08.03.2019: Im Wörterbuch findet man unter dem Begriff „überwinden“:
Mit etwas Schwierigem fertig werden, ein Hindernis überqueren, bewältigen, meistern, hinter sich lassen...
Aber auch: Überwältigen, niederwerfen.
In Verbindung mit dem wirtschaftlichen und politischen Gebilde EU sind die oben genannten Begriffe für die politsche Handlungsanleitung und die politischen Ziele der Partei kein Zugewinn. Wie sollen wir denn handeln? - bleibt die Frage. Interpretationen für „überwinden“ sind Tür und Tor geöffnet.
Nur ungern, aber desto brennender erinnere ich mich an die Unterstellungen und Angriffe auf Genoss*innen aus München und woanders, als sie den Begriff „Transform“ oder „Transformation“ in ihren politischen Wortschatz aufnahmen. Natürlich war auch das nicht selbsterklärend, aber wir kannten ja die Genoss*innen als standhafte, integre kommunistische Persönlichkeiten. Diesen Menschen Revisionismus und Zurückweichlertum zu unterstellen, die in Wirklichkeit nur Reförmchen wollten, sonst aber nichts Weitergehendes, war der Beginn des Zerfalls unserer Partei. Einer Partei, wie ich sie seit meinem Eintritt 1977 kannte: Solidarisch, klein aber kampfstark, in der gerade auch Freundschaft und Vertrauen die politische Atmosphäre prägten.
Das ist jetzt vorbei, diese Realität müssen wir leider akzeptieren, so unschön sie auch ist.
Aber das hindert mich nicht nachzufragen, was das Statement, das andauernd in der UZ benutzt wird: „Die EU muss überwunden werden“ von denjenigen, die heute die Führung der Partei repräsentieren, soll!
Wir alle wissen, dass sich die EU unter historischen kapitalistischen/imperialistischen Verhältnissen herausgebildet hat, mit all den negativen Eigenschaften dieses Systems -wiederholen muss man das alles nicht.
Es gibt aber in einer dialektischen Wirklichkeit immer auch den anderen Aspekt: Die Seite des Widerstands gegen die Verhältnisse, des Klassenkampfes, des Friedens, der Zusammenarbeit. Das ist mit dem „friedenspolitischen Projekt“ gemeint, das in gewerkschaftlichen und anderen linken Kreisen letztens benannt wurde. An diesem Projekt halten wir fest und zwar nicht als Idealist*innen, die von ihrem eigenen Wunschdenken beherrscht werden, sondern als Kommunist*innen und fortschrittliche Menschen, die ein anderes Europa, eine andere EU im politischen Kampf anstreben. Die Spielräume der Institutionen müssen wir nutzen, um Veränderungen anzustoßen - und wir müssen diese Institutionen und Gesetze durch Druck von der Straße verändern. Dieser komplizierte Kampf findet auf vielfältige Weise statt und oft in unvorhersehbarer Form, wie z. B. der Städtesolidarität mit Geflüchteten oder Blockupy.
Für unsere Ziele haben wir zwar einerseits wenig Zeit, denn die Militärisierung und andere Gefahren wachsen schnell, andererseits ist eine Umwandlung in Richtung Fortschritt und Sozialismus ein langer Weg. Stichwort: Bewusstseinsstand der Mehrheit der Bevölkerung, Kriegsgefahr heute, usw. Darüber sollte man sich im Klaren sein und zwar alle Linken.
Daher wieder meine Frage: Was soll das Wort „überwinden“?
Ist damit ein Austreten aus der EU, also der Dexit gemeint? Dann sollten diejenigen das auch genau so sagen – und, dass sie stattdessen wieder den Nationalstaat wollen. Oder beinhaltet ihr Denkschema auch ein „Überwinden“ von Deutschland?
Und es müsste dazu in unserem Programm der Passus zur EU vollkommen umgeschrieben werden, mit allem Drum und Dran an Analysen und Begründungen.
Vielleicht lässt sich in einer Kampfabstimmung, ähnlich wie die, die schon stattgefunden haben, in der heutigen DKP dafür eine Mehrheit finden – eine traurige Weiterentwicklung in Richtung Zerfall wäre dies allemal!
Bettina Mandellaub, Frankfurt am Main