer und China aus. Für China prognostizierte der IWF einen deutlichen Anstieg des BIP von 3,0 auf 5,2%, für die Schwellenländer einen leichten Anstieg von 3,9 auf 4,0%.

Die wirtschaftliche Bedeutung der BRICS-Länder (Brasilien, Russland Indien, China und Südafrika) nimmt immer mehr zu. Die selbsternannten G7 sind schon lange nicht mehr die 7 größten Industrienationen. Der Trend der Verschiebung der Produktionenstrukturen von den westlichen Industrieländern in die Schwellen- und Entwicklungsländer setzt sich unvermindert fort. So ist der Anteil des „Globalen Südens“ an den weltweiten Warenexporten von 28,4% (1993) auf 49,2% (2022) gestiegen. Der Anteil des „Globalen Westens“ ist in diesem Zeitraum von 71,6% auf 50,8% gesunken.[1] China nimmt eine herausragende Bedeutung unter den Schwellenländern ein.[2]

Vor allem, was die internationalen Direktinvestitionen anbelangt. Zwischen 2000 und 2016 ist der chinesische Anteil am Bestand der internationalen Auslandsanlagen (2016: ca. 26 Billionen US-Dollar) von 10 auf etwa 24% gestiegen.[3] Während der Anteil Chinas am globalen Bruttoinlandsprodukt kaufkraftbereinigt von 2,27% im Jahr 1980 auf 18,48 % im Jahr 2022 anstieg, schrumpfte der US-Anteil am Welt-BIP von 21,41% im selben Zeitraum auf 15,98%. Die EU stürzte von 25,85% auf 14,9%.[4]

Neuer Kompass

Hervorzuheben ist die chinesische neue Seidenstraßen-Initiative („Belt and Road Initiative“ - BRI), ein Mammutinfrastrukturprojekt, das rund 6 Billionen US-Dollar an Direktinvestitionen, also nahezu ein Viertel der globalen Auslandsanlagen umfasst. 146 Länder Asiens, Europas und Afrikas haben sich dieser Initiative bisher vertraglich angeschlossen. Auch 30 internationale Organisationen sind daran beteiligt.

Die USA und die EU reagierten darauf mit eigenen Investitionsstrukturprogrammen, mit denen man dem chinesischen Projekt das Wasser abgraben will. Auf dem G7-Gipfel im Sommer 2021 wurde die US-amerikanische Initiative „Build Back Better World“ (B3W) vorgestellt. Die EU folgte im Dezember mit der „Global Gateway“ - Initiative (GG). Auf dem G7-Gipfel in Elmau Juni '22 wurde die „Partnership for Global Infrastructure and Investment“ (PGII) ins Leben gerufen, eine Neuauflage von B3W und GG. Es verspricht den Ländern des Globalen Südens durch Bereitstellung von Krediten die Realisierung von Infrastrukturprojekten. Dieses „riesige Investitionsprogramm“ (Zeit online vom 26. Juni '22) sieht Investitionen in der Höhe von 600 Mrd. USD für den Zeitraum von 2022-2027 vor. Es sei eine „umfassende, transparente und wertegeleitete Wahl für Infrastrukturentwicklung“, so Biden. Aber dieses im Vergleich zur Seidenstraßen-Initiative (6.000 Mrd. USD) allein von der Summe her klägliche Programm kommt bei den Entwicklungs- und Schwellenländern nicht gut an. Zu sehr schrecken womöglich negative Erfahrungen mit den mit westlichen Krediten verbundenen Auflagen und „Strukturanpassungsmaßnahmen“ ab.

Vorbei sind die Zeiten, in denen die Länder der Dritten Welt den vom Westen dominierten Institutionen IWF und Weltbank alternativlos ausgeliefert waren und sich den von diesen verordneten neoliberalen Rosskuren fügen mussten.

Ausdruck einer sich entwickelnden multipolaren Weltordnung sind neue Allianzen, in denen der Westen keinen oder nur schwindenden Einfluss hat. Zu nennen sind hier neben dem schon erwähnten BRICS, das asiatische Freihandelszone ASEAN, die „Shanghai Cooperation Organisation“ (SCO) und das RCEP-Abkommen („Regional Comprehensive Economic Partnership“). RCEP ist das größte Freihandelsabkommen der Welt. Es ist 2022 in Kraft getreten und umfasst neben China die ASEAN-Staaten, Japan, Südkorea, Australien und Neuseeland. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) der Unterzeichnerstaaten beträgt rund 25 Billionen Euro und übertrifft damit das der am Freihandelsabkommen USMCA beteiligten Partner USA, Mexiko, Kanada und der EU.

Der von China, Russland und vier zentralasiatischen Republiken 2001 gegründeten SCO haben sich inzwischen Pakistan, Indien (2017) und Iran (2021) angeschlossen. Beobachterstatus haben Afghanistan, Belarus, Mongolei und Turkmenistan. Dialogpartner sind Armenien, Aserbeidschan, Nepal, Sri Lanka, Kambodscha und die Türkei. Anwärter sind Ägypten, Quatar und Saudi-Arabien. Bemerkenswert an dieser Liste vor allem unter dem Aspekt der Friedenssicherung ist, dass sich in diesem Bündnis auch verfeindete Staaten wie Pakistan und Indien und Armenien und Aserbaischan zusammengefunden haben.

Die Hauptziele der SCO sind die Stärkung des gegenseitigen Vertrauens und die Beförderung der Kooperation zwischen den Mitgliedstaaten, die Gewährleistung von Frieden, Sicherheit und Stabilität in der Region sowie Fortschritte bei der Implementierung „einer demokratischen, fairen und rationalen politischen und ökonomischen Ordnung“. Ein wesentlicher Schwerpunkt der SCO bildet die Überwindung der Armut. Die Organisation unterhält Kooperationsbeziehungen mit der UNO und ASEAN.

Die BRICS-Staaten haben sich auf eine 2006 von Russland erfolgte Initiative hin zusammengeschlossen. Grundlagen des Bündnisses sind die UN-Charta, das Prinzip der Blockfreiheit, der Nichteinmischung in innere Angelegenheiten und die Neutralität gegenüber dritten Parteien. An vorderster Stelle der Agenda steht die Überwindung von Hunger und Armut und der Ungleichheit zwischen dem Globalen Norden und dem Globalen Süden. Erklärtes Ziel der BRICS-Staaten ist die Errichtung einer multipolaren Weltordnung, in der die Entwicklungsländer, vor allem Afrika, an den globalen Entscheidungsprozessen gleichberechtigt beteiligt werden. Auf dem BRICS-Gipfel in Südafrika Ende August wurden mit Argentinien, den Arabischen Emiraten, Äthiopien, Ägypten, Saudi-Arabien und Iran 6 weitere Länder in das Bündnis aufgenommen. Das Bündnis repräsentiert damit etwa 46 % der Weltbevölkerung. Mehr als 40 Staaten haben ihr Aufnahmeinteresse bekundet..

Frappierend ist die Gegensätzlichkeit der Ausrichtung der Gipfeltreffen der EU, G7 und NATO auf der einen und der BRICS auf der anderen Seite. Während jene auf Konfrontation gegen die Feinde der „regelbasierten Ordnung“, Abschottung und die Verfolgung der eigenen Interessen ausgerichtet sind, propagieren die BRICS-Staaten Multilateralismus, Offenheit und internationale Zusammenarbeit.

Der Ukraine-Krieg hat den Niedergang des Westens verdeutlicht und beschleunigt. Er ist der vorläufige Kulminationspunkt der sich vor allem in den letzten Jahren verändernden weltweiten Kräfteverhältnisse. Die überwiegende Mehrheit der Weltbevölkerung begreift, dass es sich dabei um einen Stellvertreterkrieg der NATO gegen Russland handelt, bei dem das ukrainische Volk als Kanonenfutter benutzt wird. Der Westen und die Hegemonialmacht USA versuchen militärisch ihren ökonomischen, politischen und kulturellen Abstieg aufzuhalten und ihr „regelbasiertes“ imperialistisches Weltsystem gegen eine multipolare Weltordnung zu verteidigen. Die Wirtschafts-sanktionen gegen China und die Provokationen in der Taiwan-Frage zielen auf eine weitere militärische Eskalation. Bei den westlichen Waffenlieferungen an die Ukraine fallen alle Hemmungen. Am Ende der Eskalationsspirale steht der mit Nuklearwaffen ausgetragene Dritte Weltkrieg.

Erfolglos blieben alle Versuche westlicher Politiker, die mit Russland im BRICS-Staatenbund kooperierenden Länder Brasilien, Indien, China und Südafrika in die Front gegen Russland einzureihen. Sie lehnen sowohl die Waffenlieferungen an die Ukraine als auch die Sanktionen gegen Russland ab und drängen auf einen Friedensschluss. Die westlichen Sanktionen schaden vor allem dem Westen selbst. Bei den BRICS-Staaten haben diese im Gegenteil zu einer Intensivierung der Handelsbeziehungen mit Russland und zu einem Aufbau alternativer, von den USA unabhängiger Zahlungssysteme geführt.

Erfolgreich war Russlands Isolierung nur im Westen, nicht in Asien, Afrika und Lateinamerika.

Am Russland-Afrika-Gipfel Ende Juli in Sankt Petersburg nahmen 49 von 54 Ländern Afrikas teil. Es wurden Maßnahmen zur engeren Kooperation und das Eintreten gegen den Neokolonialismus beschlossen. Diese Konferenz zeugt sowohl vom wachsenden Selbstbewußtsein der afrikanischen Staaten als auch der zunehmenden Isolation des Westens.

Der ehemalige Premierminister von Benin, Lionel Zinsou, brachte die in Afrika vorherrschende Haltung zu Russland und zum Ukraine-Krieg in einem Gespräch mit westlichen Diplomaten und Ministern am 12. März in Paris zum Ausdruck: „Wie Sie wissen, haben die afrikanischen Länder die UNO-Resolution zur Verurteilung Russlands nicht unterstützt. Und sie werden niemals irgendwelche Resolutionen gegen Russland unterstützen. Das ist in unserem tiefsten Inneren verankert: Russland ist gut, egal, was Sie von ihm halten. Dies ist eine Tatsache…. Ihr könnt die Afrikaner nicht mit Geschichten über Demokratie ködern. Das sind nur eure Märchen für euren eigenen Bedarf. Der Großteil der afrikanischen Elite wurde in der Sowjetunion ausgebildet – Ärzte, Ingenieure, Piloten, Lehrer, Wissenschaftler. Die Russen sind die einzigen Europäer, die Afrika dekolonisiert haben. Und Afrika erinnert sich daran. Genauso wie Afrika sich an die europäischen Gräueltaten erinnert. Kommen Sie zur Vernunft, suchen Sie nach diplomatischen Lösungen.“

 

Hase und Igel

Die diplomatischen Bemühungen von Außenministerin Baerbock und Bundeskanzler Scholz im Frühjahr dieses Jahres erinnern an den Wettlauf von Hase und Igel.

Laut Ludwig Bechstein macht sich eines Sonntagmorgens der Hase, vornehm und dünkelhaft dazu, über die krummen Beine des Igels lustig. „Du bildest dir wohl ein“, antwortet der Igel, „dass du mit deinen Beinen mehr ausrichten kannst?“

Sie vereinbaren einen Wettlauf, es geht um einen goldenen „Lujedor“ (Louis d’or) und eine Flasche Schnaps. Der Hase rennt, stößt am Ende der Ackerfurche auf des Igels Frau. Sie sieht ihrem Gatten täuschend ähnlich und teilt dem Hasen mit: „Ick bün all hier!“. Der Hase will seine Niederlage nicht wahr haben, verlangt Revanche und führt insgesamt 73 Läufe mit stets demselben Ergebnis durch. Beim 74. Rennen bricht er erschöpft zusammen und stirbt. Soweit Ludwig Bechstein im Jahr 1853.

Vom 15. bis 17. Mai weilte Außenministerin Baerbock in Saudi-Arabien und Katar. Es ging unter anderem um Syrien. Dazu erklärt das Außenministerium: „Als weiteres Thema wird die von arabischen Staaten angestrebte Normalisierung der Beziehungen zu Syrien auf der Agenda stehen, die aus Sicht Deutschlands wegen der anhaltenden Repression des Assad-Regimes an klare Bedingungen geknüpft sein muss.“

Unterdessen hatte die Tagesschau schon am 7. Mai gemeldet, dass die Außenminister der arabischen Länder eine Rückkehr Syriens in die Arabische Liga beschlossen haben. „Die Wiederaufnahme in die Arabische Liga werten Analysten auch als Konsequenz der neuerdings verbesserten Beziehungen zwischen den langjährig verfeindeten regionalen Großmächten Saudi-Arabien und Iran. Im März hatten die beiden Staaten unter Vermittlung Chinas angekündigt, wieder diplomatische Beziehungen aufnehmen zu wollen.“

Erinnert sei an das Attentat auf General Qasem Soleimani in der Nacht vom 2. auf den 3. Januar 2020. Soleimani war in diplomatischer Mission in Bagdad und starb zusammen mit neun Begleitern durch eine US-Drohne. Hernach berichtete der irakische Ministerpräsident Adel Abd Al-Mahdi: Er sei mit General Qasem Soleimani verabredet gewesen. Dieser hatte eine Antwort der iranischen Führung auf eine Botschaft Saudi- Arabiens zu überbringen, die der Irak vermittelt habe. Nach dem Demonstrationen vor der US-Botschaft in Bagdad hätte Donald Trump telefonisch um diese Vermittlung gebeten und für die entsprechenden Bemühungen gedankt. Dann aber erteilte Trump den Mordbefehl. Offenkundig bestand keine „unmittelbare Gefahr“, wie die offizielle Begründung lautete. Im Gegenteil. Für die USA drohte zumindest Entspannung, wenn nicht sogar Frieden im Nahen und Mittleren Osten.

Nach einer Frist von etwas mehr als drei Jahren wiederholt sich gegenwärtig die Chance, die militärischen Konflikte im Nahen und Mittleren Osten zu lösen und die staatlichen Beziehungen zu normalisieren.

Am 15. Mai kommentierte Alexander Haneke in der FAZ: „An Themen mangelt es nie, wenn deutsche Außenminister an den Golf reisen. Doch wenn Annalena Baerbock an diesem Montag in Saudi-Arabien eintrifft, landet sie in einer veränderten Welt. Spätestens seit der von China vermittelten Wiederannäherung zwischen den alten Rivalen Teheran und Riad ist klar, dass der Westen immer weniger Bedeutung hat für seine einstigen Verbündeten am Golf. Die arabischen Monarchien haben ihre Beziehungen wirtschaftlich und politisch diversifiziert. Sie machen gute Geschäfte mit China, Indien und dem Rest der Welt, während Europa mehr denn je von seinen arabischen Rohstofflieferanten abhängig ist und in Gestalt von Flüchtlingen die Folgen gescheiterter Politik im Nahen Osten trägt. Die Außenministerin wird darauf gefasst sein müssen, dass sie entsprechend nüchtern empfangen wird. Mit Anmerkungen zur Menschenrechtslage, so berechtigt sie sein mögen, kommt sie keinen Schritt weiter. In der heimischen Öffentlichkeit bringt das zwar Punkte, vor Ort aber nur Kopfschütteln über westliches Schulmeistertum...“

Für Waffenstillstand und Deeskalation

Im Mai war Chinas Sonderbeauftragter für den Ukraine-Krieg in Europa unterwegs. Li Hui leitet die Abteilung für eurasische Angelegenheiten im chinesischen Außenministerium. Die Reise ist von Xi Jinping in einem Telefonat mit Selenski Ende April angekündigt worden. Sie führte den Sonderbeauftragten nach Russland, in die Ukraine, nach Deutschland, Frankreich und Polen. Es ging um eine politische Lösung.

Nachdem die EU-Kommission Sekundärsanktionen gegen chinesische Unternehmen ins Spiel gebracht hat, twitterte der Abteilungsleiter für europäische Angelegenheiten im Außenministerium, Wang Lutong: „Während China alle Anstrengungen unternimmt, um Frieden zu fördern, was im Interesse Europas liegt, revanchiert sich Europa mit einem Stich in den Rücken und schikaniert China in Wirtschaftsfragen“. Die Global Times: Neben dem unnötigen Ukraine-Knoten liege ein Hauptproblem im EU-China-Verhältnis in Europas „Unterwerfung und Abhängigkeit von Washingtons umfassender Eindämmungsstrategie gegen China“.

 

Vor der Abreise des Sonderbeauftragten Li Hui verwies Außenamtssprecher Wang Wenbin auf Chinas Positionspapier. Wir kennen es als 12 Punkte-Papier, in dem es heißt, Dialog und Verhandlungen seien die einzig machbare Lösung für die Ukraine-Krise. Die USA lehnen das Papier ab. Peking nutze diesen Umstand laut FAZ (15. Mai) als angeblichen Beweis für eine unkonstruktive Haltung Washingtons. Diese Lesart verbreiteten chinesische Vertreter mit Blick auf die Schwellen- und Entwicklungsländer, wo man ein rasches Ende des Krieges befürworte, auch um Entspannung auf dem Getreidemarkt herbeizuführen. Wang: „Die Welt ist weiterhin von den Auswirkungen von der Krise betroffen. In der internationalen Gemeinschaft mehren sich die Stimmen für Waffenstillstand und Deeskalation.“

Im selben Artikel ist von einem zehnstündigen Treffen von Außenminister Wan Yi mit dem amerikanischen Sicherheitsberater Jake Sullivan Anfang Mai in Wien die Rede. Das Weiße Haus sprach danach von offenen, sachlichen und konstruktiven Diskussionen. Die chinesische Verlautbarung klang ähnlich. FAZ-Korrespondent Jochen Stahnke: Das deute auf den gegenseitigen Wunsch nach Stabilisierung.

Und es mehren sich bourgeoise Stimmen, die die Verschiebung der globalen Kräfteverhälnisse zur Kenntnis nehmen und eine Änderung der Politik anmahnen. Nikolas Busse analysierte in einem Leitartikel (FAZ vom 22. August) anlässlich des BRICS-Treffens: „Kein Zweifel sollte allerdings daran bestehen, daß die Entwicklung der Gruppe ein Symptom einer grundlegenden Neuverteilung der globalen Machtverhältnisse darstellt. Sie war schon lange, bevor man in Deutschland eine „Zeitenwende“ ausrief, in voller Fahrt. Die internationale Ordnung, die nach 1945 von den Vereinigten Staaten aufgebaut und gegen die Sowjetunion durchgesetzt wurde, wird sich nicht in allen Ausformungen halten lassen. Die Vorstellung, dass sich Aufsteiger wie China in die bestehenden Strukturen eingliedern lassen, hat sich nicht erfüllt. Stattdessen kommt es zu Konkurrenz der Ordnungsentwürfe. In Osteuropa wird sie derzeit gewaltsam ausgetragen.“

Und im Leitartikel der FAZ vom 12. September mit dem Titel „Die nächste Niederlage“, stellt derselbe Autor, Nikolas Busse, fest: „Was der Westen, vor allem Europa, gerade in West- und Zentralafrika erlebt, ist eine strategische Niederlage. Anders kann man es nicht bezeichnen, wenn die eigenen Truppen zum Abzug gezwungen werden und in einem Land nach dem anderen verbündete Regierungen aus dem Amt geputscht werden.“

„Die gerade in Deutschland mit großer Überzeugung verfolgte 'wertebasierte Außenpolitik' wird offenbar von nicht wenigen Adressaten als übergriffig wahrgenommen. Manchmal fragt man sich, warum es deutschen Politikern so schwerfällt, das zu verstehen.“

„Wir hätten die Welt gerne so, wie wir selbst leben...Klappt das nicht, dann werden EU-Sanktionen verhängt. Schon geschehen im Fall Malis und in Vorbereitung für Niger. Damit fühlt man sich dann in Europa moralisch ins Recht gesetzt, überlässt das Feld aber Moskau und Peking.“

 

Nationale Sicherheitsstrategie und Chip-Krieg

„America first“ versteht sich zunächst mal als Absicht. Auch Trumps Losung „Make America great again“ lässt doch erst einmal den Schmerz über ein Defizit an US-amerikanischer Größe und Macht spüren.

Und dieser Schmerz dauert an, denn offenbar werden Trumps Sorgen von Biden geteilt.

Am 12. Oktober 2022 wurde die „Nationale Sicherheitsstrategie“ der Weltpresse vorgestellt. Im Vorwort fasst Biden seine Absichten zusammen: „Unsere Welt ist an einem Wendepunkt. Meine Präsidentschaft will dieses entscheidende Jahrzehnt ergreifen, um Amerikas vitale Interessen voranzubringen, die Vereinigten Staaten so zu positionieren, dass unsere geopolitischen Wettbewerber ausmanövriert werden. Rund um die Welt ist das Bedürfnis nach amerikanischer Führerschaft so groß, wie es je gewesen ist. Wir sind inmitten eines strategischen Wettbewerbs um die Zukunft der internationalen Ordnung.“

Er sitzt im Glashaus und zeigt mit dem Finger auf China: „Autokraten arbeiten Überstunden, um Demokratie zu unterminieren und ein Regierungsmodell zu exportieren, das durch Unterdrückung zuhause und Zwang außerhalb gekennzeichnet ist.“

„Also werden die USA fortfahren, die Demokratie überall in der Welt zu verteidigen. Wir werden mit jeder Nation zusammenarbeiten, die unsere Grundüberzeugung teilt, dass die wertebasierte Ordnung die Grundlage für globalen Frieden und Wohlstand bleibt. Wir kommen aus jeder Krise stärker hervor. Nichts liegt außerhalb unserer Möglichkeiten.“

Nicht erst angesichts des Jahrestags des Chileputsches vor 50 Jahren erscheint derartige Heuchelei schwer erträglich.

Technologische Führerschaft

Just bei Gelegenheit der Vorstellung der Nationalen Sicherheitsstrategie äußerte Sicherheitsberater Jake Sullivan gegenüber der Presse, die wichtigste Waffe sei die US-amerikanische Hochtechnologie. „Wir verfolgen eine moderne Industrie- und Innovationsstrategie, indem wir unsere ökonomische Stärke und unsere technologische Führerschaft zu Hause investieren. Das ist die tiefste Quelle unserer Macht in der Welt.“ Folglich sollen weitreichende Handelsbeschränkungen verhindern, dass China Hochleistungschips beziehe. Solche Beschränkungen gelten aber auch für Ausrüstungen zur Herstellung von Halbleitern. US-Amerikanern ist verboten, für chinesische Chip-Fabriken zu arbeiten.

Am 27. Januar einigten sich die USA mit den Niederlanden und Japan auf ein Embargo. In beiden Ländern werden Spezialmaschinen zur Chip-Produktion hergestellt. Das niederländische Unternehmen ASML wird keine komplexe EUV-Maschinen an China liefern, gar solche, die die bislang kleinstmöglichen Chips von bis zu zwei Nanometern fertigen.

Das wiederum mutet der US-amerikanischen Technologiebranche Einbußen zu. Dreiviertel der Weltproduktion von Chips werden nach China exportiert, das selbst nur 15% der Halbleiter herstellt. Bei den Exportbeschränkungen geht es hauptsächlich um Chips einer Größe unter 14 Nanometer. In Taiwan und Südkorea wird schon an leistungsfähigeren Chips der Größe 5 und 3 Nanometer gebastelt. Die US-Regierung will die chinesischen Internetgiganten Baidu, Alibaba und Bytedance treffen. Der Chipmangel soll die Entwicklung Künstlicher Intelligenz bremsen. Der Boykott, der bislang nur den Smartphonehersteller Huawei traf, gilt jetzt für 28 weitere chinesische Firmen.

Indessen ist die Technologiebranche international höchst arbeitsteilig organisiert. Taiwan Semiconductor Manufacturing Company (TSMC) hat schon mal vorweg die Erlaubnis erlangt, für ein Jahr Ausrüstung und Maschinen für ihre in China liegenden Halbleiterwerke einzuführen. Auch andere Firmen kommen in den Genuss derartiger Ausnahmeregelungen, damit der US-Wirtschaftskrieg gegen China die Hightechindustrie von Taiwan nicht gefährde.

Nun werden für die Produktion von Akkus und Halbleitern sogenannte Seltene Erden benötigt. Zwei Drittel davon importiert Deutschland aus China. Laut Tagesschau vom 24. Januar wurden von Januar bis November 2022 rund 5300 Tonnen dieser Rohstoffe im Wert von 49,3 Millionen Euro importiert. China liefert derzeit 94 Prozent der weltweiten Gallium-Produktion. Das seltene Metall wird für Chipkarten benötigt, aber auch für LEDs und Solaranlagen. Aber seit dem 1. August gilt eine Verfügung des Handelsministeriums der Volksrepublik China, wonach Unternehmen, die die Metalle mit den schönen Bezeichnungen Gallium oder Germanium ausführen möchten, eine gesonderte Lizenz benötigen. Das wurde Anfang Juli kurz vor dem Besuch der US-Finanzministerin Janet Yellens mitgeteilt. Es könnten zudem Ausfuhrbeschränkungen bei weiteren Rohstoffen folgen. Mit Blick auf die verschärften US-Sanktionen erläuterte Wang Huiyao, Präsident des Center for China and Globalization, einer Denkfabrik in Beijing, die Volksrepublik könne unmöglich »einfach all die Giftpillen schlucken und weiterlächeln«.

Apple-Sturz

Die FAZ berichtete kürzlich, innerhalb von zwei Tagen habe die Firma Apple an Börsenwert 200 Mrd Dollar verloren. Den Absturz hatte, wie sich unterdessen herausstellt, ein Gerücht ausgelöst. Man munkelte, Peking habe iPhones aus immer mehr Ministerien und staatseigenen Unternehmen verbannt.

BYD auf der IAA

Am vergangenen Sonntag, liebe Genossinnen und Genossen, endete die Internationale Automobil Ausstellung (IAA). 27 Klimafreunde verbrachten die Tage in Präventivhaft. Vom Protestcamp mit mehreren tausend Teilnehmern war wenig die Rede. Dafür aber vom chinesischen Auftritt, der den deutschen Platzhirschen die Show stahl, wie es Jörg Kronauer in der jW am Donnerstag kommentierte. „Gut seien sie, die E-Autos aus der Volksrepublik, schwärmten Branchenexperten; in Sachen IT-Ausstattung seien sie Weltspitze, und vor allem brächten chinesische Produzenten auch kostengünstigere, für viele bezahlbare Modelle auf den Markt. Sie stünden in Europa wohl vor dem Durchbruch. Das war die gängige Meinung.“ Aber drei Tage nach der Automesse hat die EU-Kommissionschefin von der Leyen in ihrer Rede zur Lage der Union geklagt, dass die Weltmärkte durch chinesische Elektroautos überschwemmt würden, und Strafzölle angedroht. Angesichts dessen, dass für deutsche Autokonzerne China der wichtigste Markt ist, erscheinen solche Drohungen höchst riskant.

 

Huawei-Erfolg

Vor einer Woche berichtete die Presse vom neuesten Huawei-Smartphone. Es heißt Huawei Mate 60 Pro. Das 5G-fähige Gerät enthält Halbleiter mit einer Strukturgröße von 7 Nanometern. Die FAZ empört sich. Zitat: „Während US-Handelsministerin Gina Raimondo vor anderthalb Wochen China besuchte, stellte der Konzern das Gerät still und heimlich zum Verkauf. Der Zeitpunkt dürfte bewusst gewählt gewesen sein, selbst Staatsmedien setzten in ihrer Berichterstattung das 'zufällig' in Anführungszeichen. Von der Entspannung, die Raimondos Besuch hatte bringen sollen, ist ohnehin längst nichts mehr zu spüren.“

Es schießen laut FAZ Spekulationen ins Kraut darüber, wie Huawei solch ein Handy produzieren konnte.

Im übrigen kann man der Firma Huawei nur gratulieren. Ihr Erfolg ist die schöne Pointe einer Geschichte, die vor fünf Jahren begonnen hat. Am 1. Dezember 2018 wurde die 46-jährige Geschäftsfrau Meng Wanzhou in Vancouver aufgrund eines Ersuchens der Vereinigten Staaten verhaftet. Unter strengen Auflagen kam sie gegen eine millionenschwere Kaution frei. Vancouver durfte sie aber nicht verlassen.

Meng Wanzhou war (und ist) stellvertretende Vorstandsvorsitzende und Finanzdirektorin von Huawei. Ihr Vater Ren Zhengfei hat das Unternehmen gegründet.

Huawei verkauft sehr erfolgreich Mobiltelefone. Zumindest 2020 war das Unternehmen Weltmarktführer. Aber das US-Justizministerium warf Meng und dem Konzern Verstöße gegen die US-Sanktionen gegen den Iran, Bankbetrug, Geldwäsche und Industriespionage vor. Die USA halten das Unternehmen für eine Gefahr für die Cybersicherheit. Es pflege eine zu große Nähe zu den chinesischen Behörden.

Ende Januar 2019 kam es zur Anklage vor einem Bundesgericht in New York.

Mengs Anwälte hielten dagegen.

Aber am 9. Juli 2021 wies die kanadische Richterin Heather Holmes ohne Begründung Mengs Antrag ab, eine Reihe von entlastenden Beweisen vorzulegen.

Erst am 24. September 2021 beendete Richterin Holmes das Auslieferungsverfahren gegen Meng und ordnete gemäß einer Vereinbarung mit dem US-Justizministerium die Aufhebung ihrer Haftauflagen an.

Wenige Stunden nach der Bekanntmachung wurden von chinesischer Seite Michael Spavor und Michael Kovrig freigelassen, zwei Kanadier, die wegen Spionage verurteilt worden waren.

Kriegstreiber MIK

Selbstverständlich verlassen sich die USA nicht nur auf ihre ökonomische Stärke.

Den Knüppel halten sie immer parat. Er hat einen Namen. Es ist der mächtige militärisch-industrielle Komplex (abgekürzt: MIK), vor dessen Einfluss US-Präsident Eisenhower in seiner Abschiedsrede am 17. Januar 1961 schon gewarnt hatte. Allein die puren Militärausgaben machen den gewaltigen Einfluss des MIK sichtbar. Der US-Bundeshaushalt des Jahres 2023 hat die Höhe von 1,6 Billionen Dollar. Davon geht schon die Hälfte ganz offiziell in die Rüstung.

James M. Cypher nimmt aber militärische Gesamtausgaben von 1,6 Billionen Dollar an. Dazu zitiert er in seinem Beitrag vom April 2023, der in der jüngsten „Z“ (Nr. 135, September 2023) abgedruckt ist. Mandy Smithberger und William Hartung hatten im Juni 2021 die Militärausgaben untersucht. Ihre Schätzung beläuft sich auf 1,268 Billionen Dollar. Sie wird von Cypher aktualisiert und angepasst. Er bezieht unter anderem den NASA-Haushalt in Höhe von 24,8 Mrd Dollar ein. Denn der sei seit langem der Entwicklung von Weltraumwaffen gewidmet. Außerdem zählt er die 62,5 Mrd Dollar aus dem US-Finanzministerium dazu, mit denen der Ruhestand der Militärs finanziert werde. Zudem falle die Verdoppelung der Schuldentilgung (auf 40%), die den Militärausgaben der Vergangenheit zuzuschreiben seien, unter die Rubrik Militärhaushalt. Und für eine Summe von 155 Mrd Dollar seien ausländische Militärverkäufe vom Pentagon genehmigt worden.

Die Rüstungsindustrie, so Cypher, stelle gewissermaßen die Basis eines gleichseitigen Dreiecks des MIK dar, die zweite Seite bestehe aus den Streitkräften, den Nachrichtendiensten, den einsatzbereiten Einheiten der Nationalgarde, privaten Söldner-Sicherheitsunternehmen und Veteranenorganisationen. Die dritte Seite werden durch den zivilen nationalen Sicherheitsrat repräsentiert mit dem Chef der Exekutive an der Spitze, dem Außenminister, dem Nationalen Sicherheitsrat, den Mitgliedern der wichtigsten Rüstungs- und Sicherheitsausschüssen des Kongresses, der NASA und die vom Militär und von Auftragnehmern finanzierten, nur scheinbar unabhängigen Denkfabriken in Washington D.C. Laut einer Studie von Shana Marshall (Middle East Report 294 von 2020) erhalten von den fünfundzwanzig meistzitierten US-Thinktanks zwölf „viel Geld von Waffenherstellern“, darunter das International Institute for Strategic Studies, die Brookings Institution, das Center for Strategic an International Studies und das Arab Gulf States Institute.

Eisenhower sah seinerzeit die Gefahr der Einflußnahme des MIK auf Arbeitsplätze und Wirtschaftskraft. Die politische Führung könnte als verlängerter Arm der Lobby der Rüstungsindustrie geneigt sein, Konflikte eher militärisch als politisch zu lösen. Wörtlich sagte Eisenhower 1961: „Wir in den Institutionen der Regierung müssen uns vor unbefugtem Einfluss – beabsichtigt oder unbeabsichtigt – durch den militärisch-industriellen Komplex schützen. Das Potenzial für die katastrophale Zunahme fehlgeleiteter Kräfte ist vorhanden und wird weiterhin bestehen. Wir dürfen es nie zulassen, dass die Macht dieser Kombination unsere Freiheiten oder unsere demokratischen Prozesse gefährdet. Wir sollten nichts als gegeben hinnehmen. Nur wachsame und informierte Bürger können das angemessene Vernetzen der gigantischen industriellen und militärischen Verteidigungsmaschinerie mit unseren friedlichen Methoden und Zielen erzwingen, so dass Sicherheit und Freiheit zusammen wachsen und gedeihen können.“

 

Solingen, 16. September 2023

 

 



[1] Quelle: WTO, World Trade Statistical Review 2022, Table A4. Globaler Westen: USA, Kanada, Europa und Japan.

[2] Obwohl China gemessen am nominalen BIP inzwischen zur zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt hinter den USA und gemessen am kaufkraftbereinigten BIP schon zur größten Volkswirtschaft aufgestiegen ist, wird das Land gemeinhin immer noch als Schwellenland beziehungsweise als eine der „aufstrebenden und sich entwickelnden Wirtschaften“ (emerging and developing economies) eingestuft. China selbst bezeichnet sich vor dem Hintergrund noch bestehender großer regionaler und sozialer Ungleichheiten und im Hinblick auf die sozialistische Zielsetzung als größtes Entwicklungsland der Welt.

[3] Quelle: UNCTAD, World Investment Report, 2017.

[4] Quelle: statista

Zweiter Ratschlag marxistische Politik zur Friedensfrage

Am 17.06.23 fand der zweite Ratschlag marxistische Politik zum Thema „Charakter des Krieges–Analysen aus marxistischer Sicht“ in Frankfurt/M. statt. Ingar Solty referierte Eckpunkte einer marxistischen Analyse des Charakters des Krieges. Ditte Gerns hielt ein viel beachtetes Referat zu den Machtverhältnissen im heutigen Russland. Der nächste Ratschlag wird sich mit Fragen der Gewerkschafts- und Arbeiterbewegung befassen.

Link zum Bericht auf kommunisten.de

 

Harry Belafonte – ein Sänger und Schauspieler für Bürgerrechte, Frieden und Humanismus

Ein Nachruf der International Federation of Resistants Fighters (FIR) - mit freundlicher Genehmigung

Mitte dieser Woche verstarb ein großartiger amerikanischer Künstler, der mit seiner Musik und seinem gesamten Engagement eine bedeutende Persönlichkeit der Bürgerrechtsbewegung nicht nur für die USA war – Harry Belafonte. Als Sohn eines Matrosen und einer jamaikanischen Hilfsarbeiterin am 1.März 1927 in Harlem (New York) geboren, wuchs er in ärmlichsten Verhältnissen auf, einige Jahre auch in Jamaika. Anfang 1945 wurde er Soldat der US Navy, jedoch nicht mehr in Europa im Krieg eingesetzt. In dieser Zeit kam er in Kontakt mit Theater und Bühne. Er erlebte den begnadeten schwarzen Schauspieler Paul Robeson und nahm später Unterricht bei dem deutschen Emigranten Erwin Piscator.  
Seine Karriere als farbiger Musiker war in den 1950er Jahren kompliziert. Er erhielt zwar einen Vertrag, sollte dafür aber Kommerzsongs zur Unterhaltung des weißen Publikums präsentieren. Er stieg aus und versuchte mit Folksongs und Musik aus Westindien („Calypso“) einen Neuanfang. Damit begeisterte er das New Yorker Publikum und trat in berühmten Jazz-Clubs auf.
Belafonte wurde einer der vielseitigsten Sänger der so genannten „Weltmusik“. In diesem Sinne wirkte er zusammen mit vielen anderen Künstlern, die er auf den amerikanischen Bühnen vorstellte, wie z.B. die Südafrikanerin Miriam Makeba oder den damals noch unbekannten Bob Dylan. In den 1970er Jahren unterstützte er Nana Mouskouri, die Musik von Mikis Theodorakis präsentierte. Diesen Auftritt organisierte Belafonte, als Theodorakis von der griechischen Militärdiktatur inhaftiert war. Auch wenn er davon lebte, lehnte er die Musikindustrie ab. So konnte er sich für Rap als Musik aus der Bronx begeistern. Musik und Texte protestierten gegen Unterdrückung, gegen Rassismus und dagegen, dass die Demokratie Amerikas nicht für alle Bürger gilt. Er sah solche Ansätze als Teil der amerikanischen Folk-Tradition, die er als ‚Musik des Volkes‘ bezeichnete. Deren Kommerzialisierung und Brutalisierung lehnte er jedoch ab.
Harry Belafonte verband seine Kunst mit einem hohen politischen und sozialen Engagement. Er wurde Mitstreiter der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung und engagierte sich gegen Apartheid und den Vietnamkrieg. Beim Marsch für die Bürgerrechte 1963 in Washington D.C. sah man ihn an der Seite von Sidney Poitier und Charlton Heston. Geld, das er mit Kaffeereklame verdiente, spendete er der Indianerbewegung. Mit seiner ersten verdienten Millionen unterstützte er den Bau eines Krankenhauses für Arme. Seit 1987 war er „Botschafter des guten Willens“ der UNICEF.
Mit seinem Einsatz für die schwarze Bürgerrechtsbewegung, dem humanitären Engagement und als Aktivist der Friedens- und Anti-Atomkraft-Bewegung machte sich Belafonte durch Auftritte in der ganzen Welt einen Namen, unter anderem trat er auf Friedensdemonstrationen in Deutschland auf.
Dieses breite Engagement legitimierte er mit folgendem Satz: „Die Leute, die uns die Bürgerrechte absprechen, sind genau die gleichen Leute, die den Weltfrieden ablehnen.“
Im Gegensatz zur US-Außenpolitik fühlte er sich eng verbunden mit Kuba, das für ihn ein Land war, was großen Wert auf die Kultur seiner Menschen und die Entwicklung dieser Kultur legt. Zudem unterstützte er die politische Entwicklung in Venezuela unter Hugo Cháves.
Angesprochen auf seine Ablehnung des US-Krieges im Irak und seine Kritik an der Regierung von Georg W. Bush antworte Belafonte in einem Interview: „Wer gibt uns das Recht, die Menschen im Irak zu töten? Bush behauptet, dass Amerika zum ersten Mal Terroristen jagt – dabei ist Terrorismus ein Teil des amerikanischen Systems. Amerika hat eine ganze Rasse vernichtet, die Indianer. Das ist Terror.“ Harry Belafonte vertrat bis zuletzt sozialistische Ideale. 2016 unterstützte er im Vorwahlkampf die Kandidatur von Bernie Sanders bei der Präsidentschaftswahl in den Vereinigten Staaten.

Sensationeller Wahlerfolg für Kommunisten in Salzburg

von Georg Polikeit

Das war die Überraschung des Wahlsonntags am letzten Wochenende (23.4.2023) im österreichischen Bundesland Salzburg. Die Liste der „KPÖ Plus“ machte bei einer Wahlbeteiligung von 70,9 % einen Sprung von 0,4 (Landtagswahl 2018) auf 11,66 Prozent. Sie erreichte damit erstmals seit Jahrzehnten ein zweistelliges Wahlergebnis und den 4. Platz im Salzburger Parteienspektrum. Sie überholte die Grünen, die mit leichten Verlusten (- 1,1 %) auf 8,2 % und damit auf Platz 5 kamen, und liegt nur 6,2 % hinter der SPÖ, die bei einem Verlust von 2,1 % mit 17,9 % Platz  3 des Salzburger Parteienspektrums erreichte. Bei den Wählerinnen und Wählern unter 30 Jahren belief sich der Stimmanteil der KPÖ Plus sogar auf 13 %, bei den Frauen auf 12 %. Die KPÖ zieht damit erstmals seit 1949 wieder mit 4 Abgeordneten in den Salzburger Landtag ein. Das ist der zweite Landtag in Österreich, in dem die Kommunisten vertreten sind, nach dem Einzug schon im Jahr 2005 in den Landtag der Steiermark.

Stärkste Partei im Bundesland Salzburg blieb mit 30,4 % die rechtskonservative ÖVP („Österreichische Volkspartei“, Äquivalent zur deutschen CDU/CSU), obwohl sie mit einem Stimmenrückgang um 7,4 % einen schweren Verlust zu verzeichnen hatte. Auf dem zweiten Platz landete die rechtsextreme FPÖ („Freiheitliche Partei Österreichs“, in etwa vergleichbar der deutschen AfD) mit 25,7 %. Sie nahm um 6,9 % zu, blieb damit allerdings deutlich hinter ihren Erwartungen zurück, bei dieser Wahl die Spitze übernehmen zu können. Absoluter Wahlverlierer sind die liberalen NEOS („Das Neue Österreich“). Sie hatten sich 2018 zusammen mit ÖVP und Grünen an der Salzburger Landesregierung („Dirndlkoalition“) beteiligt, was sich für sie aber offensichtlich nicht auszahlte. Sie gingen von 7,3 % auf 4,2 % zurück und flogen deshalb, an der bestehenden Fünfprozentklausel scheiternd, ganz aus dem Landtag (s. Tabelle am Ende des Textes).

In der Landeshauptstadt Salzburg selbst, der „Mozartstadt“ (Geburtsstadt des international berühmten Komponisten Wolfgang Amadeus Mozart), in der seit langem bürgerllch-konservative und rechte Wählerstimmungen dominieren, war das Ergebnis für die KPÖ Plus noch besser als im Durchschnitt des Bundeslandes. Hier kam die KPÖ Plus sogar auf 21,5 %, womit sie zweitstärkste Partei in der Stadt nach der ÖVP wurde, die mit 24,8 % nur noch 3,3 % vor den Kommunisten liegt. Die Kommunisten überholten hier sogar die rechtsextreme FPÖ und auch die SPÖ und die Grünen.

Das „Plus“ in der Parteibezeichnung steht übrigens als Abkürzung für „Plattform Unabhängig & Solidarisch“. Sie bezeichnet das Bündnis, zu dem sich die traditionelle KPÖ seit 2017 mit den „Jungen Grünen“ und anderen Linken zusammengeschlossen hat. Die Jungen Grünen waren ursprünglich Teil der Grünen Partei. Im Ergebnis verschiedener politischer Differenzen entwickelte sich jedoch eine zunehmende Kluft mit der grünen „Mutterpartei“, bis es im März 2017 zum offenen Bruch kam. Die Parteispitze der Grünen verkündete den Rauswurf der Jungen Grünen aus der Partei. Im Ergebnis intensiver Diskussionen einigten sich diese daraufhin, zu der anstehenden Nationalratswahl (Parlamentswahl) zusammen mit der KPÖ unter der Bezeichnung „KPÖ PLUS“ anzutreten.

Der Spitzenkandidat der KPÖ Plus in Salzburg, der 34-jährige Kay-Michael Dankl, der Geschichte studiert hat und derzeit in Teilzeit als Museumsführer arbeitet sowie seit 2019 für die KPÖ Plus im Salzburger Gemeinderat sitzt, war zuvor selbst Mitglied der Jungen Grünen und 2015 – 2017 deren Bundesvorsitzender gewesen. Er war nach dem Bruch mit der Grünen Partei aktiv an der Hinwendung zur KPÖ beteiligt. Die KPÖ Plus bot den Wählerinnen und Wählern also bei der jetzigen Landtagswahl mit dem jungen Team von Aktivisten um Dankl gegenüber früher ein völlig neues Gesicht. Das dürfte eines der Elemente gewesen sein, die zum Wahlerfolg der kommunistischen Liste in Salzburg beigetragen haben.

Dankl selbst verwies in seiner Stellungnahme zum Wahlergebnis darauf, dass der Wahlerfolg der KPÖ Plus in Salzburg ein „starkes Zeichen“ dafür sei, dass viele Menschen, enttäuscht von den bisher vorherrschenden Parteien, eine „andere und ehrliche Politik“ wollen. „Eine Politik, die endlich die extrem teuren Wohnkosten und die explodierenden Energiepreise angeht. Eine Politik, die verhindert, dass viele Menschen trotz Arbeit zu wenig zum Leben haben. Eine Politik, die dafür sorgt, dass kein Kind in Armut aufwächst“.

Diese allgemeine Stimmungslage und das Suchen nach einer glaubwürdigen Alternative, ohne den Ausweg bei den Rechtsextremisten zu sehen, war zweifellos ein weiteres Element, das den Wahlerfolg der KPÖ Plus in Salzburg erklärbar macht.

Vor allem aber erklärt sich dieser Erfolg aus der hartnäckigen Arbeit vor Ort und dem anhaltenden Einsatz der KPÖ-Plus für soziale Belange der Bevölkerung und auch kleinste kommunale Verbesserungen. Die seit November 2021 kommunistische Bürgermeisterin in Graz, der Landeshauptstadt der Steiermark, Elke Kahr, die persönlich am Wahlkampfeinsatz in Salzburg teilgenommen hat, stellte dazu fest: „Dass die KPÖ in einem weiteren Bundesland in den Landtag einziehen kann, ist nicht vom Himmel gefallen. Es ist das Ergebnis jahrelanger Arbeit mit viel persönlichem Einsatz und guten Ideen für die Leute in Salzburg.“

Spitzenkandidat Dankl seinerseits sagte wiederholt, dass er sich am Beispiel der Grazer KPÖ orientiere. Dementsprechend machte die Salzburger KPÖ Plus ebenfalls die Frage der Wohnungspolitik und der dramatisch steigenden Wohnungskosten sowie die konkrete Hilfe für Mieterinnen und Mieter in Not zu einem Schwerpunkt ihres Wahlkampfs. Nach Grazer Vorbild hielt Spitzenkandidat Dankl auch in Salzburg in den letzten Monaten mehrere hundert Sozialsprechstunden ab. Die Kandidatinnen und Kandidaten der KPÖ Plus verkündeten wie in Graz, dass sie, wenn sie gewählt werden, sich mit einem Einkommen von ca. 2000 Euro begnügen werden und den Rest ihrer Abgeordnetenvergütungen in eine Hilfskasse für Menschen in Not spenden werden. Dankl konnte darauf verweisen, dass er von seiner Gemeinderatsvergütung seit 2019 rund 20 000 Euro in eine solche Hilfskasse abgeführt hatte.

Dankl erklärte in einer Stellungnahme zum Wahlerfolg in Salzburg: „Wir sehen den heutigen Tag nicht in erster Linie als Wahlsieg, sondern als Auftrag, den die Wählerinnen und Wähler uns erteilt haben. Wir nehmen diese Herausforderung an – und wissen, dass es eine große Aufgabe sein wird.“ Mit einem Wahlsieg sei noch nichts gewonnen, nur eine bessere Ausgangslage erreicht. „Heute freuen wir uns – und morgen beginnt die nächste, größere Herausforderung“. Denn noch gebe es keine politischen Mehrheiten für eine Politik, die sich wirklich für leistbare Mieten, gute Pflege und ein vernünftiges Bildungssystem einsetzt. Daher gebe es „keinen Grund zur Selbstzufriedenheit oder sich jetzt auszuruhen“. „Es freut uns, dass wir stark an Vertrauen gewonnen haben. Dass viele Menschen Hoffnung in uns setzen“. Doch dieser Wahltag sei „kein Ende, sondern ein Anfang“. Durch den Einzug in den Landtag habe man mehr Möglichkeiten. Aber „ob wir wirklich etwas zu feiern haben, sehen wir in fünf Jahren“. Erst dann werde man beurteilen können, „was wir erreicht haben“.

Weitere Infos auf kommunisten.de

Land Salzburg - Landtagswahl am 23. April 2023

 

LTW 2023

LTW 2018

Differenz

absolut

in %

absolut

in %

absolut

in PP?

Wahlberechtigte

 

386.972

         

390.091

       

-

3.119

       

abgegebene Stimmen

 

274.521

   

70,9

   

253.396

   

65,0

 

21.125

 

6,0

 

davon ungültig

 

5.331

   

1,9

   

2.857

   

1,1

 

2.474

 

0,8

 

davon gültig

 

269.190

         

250.539

       

18.651

       

ÖVP

 

81.752

   

30,4

   

94.642

   

37,8

 

12.890

 

-

7,4

 

SPÖ

 

48.099

   

17,9

   

50.175

   

20,0

 

2.076

 

2,2

 

FPÖ

 

69.310

   

25,7

   

47.194

   

18,8

 

22.116

 

6,9

 

GRÜNE

 

22.074

   

8,2

   

23.337

   

9,3

 

1.263

 

1,1

 

NEOS

 

11.310

   

4,2

   

18.225

   

7,3

 

6.915

 

3,1

 

KPÖ

 

31.383

   

11,7

   

1.014

   

0,4

 

30.369

 

11,3

 

WIRS

 

3.191

   

1,2

             

3.191

 

1,2

 

MFG

 

2.071

   

0,8

             

2.071

 

0,8

 

Einschätzende Anmerkungen zum 25. Parteitag der DKP

26. März 2023 - Rainer Dörrenbecher

Der 25. Parteitag der DKP fand statt in einer sehr komplizierten internationalen Lage mit ebenso komplizierten Herausforderungen an nicht-imperialistische und realistische Kräfte, nicht nur zur Beendigung des Russland-Ukraine-Krieges. Der Parteitag fand statt vor dem Hintergrund der notwendigen Einschränkung des Klimawandels und der damit verbundenen Veränderung der Produktions- und Lebensweise. Das stellt die Arbeiterbewegung international vor komplizierte gesellschaftspolitische und soziale Herausforderungen - auch in Deutschland, einem der höchst entwickelten imperialistischen Länder. Auf dieser Grundlage sollte der 25. DKP-Parteitag beurteilt werden.

Patrik und Wera haben eine sehr positive Bilanz gezogen, Patrik im Schlusswort auf dem Parteitag und im Interview mit „Junge Welt", Wera im Artikel Ein vorwärtsweisender Parteitag | Unsere Zeit (unsere-zeit.de) u.a. Orientiert an der Aufgabenstellung und den Vorgaben des Sekretariats für die Diskussion ist die Wertung im Wesentlichen zutreffend. Ausgehend davon, dass die gegenwärtige Lage und Perspektive nicht nur der ArbeiterInnenklasse, sondern der Menschheit andere, weitergehende Fragen und Versuche von Antworten braucht, bleibt der DKP Parteitag hinter diesen Anforderungen weit zurück. Wichtige, entscheidende Probleme wurden nicht thematisiert. Dieser Parteitag erhöht nicht die Politikfähigkeit der DKP. Das politische Niveau von Referat und vieler Diskussionsbeiträge bleibt hinter den Herausforderungen zurück. Die Bilanz fällt deshalb sehr kritisch aus.
Die Diskussion war auf dem Parteitag inhaltlich aufgeteilt in die Diskussion zum Referat und Berichte zu drei Komplexen: in Erfahrungsaustausch Wirken an die Klasse, Erfahrungsaustausch Kommunalpolitik, Erfahrungsaustausch Friedens- und sozialer Kampf, Bündnispolitik sowie zeitlich begrenzte Debatten zu den Anträgen „Heizung, Brot ..." und „China".
Die Zusammensetzung der Delegierten war sehr einheitlich. Der kritische Teil marginal. Patrik und Wera haben ein außerordentlich breites Vertrauen bei den Delegierten; das wurde bei den Wahlen unmissverständlich. Bei 170 abgegebenen Stimmen erhielten Patrik 157 und Wera 160 Stimmen. Nach dem Weggang einiger linksradikaler GenossInnen hält der verbliebene Teil - trotz Meinungsverschiedenheiten - (fest) zusammen. Auffallend ist allerdings, dass außer Björn Blach niemand mehr aus den ehemaligen Führungen der SDAJ vertreten ist.

Grußschreiben von Bündniskräften gab es von Anne Rieger, Bundesausschuss Friedensratschlag; Florian Gutsche, Bundesvorsitzende der VVN-BdA, DIDF und weiteren engen Partnern. (siehe UZ, 24.03.)
Der interne Aufruf „Heran an die Klasse" hat sich als Ausdruck der Situation der Partei bestätigt. Die DKP wirkt nicht in der Klasse, sie ist nicht Teil der Klasse, sie muss an die ArbeiterInnen-Klasse heran. Die Ausnahme ist die Gesundheitsbranche bei der eine inhaltliche und betriebliche Verankerung deutlich wurde. Dieses Problem wird von der Führung ignoriert, im Referat nicht benannt und von den Delegierten nicht erkannt oder ebenfalls ignoriert. Das wurde auch inhaltlich deutlich. Die sozialen Probleme und Sorgen der Menschen, der ArbeiterInnen-Klasse (es wurde immer in der männlichen Form gesprochen), der Betriebsbelegschaften wurden als Bezugspunkte für die Politik der Partei betrachtet, nicht wirklich als Probleme. Wichtig ist, dass die Partei sich darstellt; Symbolpolitik statt politischem Inhalt.
Im Referat gibt es keine Aussagen zur Lage der Industriearbeiterschaft, zu Problemen und sozialen Auswirkungen des Umbaus der Autoindustrie. Der Diskussionsbeitrag von Isa Paape war der einzige aus der materiellen Produktion. Es war auch der einzige Beitrag, der sich mit der anhaltenden Veränderung der Produktion und Arbeitsbedingungen und dem konkreten Bewusstsein in Belegschaften beschäftigte. Die soziale und gewerkschaftliche Zusammensetzung des neuen PV spiegelt dies wieder; niemand ist in der materiellen Produktion tätig.

Das Problem der Produktivkraftentwicklung, eher in der China-Debatte angesprochen, wird inhaltlich auf die Produktionsmittel reduziert und nicht verstanden. Die Klima- und Ökologie-Problematik fehlte im Referat, fehlte im Antr.HBF, auch in der Fassung der Antrags Kommission. Ein kleiner Abschnitt wurde dann aufgenommen. Die Notwendigkeit wegen der Klima- und Ökologie-Problematik, eine gravierende Transformation der Produktivkräfte einschließlich unserer Lebensweise durchzuführen, wird nicht erkannt (?), bewusst ignoriert (?), als bürgerliche Menschheitsfrage diffamiert. In einem Diskussionsbeitrag in der allgemeinen Debatte wurde die Hinwendung zur Ökologie- und Klima-Politik gefordert, nicht wegen des Problems, sondern weil die Bewegung fragwürdige Standpunkte und Forderungen vertrete.

Die „Marxistischen Blätter" wurden gewürdigt; deren Beiträge zur Problematik der Transformation, wie z.B. MB 5/2021 Kapitalismus im Umbruch, sind inhaltlich nicht erkennbar.
Die Partei Die Linke ist weiterhin Hauptadressat von Kritik. Die Aussagen von Transatlantikern werden verallgemeinert, deren Zurückweisung in der PdL wird ignoriert und Differenzierung findet wie gewohnt nicht statt. Kritik an der russischen Aggression und der Politik der KP Chinas aus der PdL stellt diese mit der NATO-Politik auf eine Stufe.
Problematisch sind weiterhin die inhaltliche Wertung und die Orientierung auf rechtsorientierte Kräfte in Bewegungen. Die Bagatellisierung demokratiefeindlichen und rechtsorientierten Bewusstseins, wie es u.a. bei den „Corona-Demos" deutlich wurde, wird nicht in Frage gestellt. Es wird stattdessen davor gewarnt, diese „als Rechte abzustempeln". Unter dem Stichwort „neuer, uns ggf. unbekannter Kräfte" zitierte Patrik aus der 2. PV-Tagung u.a.: „Wir müssen bei der Einordnung ebenfalls beachten, dass auch Teile der antifaschistischen Bewegung dazu neigen, Aktionen und die daran Beteiligten zu schnell als Rechte abzustempeln. Damit läuft man dann eher Gefahr, Menschen den Rechtskräften tatsächlich in die Arme zu treiben."
Dementsprechend wurde in der allg. Diskussion „Querfront" nicht inhaltlich sondern als formal vereinbartes Bündnis definiert. Da es das nicht gibt, gibt es auch keine Querfront. Zugleich wurde der VVN-BdA in Beiträgen u.a. in der „Antifa-Rundschau" Antikommunismus unterstellt.

Vertieft wurde diese Orientierung von Wera Richter in ihrem Einführungsbeitrag zum „Erfahrungsaustausch Friedens- und sozialer Kampf, Bündnispolitik". Meine Notiz: „Friedensdemos im Osten, die sich aus den Corona-Protesten entwickelt haben, werden als Querfront diskreditiert". Auch hier keine differenzierte Betrachtung des Bewusstseins. Die AfD sei keine faschistische Partei, obwohl es derartige Tendenzen gäbe.
Im Referat wird im Wesentlichen festgehalten an der bekannten eindimensionalen Betrachtung der globalen Situation. Im Zusammenhang mit Betrachtungen über „die Verschärfung der allgemeinen Krise des Kapitalismus" und der „möglichen Herausbildung einer multilateralen bzw. -polaren Weltordnung handelt es „sich bei der Russischen Föderation um einen Kapitalismus, der durch die führenden Imperialisten in manchen Bereichen zu Antiimperialismus gedrängt wird." Die ist eine kleine Veränderung der ursprünglichen Position, nach der „Russland eine objektiv antiimperialistische Außenpolitik betreibe." Die VR China wird im Referat und im China-Beschluss unkritisch „als eine antiimperialistische Kraft" dargestellt. In der allg. Disk. wird die „VR China als Motor der antiimperialistischen Abwehrfront" bezeichnet. Ebenso betreibe der Iran „oft eine antiimperialistische Außenpolitik", der „nach innen ein klerikales, oft reaktionäres Regime hat." Offensichtlich sind Länder, die sich gegen die USA u.a. imperialistische Länder wehren, durch ihren Widerstand „antiimperialistisch". Keine Rolle spielen politisch-ökonomische Hintergründe und die innere Verfasstheit dieser Länder.
Zur Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung heißt es, die innergewerkschaftliche Debatte entspreche „weder dem Kriegskurs noch der Dramatik der sozialen Angriffe." So richtig diese allgemeine Kritik ist, es wird auch hier nicht differenziert, sondern lediglich pauschalisiert. Die Lage der ArbeiterInnenklasse wird reduziert auf den Armutsbericht des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes und die gravierenden Preissteigerungen. Keine Äußerung zum Problem Zukunft der Arbeit. Mit dem Halbsatz zu der „unsäglichen Aussage von Kollegin Fahimi" und dass es „unsere Aufgabe sei, diese Ruhe zu beenden", ist das Thema beendet.
Bemerkenswert ist eine leichte Veränderung in der Bündnis-Taktik im Kampf um Frieden und Abrüstung. Danach könnte ein möglicher inhaltlicher Konsens zum Russland-Ukraine-Krieg sein: „Es geht um Stopp der Waffenlieferungen und Stopp der Hochrüstung und es geht um Verhandlungen jetzt, damit die Waffen schweigen können, für eine Friedensordnung, die die Sicherheitsinteressen aller Seiten berücksichtigt. Das ist nicht identisch mit dem, was wir als Partei fordern, ..." Ich würde nicht von Veränderung in der Bündnis-Politik sprechen. Zu der Änderung dürften die politische Praxis der Partei und Druck auf die Führung beigetragen haben. „Wir sollten im Bündnis weder die Beurteilung des russischen Angriffs, noch die Beurteilung des jetzigen Wesens des Krieges zur Bedingung der Zusammenarbeit machen, allerdings sollte man das umgekehrt von uns auch nicht verlangen. Hier ist es aktuell nicht einfach und hat uns mancherorts auch im Hinblick auf die Ostermärsche zu einer differenzierten Herangehensweise gezwungen."
Die Diskussions-Beiträge in den drei Komplexen waren überwiegend Berichte über Aktivitäten der Partei. Einige waren zu Bündnisaktionen, bei denen die Rolle der Partei dargestellt wurde und aus dem Gesundheitswesen über betriebliche und gewerkschaftliche Aktivitäten. Viele Beiträge waren von relativ jungen GenossInnen mit Ersterfahrungen bei betrieblichen, gewerkschaftlichen Kämpfen. Viele Beiträge bezogen sich auf Solidaritätsaktionen mit Belegschaften. Nur einige wenige kamen von GenossInnen als Belegschaftsmitglieder, die auch ein differenziertes Bild der Stimmung und des Bewusstseins darstellten.
Die Gewerkschaften, die Friedensbewegung, Bündnisse werden nicht als Subjekte der Veränderung, von Bewegungen im Kampf gegen Preissteigerungen, Rüstungspolitik, Rechtsentwicklung gesehen; sie sind Objekte in denen die DKP ihre Politik einbringt, um die Richtung zu zeigen.

Der umfangreiche Beschluss „Heizung, Brot, Frieden" dürfte in der Politik und Praxis der Partei nur in wenigen Grundeinheiten eine Rolle spielen. Dazu ist er inhaltlich zu kompliziert und als Handlungsorientierung ungeeignet. Deshalb (?) wurde der PV beauftragt ein Sofort-Forderungs-Programm zu erarbeiten.
Der China-Antrag wurde mit vielen Änderungen als Zwischenstand der Diskussion beschlossen und der PV beauftragt die Fortsetzung der Disk. zu organisieren. Es wurde angekündigt, noch in diesem Jahr eine theoret. Konferenz (oder so) durchzuführen. In der begrenzten Aussprache und der Antragsdebatte gab es mehrere Beiträge und Anträge zum Wesen des Sozialismus allgemein. Es wurde die Sorge geäußert, die Legitimierung des chinesischen Weges zum Sozialismus bedeute eine Abkehr von unserer programmatischen Orientierung. Für andere entspricht der chinesische Weg und seine Definition im Antrag nicht den marxistischen Kriterien. In der Debatte haben Patrik und andere der Führung immer wieder betont, die Aussagen zu Kriterien des sozialistischen Aufbaus würden sich auf den chinesischen Weg beziehen und es gäbe keine Veränderung unserer Programmatik.

Im Live-Ticker heißt es zum Schlusswort: „Insbesondere angesichts der laufenden Arbeitskämpfe komme es nun darauf an: Rein in die Gewerkschaften und dort die Debatte führen. Gewerkschaften seien kein beliebiger Bündnispartner, sondern Schulen des Klassenkampfes ..." Worum die Debatte führen? Heizung, Brot und Frieden mit Russland und China - das ist zu kurz gedacht.

Wirtschaftskrieg und Inflation: Wer sind die Gewinner, und wer die Verlierer?

Marxistischen Abendschule Elmshorn am 1. 3. 2023

Putin beginnt einen Krieg und der Westen antwortet mit einem Wirtschaftskrieg, der Russland "ruinieren" soll, so Bundesaußenministerin Baerbock. Ein Importstopp für Energie aus Russland wird inszeniert. Es entsteht eine Inflation, die in nie dagewesener Geschwindigkeit auf eine nie dagewesene Höhe springt. Eine Umverteilung phantastischen Ausmaßes bahnt sich an. Die Abermilliarden zur Finanzierung des Wirtschaftskrieges sitzen locker. Das Ziel, Putins Angriff durch die Ruinierung seines Landes zu stoppen, wird dennoch nicht erreicht.

Und alles, was mal mit Klimaschutz war, das rangiert unter ferner liefen, völlig sekundär.

Wir wollen fragen:

Inwiefern sind die Armen bei dieser Inflation viel stärker und vielfältiger betroffen als die Einkommensstarken? Wo stecken eigentlich die Krisen- und Inflationsgewinner? Und vor allem der Erdgas-Wirtschaftskrieg: Wohin entwickelt er sich: finanziell – klimamäßig – im neuen Kalten Krieg?

Die aktuellen ökonomischen Entwicklungen und politischen Zuspitzungen stellen immer mehr Menschen vor große Herausforderungen und führen zu existenziellen Bedrohungen für große Teile der Bevölkerung.
Der Ökonom Franz Garnreiter vom Institut für sozial-ökologische Wirtschaftsforschung München wird mit uns über die Preissteigerungen, ihre Ursachen und Bedingungen sprechen und hinterfragen, was auf die Bevölkerung noch zukommen kann. Weiterhin wird er Alternativen vorschlagen.

Die Veranstaltung wird am 01.03. um 19 Uhr im Reinhold-Jürgensen-Zentrum, Jahnstraße 2A in Elmshorn stattfinden.
Nach einer Einführung durch den Referenten wird es die Möglichkeit geben, in gemütlicher Runde über das Thema zu diskutieren. Der Eintritt ist frei, es wird zudem Kekse und Getränke geben.

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