03.03.2019: Betrachten wir die politische Situation zur Haltung der DKP zu den EU - Parlamentswahlen 2019, so ergibt sich ein widersprüchliches Bild. In dem Referat von Stephan Müller, DKP München, wird in einem kurzen Abriss die Geschichte Teileuropas von den Römischen Verträgen bis zur EU dargestellt und bewertet. Ziel ist es offensichtlich zu beweisen, dass die EU ein imperialistisches Konstrukt ist, aus dem man austreten muss, weil es nicht reformierbar ist.
Im gültigen Parteiprogramm von 2006 heißt es zum Thema:
Die weitere Entwicklung der Europäischen Union wird davon abhängen, inwieweit es der gewerkschaftlichen und politischen Arbeiterbewegung, der globalisierungskritischen Bewegung, den demokratischen Kräften gelingt, im gemeinsamen Handeln die Beherrschung der EU – Institutionen durch das Monopolkapital einzuschränken, diese Institutionen zu demokratisieren und selbst Einfluss auf deren Entscheidungen zu gewinnen. Der imperialistische Charakter der EU - Konstruktion macht jedoch die Erwartung illusorisch, diese Europäische Union könne ohne einen grundlegenden Umbruch in ihren gesellschaftlichen Verhältnissen zu einem demokratischen, zivilen und solidarischen Gegenpol zum US - Imperialismus werden. Nur ein Europa, das gegen den Neoliberalismus und für den Frieden in der Welt arbeitet, würde das internationale Kräfteverhältnis entscheidend verändern. Dazu muss die Macht der Transnationalen Konzerne gebrochen und müssen die Kämpfe auf nationaler und europäischer Ebene miteinander verbunden werden.
Dass Genossinnen und Genossen, die immer wieder die Programmposition unterstützen, von irgendeiner Reformierbarkeit des Systems Kapitalismus / Imperialismus ausgehen, ist eine durchsichtige Zweckbehauptung. Allerdings bleiben Grundsätze des Kampfes um progressive Reformen notwendige Bestandteile des Kampfes um revolutionäre Veränderungen, also eines Bruchs mit den kapitalistischen Eigentums- und Machtverhältnissen. Dort, wo das Referat des Genossen Müller endet, fangen viele Fragen zur aktuellen Entwicklung in der EU erst an.
Aus meiner Sicht geben das DKP - Programm und z.B. die wahlpolitischen Forderungen der DKP von 2009 bis heute gültige Antworten, die allerdings durch Positionen zu aktuellen Herausforderungen erweitert werden müssen.
So eine Erweiterung ist der „Gemeinsame Appell zu den EU - Wahlen“, der u.a. von der DKP und der Partei „Die Linke“ unterzeichnet wurde. Dort wird für eine notwendige progressive Veränderung und Reformen in der EU geworben.
Einige Zitate aus Überschriften:
- Für ein Europa der sozialen Rechte
- Für ein Europa des wirtschaftlich, sozial und ökologisch nachhaltigen Fortschritts
- Für ein Europa des Friedens und der Zusammenarbeit mit den Völkern der Welt.
Zur Selbstverpflichtung der Unterzeichner heißt es dort: „Mit der Unterzeichnung dieses Appells verpflichten wir uns, diese Ziele und Richtlinien zu verteidigen. Je größer unsere Stärke ist, desto stärker werden die Kämpfe für ein Europa der Zusammenarbeit, des sozialen Fortschritts und des Friedens.“
Nicht nachvollziehbar wird die Darstellung im DKP - Wahlprogramm zum Thema ‚Brexit‘. Zitat: „Ein Schritt wäre der Austritt aus der EU.“ Und dann wird auch noch positiv auf den Brexit verwiesen. Aber wo sind fortschrittliche Entwicklungsmöglichkeiten nach dem Brexit zu erkennen?
Diese Positionierungen im Wahlprogramm sind mit dem Parteiprogramm und dem ‚gemeinsamen Appell‘ nicht zu vereinbaren.
Die verwirrenden politischen Widersprüche in der Politik der DKP - Führung machen es offensichtlich auch schwer, die Kandidatur abzusichern. Der Parteivorsitzende beklagte jedenfalls die noch nicht abgeschlossene Unterschriftssammlung.
Heinz Stehr
Heinz Stehr hatte diesen Artikel Anfang Februar als Lesebrief an die UZ gesendet. Mit dem Hinweis, dass dies nicht den Anforderungen an einen Leserbrief entspricht, wurde eine Veröffentlichung durch die Redaktion abgelehnt.