04.06.2017: Bericht von einer Veranstaltung des Netzwerks kommunistische Politik
Die digitale Transformation der kapitalistischen Gesellschaft stellt die Arbeiterbewegung und ihre Organisatoren vor zahlreiche Herausforderungen. Dies wurde erneut deutlich auf der Veranstaltung „Arbeit 4.0 und Kapitalismus“ des Netzwerks kommunistische Politik in Wuppertal. Die Teilnehmenden erwartete ein strammes Vortragsprogramm, das aber immer wieder durch Diskussionen und eine Workshop-Phase unterbrochen wurde.
Zu Beginn informierte Thomas Hagenhofer (Informationswissenschaftler, DKP Saarland) im Vortrag „Digitalisierung im Kapitalismus – Verschwindet die Arbeit, wie wir sie kennen?“ über den aktuellen Forschungsstand zu den Folgen für Arbeitsmarkt und Beschäftigung. Die vor uns liegenden Veränderungen in der Arbeitswelt würden von Unternehmensseite zu einer neuen Offensive für Deregulierung und Flexibilisierung genutzt. Vor allem gelte es, die weitere Spaltung von Belegschaften durch Beschäftigungsformen und den unterschiedlichen Zugang zu Bildung zu verhindern.
Im zweiten Vortrag „Arbeiten 4.0 und gesellschaftlicher Fortschritt“ referierte der Softwareexperte Rainer Fischbach zur grundsätzlichen Bedeutung der Digitalisierung. Fortschritt dürfe sich nicht am Grad der Intelligenz von Maschinen bemessen. Das eigentliche Grundproblem sei, dass die Naturbeherrschung durch den Menschen nicht beherrscht wird. Hinter Konzepten wie „Internet of Things“ stehe eigentlich die Vergesellschaftung von Artefakten. Diese Integration führe zu einer neuen Qualität von Transparenz und damit von Herrschaft. Totale Vernetzung bedeute eigentlich totale Anhängigkeit.
„Work around the clock? – Arbeitszeit und Gesundheitsschutz“ stand im Mittelpunkt des Vortrags von Heinz Fritsche vom Ressort Arbeitsgestaltung und Gesundheitsschutz beim Vorstand der IG Metall. Faktenreich schilderte der Referent die zunehmenden Belastungen von arbeitenden Menschen durch die Digitalisierung, aber auch die Hoffnungen und Wünsche, die mit diesem Prozess verbunden sind. Große Bedeutung habe der Schutz vor Entgrenzung bei der Arbeitszeit, vor Ausweitung der Schichtarbeit. Es gehe drum, mehr Zeitsouveränität für die Beschäftigten statt Flexibilität für Unternehmen durchzusetzen. Als besonders verwerflichen Vorgang von „Zeitdiebstahl“ benannte er den dramatisch zunehmenden Verfall von Überstunden durch die Kappung von Arbeitszeitkonten und anderen Formen unbezahlter Mehrarbeit.
In den anschließenden vier Arbeitsgruppen zu den Themen Arbeitszeit, Arbeits- und Gesundheitsschutz, zu Bildung/Qualifizierung, Datenschutz und Demokratie/Mitbestimmung diskutierten die über 30 Teilnehmer/innen über Chancen, Herausforderungen und weiter zu untersuchende Fragen im jeweiligen Bereich. In der ersten Arbeitsgruppe wurde auf die Bedeutung der Entwicklung von eigenen Forderungen hingewiesen. Beschäftigte und ihre Organisationen/Vertretungen müssten entwickeln, wie sie in Zukunft arbeiten wollen und über die Grenzen der heutigen kapitalistischen Produktionsweise hinausdenken. Es ginge eben um qualitative Arbeitszeitverkürzung als entscheidende Maßnahme zur Beschäftigungssicherung. Die Teilnehmenden an der AG Bildung/Qualifizierung warnten insbesondere vor der weiteren Aufspaltung der Beschäftigten. Bildung sei nicht die ganze Lösung, wie viele meinten, könne aber wichtige Beiträge gegen Beschäftigungsverlust leisten. Insbesondere sollte verhindert werden, dass sich die Unternehmer aus ihrer Verantwortung stehlen und die riesigen Qualifizierungsbedarfe vom Staat übernommen werden. Es gelte das Recht auf Qualifizierung breit durchzusetzen, notwendige Umschulungen müssten frühzeitig durchgeführt und vom Arbeitgeber finanziert werden. Zweijährige Schmalspurausbildungen müssten abgeschafft werden. In der AG Datenschutz wurde auf das Problem hingewiesen, dass die umfangreichen Rechte der Arbeitnehmervertretungen aufgrund von Überlastung dieses Thema vernachlässigten. Zudem erschwere oftmals das mangelnde Bewusstsein zum Schutz persönlicher Daten bei den Beschäftigten selbst die Durchsetzung. In der AG Demokratie und Mitbestimmung wurde deutlich, dass die bisherigen Mitbestimmungsrechte durch Arbeit 4.0 massiv ausgehebelt werden. Die Verlagerung der Kommunikation in Social media-Plattformen verhindere mehr und mehr die direkte persönliche Kommunikation unter den Beschäftigten. Im Interesse der arbeitenden Menschen sollten eigene Apps entwickelt werden, deren Fokus auf der Stärkung demokratischer Mitwirkung liegen müssten.
Im letzten Vortrag des Tages informierte Uwe Fritsch, Konzernbetriebsrat bei VW, über die Herausforderungen durch die digitale Arbeitswelt. An Beispielen machte er den gewaltigen Leistungssprung im Bereich der Hardwareentwicklung deutlich, die jetzt auch zu einem Sprung in der Anwendungsentwicklung führe. Um Teilhabe und gleiche Chancen für alle Beschäftigten sicher zu stellen, müssten vor allem die geltenden Mitbestimmungsrechte ausgeweitet und an die veränderten Bedingungen angepasst werden. Eine humane Arbeit 4.0 falle nicht vom Himmel sondern müsse von Gewerkschaften und Betriebsräten durchgesetzt werden.
Thomas Hagenhofer
Die Vorträge der Referenten im Anhang