Blog

Corona ist Herausforderung für kommunistische Politik

Diskussionsbeitrag von Artur Moses auf der Videokonferenz des Netzwerkes Kommunistische Politik am 31.01.2021

(Bearbeitung im Sinne des gesprochenen Wortes)

 

Je länger die Pandemie dauert, zumindest nicht wirksam eingedämmt wird, je mehr wachsen Ängste, die Ungeduld und die Unzufriedenheit in der Mehrheit der Bevölkerung. Wie aktuelle Umfragen deutlich machen, nimmt die Zufriedenheit mit der Regierungsarbeit und deren Krisenmanagement von Woche zu Woche ab. Und zwar bei dem Teil der Bevölkerung und den Menschen, die keine Anhänger von Verschwörungstheorien oder ähnlichem sind, sondern die konsequentes und wirksames Handeln in der und gegen die Pandemie fordern.

Diese Unzufriedenheit hat viele Quellen: Erlebt wird eine widersprüchliche Politik der sog. Balance zwischen Schutz vor der Ausweitung von Corona einerseits und Wahrung und Sicherung wirtschaftlicher Interessen andererseits. Es gibt die Erfahrung, dass das Handeln nach neoliberalem Muster nicht nur sehr widersprüchlich ist, sondern das Problem mit der Pandemie und deren Folgen so nicht in den Griff zu kriegen ist.

Hinzu kommen die rasant wachsenden Ängste vor der Ausweitung der Wirtschaftskrise. Jeden Tag werden Erfahrungen mit Arbeitsplatzverlusten und der Vernichtung von Existenzen gemacht.

Neben immer größerer Betroffenheit erleben wir, wie Verzweiflung um sich greift, in deren Folge ein sehr widersprüchliches Verhalten und mit kontraproduktiven Erwartungen an die sogenannte Politik entsteht. Wir erleben auch, welche Resonanz Verschwörungstheorien in großen Teilen der Arbeiterklasse haben. Wir erleben, dass es vielerorts in den Betrieben und Verwaltungen keinen verantwortungsvollen und bewussten Umgang mit notwendigen Schutzmaßnahmen gibt.

Die Erkenntnis ist leider noch nicht entwickelt oder noch nicht weit verbreitet, dass die Interessen des großen Kapitals einer erfolgreichen Bekämpfung der Pandemie objektiv und auch subjektiv im Wege stehen und auch die Ursache der anderen Krisen ist.

Ich teile sehr die Sorge um die Zukunft der Gewerkschaften. Die große Gefahr von Mitgliederverlusten kann nicht einfach übersehen werden. Pandemie und Wirtschaftskrise schwächen die gewerkschaftlichen Machtressourcen. Krisenzeiten, die Arbeitsmarktlage und drohender Arbeitsplatzverlust verringern die Kampfbereitschaft und erschweren vor allem die Mobilisierung und die Durchsetzungskraft der Beschäftigten.

Ob die Gewerkschaften ohne massiven Machtverlust durch die Krise kommen, wird stark davon abhängen, ob es gelingt ihr politisches Mandat und die vorhandenen Möglichkeiten offensiv nicht nur für kleine, sondern für große Weichenstellungen zu nutzen. Zumindest diese als Themen mit Forderungen in die Waagschale zu werfen. Kollege Urban hatte dies ja auch sehr deutlich gemacht.

In dem auf Export fokussierten industriellen Bereich verschärft die Corona-Pandemie die schon zuvor bestandene mangelnde internationalen Nachfrage und die umfassende Krise auch der Autoindustrie. Immer deutlicher wird, dass nicht nur Klimaschutz und sozialere Mobilität, sondern auch die Sicherung von Beschäftigung in diesem Industriebereich einen sozial-ökologischen Umbau notwendig machen. (Im 1-Million-Einwohner-Land Saarland: arbeiten über 40000 Beschäftigte in der Automobilindustrie!)

Auch wenn solche großen Weichenstellungen aktuell nicht umsetz- und durchsetzbar erscheinen, sollten nicht darauf verzichtet werden, sie immer wieder zu benennen. Es wird keine große Zukunft für die Arbeit in der Automobilindustrie geben, wenn nicht entschlossen der sozialökologische Umbau auf die Tagesordnung gesetzt und darum gekämpft wird. Auch in und mit dem Hebel der Auseinandersetzungen um entsprechende Tarifverträge.

Wenn General Motors in der Krise Beatmungsgeräte und Volkswagen Atemschutzmasken herstellt, finden ja Ansätze von Konversion statt. Öffentliche Investitionen in Bus und Schiene wirken doch nach den aktuellen Erfahrungen in der Pandemie gar nicht mehr unrealistisch. Vor allem auch deswegen nicht, weil die Erfahrung gemacht wird, wie in der jetzigen Krise Finanzmittel in Milliardenhöhe locker gemacht werden. Und ist die Erfahrung mit den profitorientierten Manövern der Pharmakonzerne nicht eine gute Gelegenheit nach zu fragen, warum die staatliche Hilfen nicht mit Einfluss auf die Unternehmensstrategie verbunden werden. Es gibt Chancen die Vergesellschaftung der Pharmakonzerne in die Diskussion zu bringen.

Ihr erinnert euch sicherlich an das Interview in der UZ, das ich im vorigen Jahr mit dem Betriebsratsvorsitzenden von Saarstahl machen konnte. Für mich war es eine sehr anregende, bleibende politische Erfahrung wie der Betriebsrat von Saarstahl mit der Zukunftsfrage, die vor der Stahlindustrie steht, umgeht. Und kämpft. Für einen sozialökonomischen Umbau wurde mit Forderungen nach Brüssel marschiert, wo Mittel für strukturelle Umbaumaßnahmen in beträchtlichem Maße vorhanden sind, sowohl die Kanzlerin und die Landesregierung unter Druck gesetzt wurden. Es sieht so aus, dass es Mittel, wenn auch nicht ausreichend, geben wird. Ein kleiner Erfolg vielleicht für eine große Weichenstellung!

Wie schwierig das ist oder bleibt, zeigen auch die Ergebnisse einer Umfrage, wonach bei der Mehrheit der befragten Saarländer die Sicherheit von Arbeitsplätzen vor der Ökologiefrage rangiert. Das ist doch ein riesiges Problem!

Rainer Dörrenbecher wird sich in seinem Beitrag konkreter damit beschäftigen.

Tatsache ist, dass wir in einer sehr komplizierten und herausfordernden Phase der gesellschaftspolitischen Entwicklung global und auch im eigenen Land leben.

Die Corona-Pandemie selbst muss von uns als eine ganz große Herausforderung verstanden und behandelt werden. Dabei geht es nicht um die Frage, ob diese Pandemie überhaupt endgültig überwunden werden kann oder ob wir damit auf Dauer und mit deren Folgen leben müssen, sondern dann darum, wie wir damit leben können und die gesamte Menschheit damit leben kann.

So wie die Dinge nach wissenschaftlichen Erkenntnissen liegen, hat dies sehr viel mit dem Ringen um die Entschärfung der ökologischen Krise zu tun.

Dafür benötigen wir Positionen, auch Konzepte, vor allem aber auch Forderungen des Netzwerkes als bundesweites Signal.

Wir verstehen uns als Netzwerk für (!) kommunistische Politik.

Wenn die Unzufriedenheit mit dem Krisenmanagement in der Corona-Pandemie weiter zunimmt, wenn sich die negativen sozialen Auswirkungen auch der anderen Krisen niederschlagen, dann taucht doch die Frage auf, wohin kann und wird sich dies alles orientieren? In Richtung Alternativen mit großen Weichenstellungen, nach links? Gelingt es, wie es sich in Zero Covid andeutet, für solche Weichenstellungen zu Allianzen zu solchen Fragen und darüber hinaus zu kommen? Oder endet alles in Frust, Niederlagen, Rückzug und Entpolitisierung, in einer Schwächung von Gegenwehr. Es zeigen sich zudem neue Spielarten rechter Demagogie, die nicht zu unterschätzen sind. Diese Klaviere werden schon gestimmt.

Die aktuelle Entwicklung, die Globalität und Vernetzung der Krisen, ist meiner Ansicht nach ein deutlicher Hinweis darauf, dass wir es mit komplexere Fragestellungen für unsere weitere Politik und unser Handeln zu tun haben.

Nur mit unserem politischen „Kerngeschäft“ werden wir dem nicht mehr gerecht werden und wird sich keine zukünftige, tragfähige und anregende Politik entwickeln lassen.

Als wichtige Bausteine sehe ich aktuell in der Corona-Krise:

Kommunisten müssen konsequent die Gefahren der Pandemie benennen und gegen Verschwörungstheorien auftreten, weil wir unsere Politik auf wissenschaftliche Erkenntnisse beziehen und stützen und damit Zusammenhänge weitgehend aufklären können. Das ist ein aktueller Beitrag gegen die Versuche, die Achse weiter nach rechts zu drehen. Dazu gehört natürlich auch die Skepsis und der Zweifel gegenüber den Darstellungen und Methoden der Herrschenden und die kritische Auseinandersetzung damit.

Wegen der Gefährlichkeit der Pandemie, ihrer globalen Ausbreitung mit ihrer hohen Ansteckungsgefahr sind Relativierungen, egal welcher Art, fehl am Platze.

Wir sind, wenn unumgänglich, für den Stopp aller nicht notwendigen Produktionen und Dienstleistungen, vor allem dort, wo Menschen in großen Mengen zusammen kommen.

Es geht um mehr demokratische Mitwirkungsmöglichkeiten und Mitentscheidungsrechte vor allem der Arbeitenden in dem Kampf gegen die Pandemie, gegen die Politik der Anordnungen aus nicht demokratisch legitimierten Kreisen.

Die Verteilungsfrage muss in der gesellschaftspolitischen Debatte einen höheren Stellenwert bekommen, weil Gesundheit und Leben vor Profit und dem Anhäufen von Reichtum in den Händen weniger kommen muss. Die Gewinner auch dieser Krise haben Namen und Adressen. Es geht um die Zukunft der Arbeit und das zukünftige Leben. Dazu entwickeln sich viele konkrete Forderungen. Es gibt zunehmend Initiativen hierzu.

Nach vorne geblickt: Ich finde, wir benötigen mehr kollektive, konkrete Debatten zu diesen komplizierten Fragen in solch neuen Dimensionen von Krisen, die sich auf neue Weise miteinander verbinden.

Vielleicht gelingt dies mit Thesenpapieren als Grundlage von Diskussionen. Und wir sollten auch immer den Blick auf das Wirken von anderen kommunistischen Parteien haben und versuchen daraus zu lernen.

Zum Andenken an Willi Gerns

Zum Andenken an Willi Gerns

Ein Nachruf von Georg Polikeit für das Netzwerk kommunistische Politik

Es war nur wenige Wochen nach seinem 90. Geburtstag. Da verstarb am 25. Januar 2021 in Bremen mit Willi Gerns ein (west)deutscher Kommunist, dessen Leben durch große Gradlinigkeit, durch unermüdliche Bereitschaft zum persönlichen Engagement, durch ein hohes Maß an theoretischen Erkenntnissen, aber auch durch praktische Erfahrungen in gewerkschaftlicher und politischer Arbeit gekennzeichnet war.

Am 13. Dezember 1930 in einer Arbeiterfamilie in Hannover geboren, gehörte er zu der Generation junger Männer und Frauen, die im Alter zwischen knapp 15 und 18 Jahren den Zusammenbruch des Nazi-Regimes, das Ende des zweiten Weltkriegs, die Befreiung Deutschlands von der Nazi-Diktatur erlebten. Für viele von ihnen wie auch für Willi Gerns wurde die Devise „Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg“ zu einer prägenden Leitlinie ihres Lebens. Sie wollten nach den grausamen Erfahrungen des Krieges und der faschistischen Terrorherrschaft den Aufbau eines neuen demokratischen und friedlichen Deutschlands, in dem Faschismus, Militarismus, Kriegsvorbereitung, Großmachtstreben und Rassismus für immer beseitigt sind.

Stattdessen begannen die herrschenden Kreise der USA aber im Verein mit denen der anderen westlichen Siegermächte und mit den in Westdeutschland wieder auftauchenden Eigentümern und Managern der Großkonzerne und ihren politischen Handlangern unter Konrad Adenauer entsprechend ihrer antikommunistischen Grundhaltung den kalten Krieg gegen die Sowjetunion und die in Ost- und Südosteuropa sich entwickelnden „volksdemokratischen“ Staaten. Sein Kernstück in Europa war die Spaltung Deutschlands und die Einbindung Westdeutschlands in den USA-geführten Westblock, die Wiederaufrüstung Westdeutschlands und seine Eingliederung in die NATO.

Für Willi Gerns ergab sich daraus wie für viele andere seiner Generation das Engagement in der damaligen antifaschistischen Jugendorganisation, der „Freien Deutschen Jugend“ (FDJ), und in der KPD. Er beteiligte sich aktiv an der Bewegung vieler tausend junger Menschen gegen die Remilitarisierung, für die Bewahrung der Einheit Deutschlands auf einer antifaschistisch-demokratischen Grundlage. Da Willi nicht zu denen gehörte, die sich vor der Übernahme von Verantwortung scheuten, wurde er Mitglied des Zentralbüros der westdeutschen FDJ und ihres Sekretariats.

Willi führte seine Tätigkeit im Rahmen der FDJ auch weiter, nachdem die Adenauer-Regierung diese Jugendorganisation wegen ihrer Aktionen gegen die Wiederaufrüstung und für die Durchführung einer Volksbefragung gegen die Remilitarisierung bereits 1951 verboten hatte. Das hatte zur Folge, dass er 1955 verhaftet und von dem wegen seines scharfmacherischen Antikommunismus berüchtigten Landgericht Lüneburg zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Sein Ankläger war der spätere Generalbundesanwalt Buback, der vorsitzende Richter der Nazikriegsgerichtsrat Lenski, der während der Nazibesatzung im Elsass an Todesurteilen gegen französische Résistance-Kämpfer mitgewirkt hat.

Nach der Entlassung aus dem Gefängnis ging Willi zunächst zurück in die „Privatwirtschaft“. Er arbeitete u. a. bei den Vereinigten Leichtmetallwerken und bei den Pelikan-Werken in Hannover. In den Leichtmetallwerken wurde er zum Sprecher der Vertrauensleute der IG Metall gewählt. Als solcher war er auch an der Auslösung eines Warnstreiks beteiligt. Deshalb wurde er 1960 erneut verhaftet und zu weiteren fünf Monaten Gefängnis verurteilt, diesmal wegen Verstoßes gegen das KPD-Verbot und Beleidigung von Bundeskanzler Adenauer als „Arbeiterfeind“.

Willi Gerns war die Verkörperung des Satzes, dass es ohne politische Bildung, ohne revolutionäre Theorie auch keine revolutionäre Praxis gibt.

Schon im Sekretariat des FDJ-Zentralbüros war er für politische Bildungsarbeit zuständig und organisierte er die Herausgabe von Bildungsheften und anderen Publikationen zur Klärung von grundsätzlichen politischen Begriffen wie „Militarismus“ in Anlehnung an die entsprechenden Schriften von Karl Liebknecht oder auch zu geschichtlichen Themen. In diesem Rahmen lernte ich ihn in den frühen 50er Jahren auch persönlich kennen.

Im Gefängnis gelang es Willi, eine Genehmigung für das Studium marxistischer Werke zur Ökonomie und für eine gemeinsame Bearbeitung dieses Studienmaterials mit anderen politischen Häftlingen zu erreichen. Das war dem sozialdemokratischen Juristen Fritz Bauer zu verdanken, der damals für die Aufsicht über die Haftanstalt Wolfenbüttel zuständig war und später als Generalstaatsanwalt des Bundeslandes Hessen u. a. den Auschwitzprozess in Gang brachte.

Es verwundert also nicht, dass Willi Gerns in den 60er Jahren mit Freuden die Möglichkeit zu einem gründlichen Studium der marxistischen Ökonomie und der marxistischen Theorie generell in Moskau wahrnahm, eine Möglichkeit, die er zu diesem Zeitpunkt in der westdeutschen Bundesrepublik nie hätte bekommen können. Er beendete dieses Studium mit einem Abschluss als Diplom-Ökonom und zugleich mit einem Zertifikat als Russisch-Übersetzer für Wirtschaftswissenschaften. Das legte die Grundlage für seine gründlichen Kenntnisse der marxistischen Theorie, mit denen er später in der DKP die Verantwortung für die Vermittlung, Weiterentwicklung und kreative Anwendung dieser Theorie in der BRD der 60er und 70er Jahre übernehmen konnte. Dies verschaffte ihm sowohl innerhalb der Partei als auch über ihre Reihen hinaus große Achtung und Autorität auch unter Intellektuellen als eine aus der Arbeiterklasse hervorgegangene wissenschaftlich gebildete Persönlichkeit.

Willi war wie andere Genossinnen und Genossen aus „taktischen Gründen“ nicht von Anfang an Mitglied im allerersten Bundesausschuss der DKP unter Leitung von Kurt Bachmann, deren Neukonstituierung am 25. September 1968 in Frankfurt am Main bekanntgegeben wurde. Aber an der Ausarbeitung der ersten „Grundsatzerklärung der DKP“, die der erste DKP-Parteitag im April 1969 in Essen beschloss, war er bereits aktiv beteiligt. Seitdem spielte er eine führende Rolle bei der Ausarbeitung der programmatischen Grundlagen und der politischen Strategie der DKP. Das galt besonders für die Ausarbeitung der „Thesen des Düsseldorfer Parteitags der DKP“ im November 1971 und dann vor allem für die Erarbeitung des Parteiprogramms der DKP von 1978, das der Mannheimer Parteitag der DKP im Oktober 1978 nach langer innerparteilicher Diskussion verabschiedete.

Zu Willis Verständnis von marxistischer Theorie gehörte aber immer auch die Einsicht, dass diese Theorie keine Sammlung von ein für allemal feststehenden Lehrsätzen und Dogmen ist, die als Rezepte für die Erarbeitung einer richtigen „politischen Linie“ einfach nur “umgesetzt“ und angewendet werden müssen. Vielmehr ließ er sich von der Erkenntnis leiten, dass diese Theorie ständig überprüft und unter Bewahrung der von Marx, Engels und Lenin erarbeiteten wissenschaftlichen Grundlagen zu immer wieder neuen Auffassungen und Konzepten weiterentwickelt werden muss, weil auch die objektiven ökonomischen, weltpolitischen und gesellschaftlichen Bedingungen, die Entwicklung der Produktivkräfte im modernen Kapitalismus und damit auch die Produktionsverhältnisse und die Arbeitsweise und Struktur der Arbeiterklasse und anderer Gesellschaftssichten sich ständig verändern.

Zu Willis bedeutenden persönlichen Verdiensten gehören in diesem Zusammenhang seine Mitwirkung und Förderung der Diskussion über die Strukturveränderungen in der Arbeiterklasse, die von dem in Frankfurt/M. angesiedelten „Institut für marxistische Studien und Forschungen“ (IMSF) unter Leitung von Josef Schleifstein und Heinz Jung betrieben wurde, und insbesondere seine maßgebliche Rolle bei der Erarbeitung der politischen Strategie der DKP, die in dem vom Mannheimer Parteitag verabschiedeten DKP-Parteiprogramm ihren Niederschlag fand.

Willi verfocht dabei in Auseinandersetzung mit reformistischen, aber auch „linksradikalen“ Ansichten in und außerhalb der DKP die Notwendigkeit von Übergangsetappen und Zwischenstufen auf dem Weg zu einer sozialistischen Gesellschaft. Wichtig und dann auch in anderen kommunistischen Parteien stark beachtet war die zusammen mit Herbert Mies entwickelte Vorstellung von einer „antimonopolistischen Demokratie“ als einer möglichen Übergangsetappe vom Kapitalismus zum Sozialismus. Dementsprechend verband sich im DKP-Parteiprogramm von 1978 die Zielsetzung einer „Wende zu demokratischem und sozialem Fortschritt“ noch im Rahmen einer kapitalistischen Bundesrepublik mit dem Konzept einer Weiterentwicklung dieser „Wende“ zu einer „antimonopolitischen Demokratie“, bei der mit Hilfe starker außerparlamentarischer Massenbewegungen und entsprechenden Veränderungen auch im parlamentarischen Kräfteverhältnis die dominante Stellung des Groß- und Finanzkapitals in Staat und Gesellschaft bereits erheblich eingeschränkt ist, woraus sich dann im weiteren Verlauf der Kämpfe ein vollständiger Bruch mit den überkommenen kapitalistischen Eigentums- und Machtverhältnissen, eine sozialistische Gesellschaftsordnung ergeben könnte.

Willi begründete und untermauerte dieses strategische Konzept in mehreren Büchern und zahlreichen Artikeln und Interviews in den „Marxistischen Blättern“, in der UZ und anderen Publikationen, oft zusammen mit anderen Genossen. So in dem 1974 im damaligen Verlag „Marxistische Blätter“ in Frankfurt/M. zusammen mit Robert Steigerwald und Günter Weiß verfassten Buch „Opportunismus heute“, in dem neben einer Auseinandersetzung mit der der sozialdemokratischen Ideologie des „demokratischen Sozialismus“ auch eine kritische Auseinandersetzung mit „linkssozialistischen“ Ansichten, mit „Maoismus“ und „Trotzkismus“ enthalten ist. Das fand seine Fortsetzung in dem 1976 im gleichen Verlag erschienenen Buch von Willi Gerns und Robert Steigerwald „Für eine sozialistische Bundesrepublik – Fragen und Antworten zur Strategie und Taktik der DKP“, in dem insbesondere Fragen der Übergangsperiode und das Konzept der „antimonopolistischen Demokratie“ erörtert werden, und schließlich in dem 1979 veröffentlichen Buch von Herbert Mies und Willi Gerns „Weg und Ziel der DKP – Fragen und Antworten zum Programm der DKP“.

Gleichzeitig verfasste Willi Gerns in dieser Zeit bedeutende Schriften zu einzelnen Fragen der damaligen politischen und ideologischen Auseinandersetzungen, so seine wichtige Broschüre zum Verhältnis von Kommunisten und Pazifisten, die den Weg zu einem Bündnis und zur Zusammenarbeit von Kommunisten und Pazifisten in der Friedensbewegung weit öffnete. Oder die maßgeblich durch seine Beiträge geprägten, als „DKP-extra“ herausgegebenen Schriften „Linke Phrasen – rechte Politik“ (1975) und „Opportunismus unter linker Flagge“ (1976), die sich mit linksradikalen „K-Gruppen“-Strömungen und entsprechender Sekten-Mentalität auseinandersetzten.

Auch nach dem Zusammenbruch der „realsozialistischen“ Staaten in Europa einschließlich der UdSSR 1989/1992 blieb Willi Gerns wie viele andere DKP-Mitglieder bei der festen Überzeugung, dass der Kapitalismus trotz seines zeitweisen Sieges über den Versuch einer sozialistischen Alternative nicht das „Ende der Geschichte“ sein kann und wird., Er bleibt ein von grundlegenden Widersprüchen und immer wieder auftretenden Krisen verschiedenster Art gekennzeichnetes System, von dessen Fortexistenz enorme destruktive Wirkungen ausgehen, die eine lebensbedrohende Gefahr für die Zukunft der ganzen Menschheit und für die Fortexistenz des Lebens auf dem Erdball sind. Deshalb bleibt die Notwendigkeit der Ablösung dieses Systems durch ein anderes, nicht am Kapitalprofit, sondern am allgemeinen Wohl orientiertes Wirtschafts- und Gesellschaftssystem unverändert eine unausweichliche Notwendigkeit. Dementsprechend beteiligte sich Willi maßgeblich an der Auseinandersetzung mit unter den Linken aufgekommenen „Erneuerer“-Strömungen, die illusionär an die Möglichkeit einer allmählichen Umwandlung des Kapitalismus in ein menschengerechteres System oder einen „human“ regulierten Kapitalismus ohne Bruch mit den alten Besitz- und Machtverhältnissen glaubten.

Zugleich ging es ihm aber um eine präzise kritische Untersuchung der Ursachen des Zusammenbruchs der sozialistischen Staaten und der daraus zu ziehenden Lehren für die Zukunft. Er sah es als keinesfalls ausreichend an, die historische Veränderung der Situation in der Welt nur mit der „Ungunst der Verhältnisse“ oder mit der Bosheit und Raffinesse des Klassenfeinds oder auch Verrätern in den eigenen Reihen zu erklären. Willi konnte und wollte die selbstgemachten inneren Ursachen für diesen Zusammenbruch nicht übersehen oder in ein stillschweigendes Vergessen verdrängen. Er kritisierte u.a. das „Schindluder“, das in den regierenden kommunistischen Parteien der sozialistischen Staaten mit dem Begriff der „Avantgardepartei“ betrieben worden ist, wie er sich aufgrund von unter Stalin eingeführten Praktiken in der kommunistischen Bewegung weit verbreitete. Bekanntlich wurde daraus ein uneingeschränkter Führungsanspruch und eine „Allwissenheit“ der Partei“ abgeleitet, die zur „Bevormundung des ganzen gesellschaftlichen Lebens“ führte, was „wesentlich zur Entfernung der Partei von den Massen und damit zur Niederlage des realen Sozialismus beigetragen“ hat.

Selbstkritisch betrachtete Willi auch die Art und Weise, in der die DKP ihr Verhältnis zu den realsozialistischen Staaten darstellte. In dem Bestreben, die massive antikommunistische Propaganda in der BRD zurückzudrängen, habe die DKP i nach dem Motto gehandelt „Auf einen groben Klotz gehört ein grober Keil“. Nach diesem Motto habe sie sich darauf beschränkt, nur die positiven Seiten des „realen Sozialismus“ hervorzuheben, wie das kostenlose Bildungswesen für alle, die kostenlose Versorgung im Krankheitsfall, die niedrigen Mieten oder die garantierte Sicherheit der Arbeitsplätze, aber die Schwierigkeiten und Mängel bei der Entwicklung des Sozialismus zu verschweigen und zu verdrängen versucht. Offensichtlich hielt Willi dies für einen schweren Mangel unserer „Sozialismus-Propaganda“, der ihre Glaubwürdigkeit und Wirksamkeit stark behinderte.

Auch als Willi 1988/89 seine Funktion im Präsidium und Sekretariat des Parteivorstands als Verantwortlicher für marxistische Theorie und Bildung nach fast 20 Jahren Tätigkeit auf diesem Gebiet abgab, wirkte er weiter durch zahlreiche Veröffentlichungen in Zeitschriften und Zeitungen zu aktuell-politischen und neu aufkommenden programmatisch-theoretischen Fragen am Erhalt und der weiteren Entwicklung der DKP mit. Er war ein geschätzter Berater der nach 1989 in der DKP gewählten neuen Parteiführung unter Heinz Stehr und Rolf Priemer, auch wenn ihre Ansichten zu neuen Fragestellungen nicht immer harmonierten. Als Mitglied des Herausgeberkreises und der Redaktion der „Marxistischen Blätter“ trug er durch Ratschläge wie auch durch eigene Autorenbeiträge wesentlich zu deren positiver Entwicklung als qualifizierte und über die Reihen der DKP hinaus anerkannte marxistische Zeitschrift in der heutigen BRD bei.

Noch wenige Wochen vor seinem Tod engagierte sich Willi Gerns gegen linksradikale Verengungen kommunistischer Politik. So gegen die in dem unlängst herausgegebenen DKP-Bildungsheft zum „reaktionären Staatsumbau vertretene oder zumindest nahegelegte Ansicht, dass der Kampf gegen die Rechtsentwicklung und um Demokratie den Kampf für die Beseitigung des Kapitalismus einschließen muss und Bündnisbewegungen in dieser Frage zu kritisieren sind, wenn sie aktuell den Kampf um die Bewahrung der im Grundgesetz verankerten bürgerlich-demokratischen Staatsordnung in den Mittelpunkt ihrer Tätigkeit stellen und weitergehende, das kapitalistische System angreifende Forderungen nicht zu ihren Inhalten gehören.

Ebenso wandte er sich noch in einem Leserbrief, der am   in der UZ veröffentlicht wurde, gegen eine linksradikale Verengung in der Friedenspolitik. Wer von der Friedensbewegung fordert, dass ihr Kampf für den Frieden mit dem „Kampf gegen die Interessen des deutschen Monopolkapitals“ verbunden sein, also mit dem Kampf um die Überwindung des bestehenden Wirtschafts- und Gesellschaftssystems gekoppelt sein muss, habe „das Wesen demokratischer Bündnispolitik nicht verstanden“, schrieb er. Denn diese bedeute „Übereinstimmung und gemeinsames Handeln in den Hauptanliegen des Bündnisses bei Respektierung unterschiedlicher Positionen der Partner in anderen politischen Fragen“

Sicher ist dieser Einspruch Willis gegen linksradikale Verengungen kommunistischer Politik nicht nur für die Friedensfrage gültig. Er gilt , wie schon oben ersichtlich, ebenso für den Kampf um die Verteidigung der Demokratie gegen die Rechtsentwicklung und das aktuell als Spitze besonders gefährliche Anwachsen von rechtsradikalen, reaktionären, fremdenfeindlichen und rassistischen Stimmungen, wie sie sich besonders in der AfD verkörpern. Er gilt ebenso für die Bewegung und Bündnisse für Klima- und Umweltschutz, für die Verbesserung des Gesundheitswesens, den Ausbau des Kliniknetzes und die Aufstockung des darin beschäftigten Personals und seiner Entlohnung in Zeiten der Pandemie. Er gilt ebenso für soziale und gewerkschaftliche Bewegungen und Aktionen zur Verteidigung und Verbesserung der Arbeits- und Lebensverhältnisse der arbeitenden Menschen.

Wir ehren das Andenken von Willi Gerns am besten, indem wir in seinem Sinn weiter an den aktuell vor sich gehenden Klassenkämpfen und gesellschaftlichen Auseinandersetzungen mitwirken und zur Entwicklung breiter Bündnisse gegen die etablierte Politik beitragen und uns in diesem Rahmen dann auch um die Entwicklung von Bewusstsein über die Notwendigkeit grundlegender gesellschaftlicher Veränderungen, eines Systembruchs und eines Systemwechsel zu einer solidarischen, am Wohl der großen Mehrheit der Menschen orientierten Gesellschaft bemühen.

Dazu gehört auch, dass wir Willi Gerns umfangreiche theoretisch-programmatische Arbeiten nicht nur loben, sondern wieder neu lesen und studieren, um Theorie und Praxis im marxistischen Sinn ohne Kluft miteinander zu verbinden.

Debatten um Zero Covid (Null Covid)-Kampagne

Die Debatte um die Forderungen nach einem konsequenten europaweiten Shutdown sind in vollem Gang.

Wir verlinken/dokumentieren einige Standpunkte:

taz-Kommentar"Halbtotalitäre Fantasie" von Thomas Gerlach: https://taz.de/Vorschlaege-der-Initiative-Zero-Covid/!5739231/ 

uz-Artikel "Gesundheit statt Profit" vom Parteivorsitzenden der DKP Patrik Koebele: https://www.unsere-zeit.de/gesundheit-statt-profit-2-140817/

Leserbrief von Isa Paape zum uz-Artikel:

Leserbrief zu „Gesundheit statt Profit“, Stellungnahme von Patrik Köbele zum Aufruf „ZeroCovid“, abgedruckt in der UZ vom 22. Januar 2021

Die Stellungnahme von Patrik Köbele zur Petition ZeroCovid, am 22. Januar leicht gekürzt in der UZ erschienen, macht das ganze Dilemma dieses PV ein weiteres Mal deutlich. Vor lauter Angst, nicht revolutionär genug zu erscheinen, treten die DKP und insbesondere ihr Vorsitzender ständig auf die Bremse, wenn es darum geht, fortschrittliche linke Bewegungen zu unterstützen. Das ist erbärmlich anzuschauen.

Ich habe den Aufruf sofort unterstützt und ihn in Weiterleitung auch zur Unterzeichnung empfohlen. Darauf aufmerksam gemacht wurde ich von einem Kollegen in einem IG-Metall-Arbeitskreis. Kabinett und Kapital werden mit ihren halbherzigen Maßnahmen die Pandemie nicht in den Griff bekommen. Je länger diese Situation anhält, umso mehr Infizierte, Erkrankte und Tote werden von den Herrschenden in Kauf genommen. Es ist richtig und längst überfällig, mit den Forderungen nach wirksamer Bekämpfung der Pandemie, Abschöpfung der Gewinne und Ausbau des Gesundheits- und Pflegesystems an die Öffentlichkeit zu gehen, und zwar in einem breiten gesellschaftlichen Bündnis.

Schade, dass bei dem erfreulich breiten und in die Breite wirkenden Aufrufer*innenkreis keine bekannten DKPler*innen dabei sind. Wenn ich die Stellungnahme lese, ahne ich allerdings, warum das so ist. Anders als bei früheren Aufrufen werden diesmal zwar nicht einzelne Formulierungen oder fehlende Inhalte kritisiert, gemäkelt und geunkt aber wird trotzdem. Schon der erste Satz zeigt, dass gesellschaftliche Debatten offenbar nur sehr selektiv wahrgenommen werden. Der Parteivorsitzende kann sich nicht einmal dazu entschließen, die Partei zur Unterstützung des Aufrufs aufzufordern. Ein lahmes „Ja, aber …“ scheint ihm wohl angemessen als Reaktion. Wankelmut, Isoliertheit, Separatismus und Arroganz sprechen aus dieser Erklärung, die genaugenommen ja keine Stellungnahme ist, sondern ein durch revolutionäres Getöse kaum zu kaschierendes Nachtrab-Gemaule.

Der letzte Satz der Stellungnahme fehlt zwar in der UZ, soll aber hier nochmal mit zitiert werden, Hervorhebung von mir: „Wird der Aufruf allein als Appell an die Regierenden oder gar „an Europa“ verstanden, wird er wenig helfen. Wird er als Instrument zur Entwicklung dieser Kämpfe genutzt, kann er von riesiger Bedeutung sein. Daran wollen wir Kommunistinnen und Kommunisten mitarbeiten.“

Es wäre besser gewesen, statt dieser Belehrungen, die weder der Kreis der Erstunterzeichner*innen noch meine Kolleg*innen nötig haben, konkret zu erklären, wie die Kommunist*innen in der DKP mitarbeiten wollen bei der Durchsetzung der Forderungen für ZeroCovid. Da kommt aber bis heute nix. Echt schade.

Erlangen, 30.01.2021

#ZeroCovid

Wir dokumentieren hier den Aufruf des breiten Bündnisses unter https://zero-covid.org/, den wir unterstützen.

Das Ziel heißt Null Infektionen!
Für einen solidarischen europäischen Shutdown

Nach einem Jahr Pandemie sind wir in ganz Europa in einer äußerst kritischen Situation. Tausende Menschen sterben jeden Tag und noch viel mehr erkranken. Das neue Coronavirus breitet sich rasend schnell aus, von Mutationen noch beschleunigt. Die Maßnahmen der Regierungen reichen nicht aus: Sie verlängern die Pandemie, statt sie zu beenden, und gefährden unser Leben. 

Die Strategie, die Pandemie zu kontrollieren, ist gescheitert („flatten the curve“). Sie hat das Leben dauerhaft eingeschränkt und dennoch Millionen Infektionen und Zehntausende Tote gebracht. Wir brauchen jetzt einen radikalen Strategiewechsel: kein kontrolliertes Weiterlaufen der Pandemie, sondern ihre Beendigung. Das Ziel darf nicht in 200, 50 oder 25 Neuinfektionen bestehen – es muss Null sein. 

Wir brauchen sofort eine gemeinsame Strategie in Europa, um die Pandemie wirksam zu bekämpfen. Mit Impfungen allein ist der Wettlauf gegen die mutierte Virusvariante nicht zu gewinnen – erst recht nicht, wenn die Pandemiebekämpfung weiter aus aktionistischen Einschränkungen der Freizeit ohne Shutdown der Wirtschaft besteht. Wir setzen uns dafür ein, dass die Sars-CoV-2-Infektionen sofort so weit verringert werden, dass jede einzelne Ansteckung wieder nachvollziehbar ist. Das entschlossene Handeln etlicher Länder hat gezeigt, dass es möglich ist, die Verbreitung des Virus zu beenden. 

Wir orientieren uns am internationalen Aufruf für die konsequente Eindämmung der Covid-19 Pandemie in Europa, den Wissenschaftler*innen am 19. Dezember 2020 initiiert haben.1 Wir sind allerdings überzeugt, dass die Eindämmung des Sars-CoV-2 Virus nur gelingen kann, wenn alle Maßnahmen gesellschaftlich solidarisch gestaltet werden. Darum fordern wir diese unerlässlichen gesellschaftlichen Maßnahmen: 

1. Gemeinsam runter auf Null: Das erste Ziel ist, die Ansteckungen auf Null zu reduzieren. Um einen Ping-Pong-Effekt zwischen den Ländern und Regionen zu vermeiden, muss in allen europäischen Ländern schnell und gleichzeitig gehandelt werden. Wenn dieses Ziel erreicht ist, können in einem zweiten Schritt die Einschränkungen vorsichtig gelockert werden. Die niedrigen Fallzahlen müssen mit einer Kontrollstrategie stabil gehalten und lokale Ausbrüche sofort energisch eingedämmt werden. Wir brauchen drittens auch eine gemeinsame langfristige Vision – und auf deren Basis regionale und nationale Aktionspläne. Diese beinhalten Screening- und Impfstrategien, Schutz von Risikogruppen und Unterstützung der Menschen, die besonders stark von der Pandemie betroffen sind. 

Um dieses Ziel zu erreichen, brauchen wir eine solidarische Pause von einigen Wochen. Shutdown heißt: Wir schränken unsere direkten Kontakte auf ein Minimum ein – und zwar auch am Arbeitsplatz! Maßnahmen können nicht erfolgreich sein, wenn sie nur auf die Freizeit konzentriert sind, aber die Arbeitszeit ausnehmen. Wir müssen die gesellschaftlich nicht dringend erforderlichen Bereiche der Wirtschaft für eine kurze Zeit stilllegen. Fabriken, Büros, Betriebe, Baustellen, Schulen müssen geschlossen und die Arbeitspflicht ausgesetzt werden. Diese Pause muss so lange dauern, bis die oben genannten Ziele erreicht sind. Wichtig ist, dass die Beschäftigten die Maßnahmen in den Betrieben selber gestalten und gemeinsam durchsetzen. Mit diesem Aufruf fordern wir auch die Gewerkschaften auf, sich entschlossen für die Gesundheit der Beschäftigten einzusetzen, den Einsatz von Beschäftigten für ihre Gesundheit zu unterstützen und die erforderliche große und gemeinsame Pause zu organisieren. 

2. Niemand darf zurückgelassen werden: Menschen können nur zu Hause bleiben, wenn sie finanziell abgesichert sind. Deshalb ist ein umfassendes Rettungspaket für alle nötig. Die Menschen, die von den Auswirkungen des Shutdowns besonders hart betroffen sind, werden besonders unterstützt – wie Menschen mit niedrigen Einkommen, in beengten Wohnverhältnissen, in einem gewalttätigen Umfeld, Obdachlose. Sammelunterkünfte müssen aufgelöst, geflüchtete Menschen dezentral untergebracht werden. Menschen, die im Shutdown besonders viel Betreuungs- und Sorgearbeit leisten, sollen durch gemeinschaftliche Einrichtungen entlastet werden. Kinder erhalten Unterricht online, notfalls in Kleingruppen. 

3. Ausbau der sozialen Gesundheitsinfrastruktur: Der gesamte Gesundheits- und Pflegebereich muss sofort und nachhaltig ausgebaut werden. Dies gilt auch für Gesundheitsämter und Behörden, die für das Verfolgen der Infektionsketten zuständig sind. Das Personal muss in diesem Bereich aufgestockt werden. Die Löhne sind deutlich anzuheben. Das Profitstreben im Gesundheits- und Pflegebereich gefährdet die kollektive Gesundheit. Wir verlangen die Rücknahme bisheriger Privatisierungen und Schließungen. Die Finanzierung von Krankenhäusern über Fallpauschalen sollte durch eine solidarische Finanzierung des Bedarfs ersetzt werden. 

4. Impfstoffe sind globales Gemeingut: Eine globale Pandemie lässt sich nur global besiegen. Öffentliche und private Unternehmen müssen umgehend die erforderliche Produktion von Impfstoffen vorbereiten und durchführen. Impfstoffe sollten der privaten Profiterzielung entzogen werden. Sie sind ein Ergebnis der kreativen Zusammenarbeit vieler Menschen, sie müssen der gesamten Menschheit gehören. 

5. Solidarische Finanzierung: Die notwendigen Maßnahmen kosten viel Geld. Die Gesellschaften in Europa haben enormen Reichtum angehäuft, den sich allerdings einige wenige Vermögende angeeignet haben. Mit diesem Reichtum sind die umfassende Arbeitspause und alle solidarischen Maßnahmen problemlos finanzierbar. Darum verlangen wir die Einführung einer europaweiten Covid-Solidaritätsabgabe auf hohe Vermögen, Unternehmensgewinne, Finanztransaktionen und die höchsten Einkommen. 

Wir wollen die politische Lähmung in Bezug auf Corona überwinden. Wir wollen uns auch in Deutschland, Österreich und der Schweiz für den nötigen solidarischen ZeroCovid-Strategiewechsel sammeln. Wie unsere Mitstreiter*innen in Großbritannien ( https://zerocovid.uk) wissen wir, dass wir den Schutz unserer Gesundheit gegen kurzfristige Profitinteressen und große Teile der Politik erkämpfen müssen. 

Es gibt keinen Gegensatz zwischen Gesundheitsschutz und Pandemiebekämpfung einerseits und der Verteidigung demokratischer Rechte und des Rechtsstaats andererseits. Demokratie ohne Gesundheitsschutz ist sinnlos und zynisch. Gesundheitsschutz ohne Demokratie führt in den autoritären Staat. Die Einheit von beidem ist der entscheidende Schlüssel zu einer solidarischen ZeroCovid-Strategie. 

12. Januar 2021

Aktienkurse steigen mit den Todeszahlen – Vom Wert des Menschen im Kapitalismus

Ein Beitrag von Thomas Hagenhofer im Rahmen der "Wortmeldungen von links zu Corona" der DKP Saarland

Am 28.12.20 erreichte der deutsche Aktienindex DAX einen neuen Allzeit-Rekordwert. Getreu dem alten Börsenmotto: „Kaufen, wenn die Kanonen donnern!“ laufen die Geschäfte prächtig. Der enthemmte Neoliberalismus lässt an den deutschen Finanzmärkten die Krise hinter sich auf Kosten von hunderten Menschenleben – jeden Tag. Statt eines konsequenten europaweiten Lockdowns, wie ihn 850 Wissenschaftler/innen fordern, werden in den Betrieben weiterhin nicht-lebensnotwendige Waren produziert und hohe Profite erzielt. Die Krisengewinner reiben sich die Hände und die Aktionäre schließen auf sie ihre Wetten ab, während immer mehr Menschen um Gesundheit und Zukunft bangen –  es sind barbarische Zustände.

Die Barbarei des real existierenden Kapitalismus wird auch sichtbar an den vollen Skipisten in Österreich, am Pflegenotstand und Arbeitsquarantäne im Gesundheitswesen, an den fehlenden Produktionskapazitäten für Impfstoffe oder fehlenden Testkapazitäten.

Hinter all diesen Problemen steckt immer wieder die Frage, wie viele Tote sich der kapitalistische Staat leisten will und kann. Es wird – sogar in öffentlichen Statements – austariert zwischen Wirtschaftsinteressen auf der einen Seite und den Zahlen von Intensivpatienten und Toten auf der anderen. Sind letztere zu hoch, werden die Maßnahmen wieder angezogen – aber immer nur soweit, wie es die Profite der Konzerne vertragen. Menschenleben werden den Kapitalinteressen geopfert.

Es ist überdeutlich: Dieses System tötet! Wo bleibt eigentlich der gesellschaftliche Aufschrei gegen diese einen Massenmord verursachende Clankriminalität von Superreichen in Deutschland? Linke und Gewerkschaften wehren sich richtigerweise gegen Einschränkungen demokratischer Rechte in der Pandemie und die bereits angekündigte Abwälzung der Krisenlasten auf die arbeitenden und von Arbeit ausgegrenzten Menschen. Aber wer kämpft konsequent für Menschenleben und Gesundheit? Wir können diese Aufgabe doch nicht den Herrschenden überlassen, die sich auch in der Krise immer an Kapitalinteressen orientieren. Die Zahlen aus den USA zeigen dabei deutlich: Die Reichen können sich schützen, die Pandemie trifft vor allem die Arbeiterklasse.

Wir sollen uns an das Sterben für das System gewöhnen. An die toten Geflüchteten im Mittelmeer und in Nordafrika, an die globalen Opfer unserer unbarmherzigen Exportwalze in Afrika, an die durch unsere Rüstungsexporte getöteten Menschen, an die Corona-Toten. Es geht darum, die Gesellschaft abzustumpfen, auch für neue Kriege. So wird den Menschen vorgegaukelt, diese Opfer müssten gebracht werden, um ihren Lebensstandard zu sichern, um Arbeitsplätze zu erhalten und in Zukunft um die lästige Konkurrenz auf dem Weltmarkt auch militärisch in Schach zu halten. Alfons Mais, Inspekteur des Heeres, fordert in einem programmatischen Vortrag im November 2020, die deutschen Truppen müssten "durchsetzungsfähig, kriegsbereit und siegesfähig sein. Sie müssen in der Lage sein, Schläge einzustecken, sich neu zu formieren und zurückzuschlagen bis der Auftrag erfüllt ist“. Der Bevölkerung soll im Propagandakrieg gegen China und Russland die Kriegsmüdigkeit endlich ausgetrieben werden.

Die politische Linke muss bei diesen Herausforderungen durchdachte und kluge Forderungen entwickeln. Linkspopulistische Sprüche bringen niemanden weiter. Kommunistische und linke Parteien sollten sich auszeichnen durch die richtige Wahl ihrer Losungen zu den jeweils aktuellen Herausforderungen. Aktuelle Beispiele entwickeln diese Parteien z.B. in Belgien, Frankreich oder Luxemburg und stellen die heute entscheidende Aufgabe in den Mittelpunkt: Leben zu schützen statt Profite. Ebenfalls ein Beispiel ist der Aufruf „für solidarische Krisenlösungen - Gesundheit statt Profite“ eines breiten Personen-Bündnisses zur Mahnwache am 14. Dez. in Saarbrücken.

Saarbrücken, 29.12.20

Alternativen und Perspektiven der Arbeiterklasse und der sozialen Bewegungen

Veranstaltung mit Hans-Jürgen Urban dokumentiert

Auf den Seiten der Marx-Engels-Stiftung sind Vortrag und Vortragsfolien von Hans-Jürgen Urban online abrufbar.

Auf Grundlage des Vortrags erscheint auch ein Beitrag in den Marxistischen Blättern (Heft 2/2021).

Mahnwache für solidarische Krisenlösungen – Gesundheit statt Profite!

In Saarbrücken fand sich Mitte Dezember ein Personenbündnis zusammen und trug ihren Protest gegen neoliberale Krisenlösungen vor die saarländische Staatskanzlei.

Zu der Mahnwache aufgerufen hatten Vertreter*innen des FriedensNetz Saar, von ver.di Saar, des DGB Kreis Saar-Pfalz, der GEW Saarland, von Pax Christi, der Partei die Linke Saarland, der Partei Die Piraten Saarland, der DKP Saarland und des Ökumenischen Netz Rhein-Mosel-Saar.

Im Aufruf, der viele Forderungen für eine humane und solidarische Lösung der CORONA-Krise enthätt, heißt es: "Wir lehnen es ab, dass Menschenleben und unsere Gesundheit geopfert werden, um die Gewinne der Banken und Konzerne zu schützen."

Der Aufruf und die meisten Redebeiträge stehen online unter: https://friedensnetzsaarblog.wordpress.com/2020/12/09/corona-gegen-neoliberale-krisenlosungen-wir-setzen-auf-solidaritat/

Save the date: 50 Jahre MSB Spartakus - 12. Juni 2021 in Köln

Liebe Freundinnen und Freunde, wir möchten Euch einladen:

Am 22. Mai 1971 wurde der Marxistische Studentenbund Spartakus (MSB) in Bonn gegründet. Er war in den 1970ern und 1980ern einer der einflussreichsten Studierendenverbände, in dem sich mehrere tausend Studentinnen und Studenten organisierten. Im Mai 2021 wird dieses Ereignis fünfzig Jahre her sein. Wir nehmen es zum Anlass, zu einer Wiederbegegnung einzuladen. Die Zeit im MSB hat uns in einer wichtigen Phase unseres Lebens geprägt. Die gemeinsame politische Praxis, die weit in das tägliche „Studentenleben“ hineinreichte, eine dichte Kommunikationsstruktur mit intensiven inhaltlichen Auseinandersetzungen - das war für viele von uns sehr wichtig in ihrer Persönlichkeitsentwicklung. Intensive Beziehungen und auch Freundschaften sind entstanden, die häufig die tiefe Zäsur der Jahre 1989/90 überdauert haben.

Wir wissen aber auch: Wir blicken auf diese Phase unseres Lebens mit recht unterschiedlichen Gefühlen und Einschätzungen zurück. Und selbstverständlich sind auch die Wege, die wir danach eingeschlagen haben, sehr verschieden. Gerade deshalb würden wir uns sehr freuen, ganz viele von Euch, vielleicht nach Jahrzehnten, wieder einmal zu treffen.

Worum es vor allem gehen soll: Wir wollen uns wiederbegegnen, hören was war, was ist, Gedanken austauschen, Erlebtes teilen, erinnern, nach vorne schauen.

Und zwar am Samstag, den 12. Juni 2021 in Köln. Den genauen Ort werden wir rechtzeitig mitteilen.

Am Abend soll eine fröhliche Party mit Allen gefeiert werden. Tagsüber wird es die Möglichkeit geben, sich mit Bekannten, nicht mehr Bekannten und neu Kennenzulernenden zu treffen.

Es gab bei unseren vorbereitenden Diskussionen sehr verschiedene Überlegungen und Vorschläge zur Gestaltung des Tages. Wir wollen und werden daraus kein festgelegtes Programm stricken. Lange Vorträge wird es jedenfalls nicht geben; an eine Abschlussresolution ist nicht gedacht.

Allerdings fanden wir die Idee eines Offenen Forums, das Raum für unterschiedliche biographische Beiträge bietet, spannend. Vielleicht mag die eine oder der andere auch ihre und seine Sicht auf diese wilde Zeit und auf das, was heute noch wichtig ist, anderen mitteilen? Vielleicht kommen wir dazu in einen spannenden Austausch? Die Formen können ganz unterschiedlich sein: Ein Wort, ein Gedicht, eine Musik, ein … Einige „notorische Optimisten“ wollen am Nachmittag politisch diskutieren. Themen gäbe es einige

Für weitere Ideen und Vorschläge sind wir offen, müssen aber vornherein anmerken, dass wir von unseren Organisationskapazitäten und den räumlichen Gegebenheiten stark begrenzt sind. Und natürlich werden wir zu beachten haben, unter welchen Bedingungen eine solche Zusammenkunft unter „Corona“-Vorzeichen überhaupt durchgeführt werden kann. Das wird sich vermutlich nur kurzfristig entscheiden lassen. Notfalls müssen wir eben alles verschieben.

Damit das Ganze funktionieren kann, solltet ihr – wenn gewünscht - zwei Dinge tun:

  1. Diese Einladung an Menschen weiter reichen, die ihr aus dieser Zeit kennt, und die auch interessiert sein könnten. Schneeballsystem!
  2. möglichst bald mitteilen, ob Ihr Interesse habt und kommen wollt. Wir brauchen um weiter planen zu können, zahlreiche Rückmeldungen. Für uns wäre es sehr wichtig, die Rückmeldung bis zum 15. Dezember zu erhalten.

Feedback bitte senden an:

Peter Bitzer: p.bitzer@posteo.de;
Heike Leitschuh: heike-leitschuh@t-online.de;
Paul Schäfer: paul-schaefer@unimx.de;

Es laden ein:
Annette Biederbick (Marburg), Peter Bitzer (Köln), Renate Bonow (Köln), Chrissie Brückner (Berlin), Torsten Bultmann (Bonn), Peter Degkwitz (Hamburg), Rudi Deuble (Frankfurt/M.), Albert Engelhardt (Wiesbaden), Dieter Ewig (Köln), Thomas Gerlinger (Berlin), Corinna Hauswedell (Bonn), Karlheinz Heinemann (Köln), Michael Held (Berlin), Ludwig Janssen (Köln), Wiebke Koerlin (Mainz), Stefan Kreutzberger (Bonn), Steffen Lehndorff (Köln), Heike Leitschuh (Frankfurt/M.), Michael Paetau (Bonn), Mick Petersmann (Hamburg), Witich Roßmann (Köln), Paul Schäfer (Köln), Ulrich P. Schneider (Kassel), Jerry Sommer (Düsseldorf), Axel Troost (Leipzig), Almuth Westecker (Marburg) Best porn site https://noodlemagazine.com - Watch porn.

-----------------------------------------------------------------------

Dazu 2 Artikel von 2016 auf https://www.kommunisten.de/

Vor 45 Jahren konstituierte sich der MSB Spartakus

MSB Spartakus - Wiedersehen nach 45 Jahren

Es gibt im Netz das Datenbankprojekt MAO (Materialien zur Analyse von Opposition)
Dort sind auch die ersten Materialien des AMS und des MSB digitalisiert zu finden, u.a. auch die ersten Jahrgänge der Roten Blätter.

Linkliste MSB Spartakus

Seite 6 von 10

Deine Meinung, Dein Kommentar, Dein Beitrag ist gefragt

www.KommNet.de ist ein virtueller Treffpunkt für Kommunisten in und außerhalb der DKP, ein Kommunikationsnetz zum Austausch von Ansichten über politische Entwicklungen und Probleme der politischen Arbeit in und mit der DKP.
www.KommNet.de ist eine Diskussionsplattform für alle, die kommunistische Politik auf Grundlage des Programms  der DKP erarbeiten und weiterentwickeln, wollen, die sich neuen Fragen zuwenden, die eine Partei der Toleranz gegenüber unterschiedlichen Meinungen innerhalb dieser Partei, eine Partei der innerparteilichen Demokratie wollen.

Hier kannst Du direkt Deinen Diskussionsbeitrag einreichen

Beitrag einreichen

oder sende ihn per Mail an die Redaktion